Geschichten über die Angst und das Aufwachsen in der Romasiedlung

Stefan Horvath wurde mit mehreren Preisen als Autor ausgezeichnet, er lebt und arbeitet in der Romasiedlung in Oberwart
Der preisgekrönte Roma-Autor Stefan Horvath präsentiert "So gewaltig ist nichts wie die Angst".

Wenn Stefan Horvath bis ins Detail von seinem wöchentlichen "Weihnachten" erzählt, wenn der Vater von Wien nach Hause gekommen ist, leuchten seine Augen und er schildert genau: "Die Begrüßung, das Himbeerkracherl im Bahnhofsrestaurant, die Bensdorp-Schokolade um einen Schilling und das Heimwehlied von Freddy Quinn, das ich immer im Wurlitzer spielen musste."

In seinem neuen Werk "So gewaltig ist nichts wie die Angst. Texte aus zwei Jahrzehnten", arbeitet er nicht nur seine eigene Kindheit auf. Er beschreibt auch das Leben in der Romasiedlung in den Nachkriegsjahren, ebenso wie die Geschichte seiner Mutter und ihrer Zeit im Konzentrationslager. Beide Eltern waren im KZ, wie viele andere Bewohner der Siedlung. "Sie haben nie darüber geredet. Das ganze Leid haben sie durch ihre Körpersprache und ihr Gemüt uns Kindern wiedergegeben, als Kind habe ich das nicht verstanden", sagt Horvath, der sich seit Jahren literarisch mit der Geschichte der Roma auseinandersetzt.

Persönliches Buch

Zu Schreiben hat er nach dem Attentat von Oberwart 1995 begonnen, bei dem sein Sohn und drei weitere Roma aus der Siedlung ihr Leben verloren. Drei Bücher hat er bis jetzt veröffentlicht.

Sein neues Werk hat er aus Ärger heraus begonnen, wie er sagt. "Eine rechte Zeitschrift behauptete, dass die vom Konzentrationslager Befreiten Diebe und Plünderer waren", sagt Horvath. Zwei Jahre wurde prozessiert, bis die Zeitschrift Aula diese Aussage zurücknehmen musste. "Es hat mir weh getan, dass darüber nicht viel berichtet wurde", sagt Horvath. Es wurde ein sehr persönliches Buch, mit "einer Kollage aus Texten". Horvath stellt Fragen nach Entwicklungen und Veränderungen, die das Attentat 1995 zur Folge hatte. Ebenso analysiert er die gegenwärtigen Situation der Volksgruppe.

Veränderungen

"Die Romasiedlung ist noch immer keine noble Adresse", sagt Horvath, der noch immer dort wohnt. Aber Probleme mit Anfeindungen gebe es heute kaum. "Es liegt an den Roma selbst, wie ihr Verhältnis zu der übrigen Bevölkerung ist", meint Horvath. 40 Leute leben noch in der Siedlung, "sie alle haben Angst vor Veränderung", attestiert der Autor, so sei auch der Titel seines Buches entstanden.

Durch die Planungen zum Neubau des Krankenhauses kam das Gerücht auf, dass die Siedlung abgerissen wird. "Es war völlig aus der Luft gegriffen und falsch, aber die Leute hatten trotzdem große Angst – völlig ohne Grund", sagt Horvath, der mittlerweile der älteste Bewohner dort ist. Er glaubt, dass die Romasiedlung bald aussterben wird, "das ist auch gut so".

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