Eine Frage der Ähre: Ein Bäckermeister und seine Philosophie
„Wir sind schon Exoten“, sagt Clemens Waldherr und lacht. Gemeinsam mit seiner Frau Brigitte betreibt er in Kleinhöflein, einem Ortsteil der Landeshauptstadt Eisenstadt, eine Bäckerei. Es ist kein konventioneller Betrieb, den das Ehepaar leitet. „Wir sind bemüht, unsere Wertvorstellungen auch im Betrieb umzusetzen“, sagt Clemens Waldherr. Das Thema Nachhaltigkeit liegt dem fünffachen Familienvater sehr am Herzen.
Dass seine Worte keine leeren Hülsen sind, bewies der Bäckermeister schon 1994, als er den elterlichen Betrieb übernommen hat: Damals stellte er sofort auf Bio um. „Wir waren 1994 die erste Bäckerei Österreichs mit einem Vollkorn-Bio-Vollsortiment.“ Vom Brot bis zur Torte wird alles aus Vollkorn-Bio-Getreide hergestellt. Statt Zucker wird Honig verwendet. Außerdem ist Waldherr einer der wenigen Bäcker, die auch gluten- und laktosefreie Backwaren im Sortiment haben.
Auch wenn die Nachfrage steige: Es sei nicht sein vorrangiges Ziel, den Betrieb immer wieder zu vergrößern, betont der 53-jährige Bäckermeister. „Wir sind ein Familienbetrieb mit ein paar Mitarbeitern und unendlich vielen kleinen Kunden.“ Es wäre zwar einfacher, wenige Großkunden zu beliefern, sagt Waldherr. „Aber das wäre nicht nachhaltig.“
Filialen hat Waldherr neben dem Stammbetrieb in Kleinhöflein noch zwei in Wien und eine in Graz. Das Geschäft ist – trotz aller Begeisterung für den Beruf – kein Zuckerschlecken: Der Chef steht jeden Tag – sieben Tage die Woche – ab zwei Uhr Früh selbst in der Backstube. „Wir mahlen das Mehl jeden Tag frisch, das macht einen Vollkorn-Bäcker aus.“
Die benötigten Getreidemengen in bester Bio-Qualität zu beziehen, sei immer wieder eine logistische Herausforderung gewesen. Einerseits müsse die Qualität passen, andererseits brauche er nur kleine Liefermengen. „Wir benötigen zwar mehr als ein Haushalt, aber nicht so viel wie eine große Kette.“ 70 bis 80 Tonnen Getreide verarbeitet Waldherr pro Jahr.
Einzigartige Kooperation
Und auch das Gesicht, das hinter dem Getreide steht, wollte der Bäckermeister kennen. Da spielte ihm der Zufall in die Hände: Auf der Suche nach passenden Lieferanten kam Familie Waldherr schließlich mit zwei befreundeten Bio-Bauern ins Gespräch. Andreas Wagentristl und Rudolf C. Kollwentz haben ihre Biobetriebe quasi ein paar Häuser weiter, im Nachbardorf Großhöflein. Wagentristl etwa hat seinen Betrieb 2014 auf Bio umgestellt. „Der Ur-Roggen, den ich angebaut habe, liefert zwar weniger Ertrag, dafür ist die Qualität umso besser.“ Schnell wurde man handelseins: Seit wenigen Wochen bezieht der Vollkorn-Bio-Bäcker Roggen, Dinkel und Weizen für Brot und -Gebäck ausschließlich von den Biohöfen Wagentristl und Kollwentz. Das Ergebnis kann man schmecken: Die Backwaren aus Kleinhöflein, zubereitet mit Getreide der heurigen Ernte aus Großhöflein, sind schon beim Bäcker erhältlich.
Eine Lösung, von der alle profitieren: „Die Bauern bekommen faire Preise und wir die Ware, die wir uns wünschen. Es gibt keine Zwischenhändler, aber kurze Transportwege.“ Die Vollkorn-Bio-Produktion und Verarbeitung sei zwar mehr Arbeit, als die konventionelle. Aber sowohl für den Bäcker, als auch seine „Kornlieferanten“ stehe Nachhaltigkeit im Fokus. „Als ich vor 25 Jahren Bio-Semmeln verkauft habe, wurde ich schief angeschaut“, sagt Waldherr. Heute habe schon ein Umdenken begonnen. „Und ich sehe noch viel Potenzial nach oben.“
Kommentare