71 Tote in LKW: Verdächtiger hat langes Vorstrafenregister
Unter den festgenommenen Schleppern des Flüchtlingsdramas auf der A4 am Donnerstag soll sich ein polizeibekannter Mann befinden. Die Nachrichtenagentur BTA berichtete unter Berufung auf die bulgarische Zeitung 24 Chasa, dass ein 29-jähriger Bulgare jedes Monat Menschenschmuggel nach Westeuropa betrieben haben soll. Er soll ein langes Vorstrafenregister haben, hieß es.
Der Verdächtige sei am 25. Juli in Deutschland festgenommen worden, allerdings sei ihm mit einem weiteren Fahrer die Flucht gelungen. Damals soll er 35 Menschen aus Afghanistan geschleppt haben. Außerdem steht laut Kronen Zeitung im Raum, dass der 29-Jährige im Sommer 2009 maskiert und mit einer Pistole bewaffnet eine Tankstelle in Bochum überfallen habe. Von der Landespolizeidirektion Burgenland konnte man dazu auf APA-Anfrage nichts sagen bzw. bestätigen.
Wie der KURIER berichtete, hat es beim Kühltransporter, in dem am Donnerstag die 71 toten Flüchtlinge entdeckt worden waren, scheinbar keine Öffnung für Luftzufuhr von außen gegeben. "Dies bezieht sich darauf, was augenscheinlich, also von außen wahrzunehmen ist bzw. war. Nähere Einzelheiten dazu wird das Gutachten des Sachverständigen, der von der Staatsanwaltschaft bestellt wurde, dem man aber keinesfalls vorgreifen möchte, ans Tageslicht bringen", betonte Polizeisprecher Gerald Pangl. Ob das Kühlaggregat am Transporter für Sauerstoffzufuhr gesorgt haben könnte, werde noch untersucht.
Ermittlungsupdate am Freitag
Alle Verdächtigen festgenommen
Nach Informationen aus Bulgarien seien alle Verdächtigen festgenommen worden. "Alle, die mit der Tragödie verbunden sind, wurden schon festgenommen", sagte Innenministerin Rumjana Batschwarowa am Dienstag im Fernsehsender bTV in Sofia.
Wenige Stunden zuvor hatte es zwei Festnahmen gegeben. Das teilte Verena Strnad, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (StA) am Dienstag auf Anfrage der APA mit. Bei einer Person handle es sich um jenen Mann, der noch per Europäischen Haftbefehl gesucht worden war. Er wurde in Bulgarien festgenommen.
Indes wurden im Rahmen der nach dem Flüchtlingsdrama auf der A4 am Sonntag gestarteten Kontrollaktion nach Angaben des Innenministeriums vom Montag fünf Schlepper festgenommen und mehr als 200 Flüchtlinge aufgegriffen. "Wir wollen Schleppern das Handwerk legen", definierte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, das Ziel der mit den Nachbarländern koordinierten Kontrollen.
Bilder der Schwerpunktaktion:
Im Burgenland sind vier Tage nach dem Beginn der Schwerpunktkontrollen gegen Schlepper in der Ostregion bisher 24 Festnahmen erfolgt. Nachdem im gesamten Bundesgebiet am Montag insgesamt 307 Flüchtlinge aufgegriffen wurden, waren es am Dienstag 305 Personen, berichtete Oberstleutnant Helmut Marban der APA. 239 Menschen wurden seit Sonntag alleine bei den Fahrzeugkontrollen angehalten.
Die Lage sei angesichts der Umstände aber "normal" und von den Zahlen her - es gab auch heute Vormittag bereits wieder rund 100 Aufgriffe - unverändert, sagte Marban. "Extreme Fälle waren bisher keine dabei". Dies bedeute, dass bei den Kontrollen im Burgenland zwar keine Menschen akut gefährdet waren, diese jedoch geschwächt und meist in überfüllten Fahrzeugen angetroffen wurden.
"Es sind uns bereits interessante Erkenntnisse erwachsen", zog der Oberstleutnant eine erste Bilanz. Man agiere jedenfalls flexibel auf das Verhalten der Schlepper, wie es im Grundkonzept der Aktion vorgesehen war, Details wurden klarerweise keine bekannt gegeben.
Der Hotspot der Kontrollen ist weiterhin der Bezirk Neusiedl am See und dort die ehemalige Grenzstelle an der Ostautobahn (A4) in Nickelsdorf. Polizeisprecher Gerald Pangl berichtete, dass sich bei der dortigen Erstversorgungsstelle gegen Mittag zwischen 50 und 60 Flüchtlinge befanden.
Aufgriffe in Oberösterreich geringer
Die Polizei in Oberösterreich berichtete, dass die verstärken Kontrollen in Ostösterreich offenbar Wirkung zeigen. Obwohl der Fahndungsdruck erhöht worden sei, gebe es weniger Aufgriffe, bilanzierte der Pressesprecher der Landespolizeidirektion David Furtner.
Demnach sind von Sonntag auf Montag 29 Flüchtlinge aufgegriffen und ein Schlepper festgenommen worden. Bis Dienstag früh waren es weitere 31 und ein Schlepper. Diesen hat die oberösterreichische Polizei in Zusammenarbeit mit den bayerischen Kollegen gefasst, auch ein Hubschrauber war dabei im Einsatz.
Diese Zahlen sind deutlich geringer als zuletzt - als pro Tag bis zu 100 Menschen auf der Straße aufgegriffen wurden. Die Polizei überwache jetzt alle Haupt-, aber auch die Nebenrouten, schilderte Furtner. Ihre Aufgabe sei es, das Verbrechen der Schlepperei auf der Straße zu bekämpfen und Menschenleben zu retten. Bei den Zügen mit Flüchtlingen, die ohne Schlepper unterwegs sind, beschränke man sich auf die sicherheitspolizeiliche Absicherung der Bahnhöfe, damit niemand zu Schaden kommt.
Kontrollen auch in der Steiermark verschärft
Insgesamt 20 steirische Polizisten und Polizistinnen sind vorerst für ein Monat bei den Schlepper-Kontrollen im Burgenland und in Niederösterreich als Unterstützung im Einsatz. Auch auf den steirischen Straßen wurden die Kontrollen verschärft, erklärte die Landespolizeidirektion am Dienstag. Ein Ausweichen auf Routen durch die Steiermark sei bisher nicht zu erkennen.
Es gab bisher keine vermehrten Aufgriffe von Flüchtlingen oder Festnahmen von Schleppern.
Ein tschechischer Regionalpolitiker hat mit einem Kommentar über die Flüchtlingstragödie auf der A4 im Burgenland für Empörung gesorgt. Daniel Kalenda von der mitregierenden Volkspartei KDU-CSL kommentierte den Tod der 71 Flüchtlinge auf seinem Facebook-Profil mit schockierenden Worten und sprach von "Pöbel und Dreck", der in Europa "nichts zu suchen" habe. Die Partei distanzierte sich von ihm.
"Mein Gott, 71 Tote auf der Autobahn in Österreich. Sollten wir vielleicht weinen?", schrieb Kalenda auf dem sozialen Netzwerk Facebook. "Die Welt ist angeblich erschüttert, ich trauere aber nicht. Es tut mir nicht leid. Überhaupt nicht! Es handelt sich um Pöbel, Dreck und Elemente, die hier nichts zu suchen haben", so Kalenda laut Medienberichten.
Distanziert
Seine Partei reagierte empört. Parteichef und Vizepremier Pavel Belobradek distanzierte sich deutlich von Kalendas Aussagen. Diese stünden "im Widerspruch zu den Prinzipien unserer Politik", betonte Belobradek, der den Ausschluss Kalendas aus der KDU-CSL in Aussicht stellte. Ein entsprechender Beschluss der Parteiführung wurde am Dienstagabend erwartet.
Entschuldigt
Kalenda selbst entschuldigte sich und begründete seinen mittlerweile gelöschten Kommentar mit Trunkenheit. "Weniger saufen, mehr denken und erst dann etwas tun", versprach der Politiker aus dem nordböhmischen Liberec (Reichenberg) und trat von seinen Parteiämtern zurück.
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