Ex-Polizist bricht Schweigen: "Habe Bankräuber erschossen, der Polizist war"

46-216081899
Schweigen gebrochen: Ex-Kriminalist schildert exklusiv, wie er einen Bankräuber und Kollegen erschoss.

VON GERNOT HEIGL

„Der Bankräuber wollte mich umbringen - zielte und drückte ab. Es ging um Leben und Tod: entweder er oder ich. Also schoss ich dreimal und traf ihn tödlich. Dass ich unverletzt blieb, war reines Glück.“ Der ehemalige Kriminalist Michael M. aus dem Bezirk Oberpullendorf bricht gegenüber dem KURIER erstmals sein Schweigen über einen Banküberfall vor 32 Jahren. Und schildert exklusiv, wie es zum dramatischen Einsatz kam und wie er den tödlichen Schuss gegen einen Kollegen verarbeitet hat. Denn der Serientäter war ein Polizist.

„Ich bin kein Held. Ich habe nur meinen Job gemacht. Dafür wurde ich ausgebildet“, stellt Michael M. klar, ehemaliger Kriminalist mit Wohnsitz im Bezirk Oberpullendorf. „Klar ist aber auch: Wenn ein bewaffneter Täter mit gezogener Waffe vor dir steht, gibt es nicht viel zu überlegen. Das ist eine Entscheidung, die man in Bruchteilen einer Sekunde fällen muss. Im Wissen, es geht um mein eigenes Leben.“ 

Der Bankrüberfall

„Es war 11.58 Uhr, zwei Minuten bevor die Bank in Zwölfaxing schloss und mein Dienst im Rahmen der Banküberwachung endete. Da flog die Eingangstüre auf. Ein Räuber stürmte direkt auf die Kassiererin zu, der andere postierte sich mit gezogener Waffe in der Raummitte. Beide trugen Faschingsperücken und hatten Parker-Regenmäntel an. Sie sprachen kein Wort, das war auch nicht nötig. Denn die Situation war eindeutig“, erinnert sich der inzwischen pensionierte Polizist.  

„Ich schrie ‘Polizei, Waffe weg!‘ und zog meine Pistole. Da drehte sich der Räuber zu mir und drückte sofort ab. Ich ebenfalls. Dreimal. Dann sprang ich hinter einen Vorsprung und hörte, wie der Mann neuerlich abdrückte. Mein Glück … seine FN-Waffe hatte beide Male Ladehemmung. Deshalb blieb ich unverletzt.“ Und weiter: „Die Pistole war umgebaut und hätte im Dauerfeuer zwölf Schuss rausgeballert. Geladen war sie mit Hydra-Shok-Projektilen (Anm.: Hohlspitzgeschosse). Hätte mich eine getroffen, wäre ich durch die Wucht an die Wand geflogen.“

Ziel verfehlt?

„Obwohl ich dreimal auf den Räuber gezielt hatte, zeigte der keinerlei Wirkung. In diesem Moment dachte ich, so schlecht hast du noch nie geschossen. Also sprang ich aus meinem Versteck, rannte auf ihn los und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Es kam zu einem Gerangel. Wie sich später herausstellte, griff er während des Kampfes nach seinem im Hosengurt steckenden Fallschirmmesser. Er konnte es aber nicht mehr einsetzen, weil ich ihn zu Boden brachte. Erst jetzt sah ich an einer Gebäudewand mehrere Blutspritzer. Laut Obduktion hatte ich ihn doch getroffen, zweimal in den Oberschenkel, einmal in den Oberkörper.“  

Während dieses Kampfes war der zweite Täter mit der Kassiererin als Schutzschild aus der Bank gerannt. Ließ dann aber seine Geisel auf der Flucht frei und konnte Monate nach dem Überfall verhaftet werden. Es handelte sich um einen Polizisten. So wie auch beim noch in der Bankfiliale verstorbenen Räuber, der in Wien als Polizei-Hundeführer seinen Dienst versehen hatte. Auf das Konto des Verbrecherduos „gingen zuvor schon fünf Überfälle auf Postämter, das haben die kriminalistischen Erhebungen ergeben,“ schildert Michael M. 

„Der Räuber war Polizist.“

Befragt, warum der Verbrecher sofort auf ihn geschossen hat, meint er: „Der Räuber war Polizist. Als Polizist willst du nicht ins Gefängnis. Also sah der Täter für sich selbst gar keine andere Option. Motiv könnten Geldsorgen wegen eines Hausbaues gewesen sein. Da er ja auch verheiratet und Vater dreier Kinder war, wollte er wohl mit aller Gewalt verhindern, dass er eingesperrt wird.“

Angesprochen darauf, wie er die tödlichen Schüsse verarbeitet hat, antwortet der pensionierte Polizist, damals Revierinspektor und 29 Jahre alt, nachdenklich: „1993 gab es noch keine psychologische Hilfe, wie das glücklicherweise heute der Fall ist. Da musste ich alles mit mir alleine ausmachen. Um nicht zu viel ins Grübeln zu kommen, bin ich, ohne mir freizunehmen, wieder in den Dienst gegangen, als Ablenkung.“ Und weiter: „Damals habe ich die Erlebnisse aufgeschrieben und jetzt in meinem Buch mit dem Titel ‘Am siebten Tage ruhte der Herr‘ zu Ende gebracht.“

Obwohl der Vorfall schon 32 Jahre zurückliegt, holen Michael M. bis heute Flashbacks des Vorfalles ein, die ihn immer wieder fragen lassen: „Wie tief muss ein Polizist sinken, dass man so etwas macht …? Man zum Serienräuber wird und einen Polizeikollegen erschießen will.“ Abschließend meinte der Burgenländer: „Eigentlich wäre ich am Tag des Banküberfalls gar nicht im Dienst gewesen, ich habe nämlich erst kurz davor mit meinem Partner getauscht, weil der unbedingt frei haben wollte.“ 

Kommentare