Fahnenschwingen ist jetzt Kulturerbe

Fahnenschwingen ist jetzt Kulturerbe
Das 400 Jahre alte Brauchtum wurde von der UNESCO zum „immateriellen Kulturerbe“ ernannt.

Es war im Frühjahr dieses Jahres, als Bürgermeister Johannes Igler die Idee hatte, das Fahnenschwingen bei der UNESCO als Vorschlag für eine Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe zu machen. „Tradition und Brauchtum haben in Neckenmarkt ja schon immer einen fast einzigartig hohen Stellenwert. Meine Erwartungen waren groß, dass das Fahnenschwingen zum Kulturerbe ernannt wird“, sagt Igler. Seine Erwartungen haben sich erfüllt: Vor Kurzem hat die UNESCO den einzigartigen Brauch der mittelburgenländischen Gemeinde in das Verzeichnis aufgenommen (siehe Zusatzbericht). „Wir sind sehr stolz, dass unser Brauchtum gewürdigt wird und ich bin mir sicher, dass es auch den Zusammenhalt im Dorf fördert“, sagt Igler.

Die Aufrechterhaltung der Tradition im Dorf währt beinahe 400 Jahre, der Brauch geht auf die Schlacht bei Lackenbach im Jahr 1620 zurück. Mithilfe der Neckenmarkter Bauernmilizen gelang es Graf Nikolaus Esterházy damals, einen Angriff ungarischer und böhmischer Aufständischer auf das Lackenbacher Schloss abzuwehren. Zum Dank für ihren Einsatz erhielten die Bauern Land, Privilegien und – eben eine Fahne. Diese wurde später der Obhut der ledigen jungen Männer von Neckenmarkt anvertraut. Das Neckenmarkter Fahnenschwingen wird seither am „Umgangssonntag“, dem Sonntag nach Fronleichnam, sowie bei anderen Feierlichkeiten im Dorf abgehalten.

Die Erinnerung an das historische Ereignis wird in einer modernen Perspektive pazifistisch gedeutet, und als Mahnruf gegen den Krieg gesehen, heißt es von der UNESCO.

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Hajducken-Uniform

Die Tradition – wie etwa das Wissen um die Durchführung des Schwingens – wird innerhalb der verantwortlichen Burschenschaft der Gemeinde von einer Generation zur nächsten weiter gegeben. Jedes Jahr wählen die Burschen aus ihrer Mitte einen Fähnrich. Am Sonntag nach Fronleichnam ziehen sie dann die Hajducken-Uniform an: schwarze Hose, dunkelblaue Jacke mit Messingknöpfen, Pelzmütze und hohe Stiefel. Der Fähnrich trägt als besondere Zierde auch eine Schürze, ein gefranstes Seidentuch.

Auch Neckenmarkts Amtsleiter, Georg Schubaschitz war 1985 Fähnrich. „Das Recht, Uniform zu tragen und die Fahne schwingen zu dürfen, war früher eine ganz besondere Auszeichnung. Es geht bei diesem Brauch um die Ehre, und daran hat sich nichts geändert“, sagt Schubaschitz. Und fügt hinzu: „Viele glauben, dass es eine Show ist. Aber das ist es nicht. Man muss schon bedächtig damit umgehen.“

Das Organisieren der Feierlichkeiten rund um den Tag der Fahne obliegt den Burschen selbst. „Es ist eine große Verantwortung, so eine Veranstaltung zu organisieren“, sagt Igler.

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Familien eingebunden

Zudem verlange es die richtige Technik, um die etwa 30 Kilogramm schwere Fahne am „Umgangssonntag“ 120 Mal zu schwingen. Denn das sei kräftezehrend, erinnert sich Schubaschitz. Um wochenlanges Üben komme man dabei nicht herum. Eingebunden sind nicht nur die Burschen, sondern auch deren Familien. Fähnrich, Wachtmeister, Kellner, Kommandant, Fähnrichmädchen, Fahnenpatin – jeder muss die ihm zugedachte Rolle erfüllen. Am Vortag vor dem Umgangssonntag wird ein „Burschenbaum“ aus dem Wald geholt, der mit Beteiligung der Bewohner aufgestellt wird. Auch die Gemeinde ist eingebunden: Pfarrer, Musikkapelle und das Burschengasthaus spielen eine wichtige Rolle.

Sogar einer Audienz bei Papst Franziskus wohnten die Fahnenschwinger bereits bei.

Touristisch vermarkten wollen die Neckenmarkter ihr Kulturerbe auch künftig nicht, sagt der Bürgermeister. „Das ist ja das besondere, dass diese Tradition im kleinen Rahmen hochgehalten wird. Und so soll es auch bleiben.“

In einer Reihe mit "Stille Nacht" und Wiener Walzer

 Die UNESCO, eine Organisation der Vereinten Nationen, schützt vielfältig gelebte Traditionen und Bräuche seit dem Jahr 2003 als „immaterielles Kulturerbe“. Das österreichische Verzeichnis  dokumentiert lokale Traditionen und gewachsenes Wissen – insgesamt sind derzeit 117 Traditionen aus ganz Österreich vertreten. Dazu gehören u. a.  der Ausseer Fasching,  das Weihnachtslied „Stille Nacht“ sowie der Wiener Walzer. Fünf davon stammen aus dem Burgenland. Dazu zählen   neben dem Fahnenschwingen  der Burgenländische Indigo-Handblaudruck (in Dörfl), Ofen- und Kaminmaurerei im Burgenland (v. a. in Ritzing, Sigless, Neutal), die Lieder der Lovara (mündliche Tradition der Roma) sowie Roman  (Sprache der Roma).  „Vielfalt ist das Grundprinzip des immateriellen Kulturerbes – es versammelt viele unterschiedliche, kulturelle Praktiken und Traditionen“, erklärt Gabriele Eschig, Generalsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission.  Nicht damit verwechselt werden darf das gebaute „Weltkulturerbe“, das  den universellen Wert von Stätten hervorhebt.

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