Freispruch mit Fragezeichen
Mir fällt auch heute kein Fehler ein, der diese Anklage rechtfertigen würde“, meinte fast händeringend ein Allgemeinmediziner aus dem Nordburgenland, den eine nicht erfolgte Blutabnahme vor einen Schöffensenat im Landesgericht Eisenstadt brachte. Der Vorwurf lautete: Missbrauch der Amtsgewalt.
Der von Anwalt Karl-Heinz Götz verteidigte Arzt war am 25. November 2010 fast zu mitternächtlicher Stunde in die Polizeiinspektion Neusiedl/See gerufen worden. Eine Streife hatte einen Autolenker angehalten, weil er „im Schritttempo“ fuhr. Der Mann aus dem Bezirk rechtfertigte sich, lange gefahren und davor wenig geschlafen zu haben. Betrunken war er nicht, die Beamten vermeinten aber überdeutliche Anzeichen für den Konsum illegaler Drogen zu erkennen – später stellte sich heraus, der Mann war einschlägig amtsbekannt.
Der Mediziner befand nach klinischer Untersuchung, die Fahruntüchtigkeit rühre von Übermüdung her. Selbst als der auf Drängen der drei anwesenden Polizisten – beim Prozess als Zeugen – absolvierte Harntest Morphin nachgewiesen hatte, ließ sich der praktische Arzt nicht zu einer Blutabnahme bewegen. Der Test belege nur, dass innerhalb der letzten vier Tage morphinhältige Substanzen eingenommen wurden, das könne auch Hustensaft sein – was der Fahrer auch behauptete.
„Ich muss den Zustand des Probanden hier und jetzt beurteilen“ und nach seiner Rechtsauffassung sei eine Blutabnahme erst erlaubt, „wenn ich in der Untersuchung schon zum Schluss gekommen bin, dass er unter Drogeneinfluss steht“, verteidigte sich der Arzt. Die Polizisten waren „angefressen“, fühlten sich „gefrotzelt“. Der Frust wurde nicht kleiner, als sie wenig später im Auto des Lenkers Überweisungen just aus der Ordination dieses Arztes fanden.
2500 bis 3000 Patienten würden ihn als Hausarzt bezeichnen, erklärte der Mediziner, aber nur „einige Hundert“ erkenne er auf der Straße und wisse, „wie sie heißen und was sie haben“. Zudem habe er den Lenker als Drogenkonsument nur einmal, 2005 nach einer Vergiftung, in seiner Ordination selbst zu Gesicht bekommen, aber bei der Amtshandlung 2010 dazu „keinen Zusammenhang“ mehr herstellen können. Ergo gehe der Vorwurf, er hätte ihm helfen wollen, ins Leere. Für Staatsanwalt Roland Koch war klar, „eine Blutabnahme hätte stattfinden müssen und der Doktor hat das gewusst“.
Richterin Karin Lückl verkündete einen „Freispruch im Zweifel“. Dem Arzt war die Erleichterung nach dreijährigem Verfahren anzumerken. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Apropos: Dem Lenker wurde der Führerschein kurz darauf abgenommen.
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