Eine Analphabetin berichtet: „Ich habe mich durchgeschwindelt“

Eine Analphabetin berichtet: „Ich habe mich durchgeschwindelt“
In der Volkshochschule Burgenland lernt Anna H. Lesen und Schreiben - kurz vor der Pension.

„Beim Schreiben habe ich mir immer schon schwergetan“, sagt Anna H. (Name von der Redaktion geändert Anm.). Bisher hatte sie diese Schwäche unter größten Mühen verheimlicht. Heute steht sie zwar kurz vor ihrer Pension, doch Lesen und Schreiben, lernt sie erst seit 2017 in der Volkshochschule Burgenland (VHS).

„Sie ist sehr motiviert, immer pünktlich und macht gute Fortschritte“, sagt Brigitta Schügerl, sie lehrt H. die Grundkenntnisse. Anna H. ist kein Einzelfall. Wie viele Personen in Österreich eine Lese- und Schreibschwäche haben, könne nur geschätzt werden.

Oft haben die Menschen trotz eines Hauptschulabschlusses Probleme. Im Fall von Anna H. gab es die ersten Hindernisse schon in ihrer Volksschulzeit. „Es war meine Aussprache“, sagt H. Sie wurde in die Sonderschule geschickt und dort habe sie sich durchgeschwindelt, ohne lesen und schreiben zu lernen. „Das war mein ganzes Leben lang ein Handicap“, sagt die Südburgenländerin. Doch trotzdem hat sie immer gearbeitet. Ihren letzten Job als Putzfrau kündigte sie selbst, denn nach 24 Jahren sei herausgekommen, dass sie in der Sonderschule gewesen sei – „es ist noch immer ein Makel“, meint H. Sie schlitterte ins Burn-out. „Übers Frauenhaus bin ich dann zur Volkshochschule gekommen“, sagt H.

Eine Analphabetin berichtet: „Ich habe mich durchgeschwindelt“

Anna H. übt.

Plan

„Bei der Erstberatung war Frau H. niedergeschlagen und depressiv, dann haben wir einen Plan geschmiedet“, sagt VHS-Beraterin Margit Poandl. H. bekommt seit Oktober 2017 Einzelunterricht. „Am Anfang dachte sie, wir schaffen das nie“, sagt Poandl. Mittlerweile ist auch H. überzeugt von sich und ihrem Können. Woche für Woche lese sie flüssiger und schreibe besser.

Die „LernBar – Basisausbildung“ bietet Erwachsenen und Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr kostenlose individuelle Lernhilfe an, beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Teilnehmer stehen teilweise im Berufsleben, aber es seien auch Jugendliche dabei, die ihren Regelschulabschluss nachholen wollen. „Es ist oft auch Übungssache, wenn man länger nichts mit Lesen oder Schreiben zu tun hat, fehlt die Routine“, erklärt Schügerl, die seit mehr als 40 Jahren unterrichtet.

Einen zusätzlichen Punkt in der Grundausbildung könnte schon bald die Digitalisierung bringen. Am 6. Dezember organisieren die VHS in Eisenstadt eine Tagung zum Thema „Digitalisierung und Grundbildung“. Denn der Umgang mit neuen Technologien und Medien sei ein Eckpfeiler der „gesellschaftlichen Teilhabe geworden“. Deshalb solle zukünftig auch die Mediengrundbildung in den Lehrplan kommen.

Für Anna H. ist klar, sie hätte sich schon früher bei der Volkshochschule melden sollen. „Ich habe mich immer durchgeschummelt und es hat mir so viele Chancen in meinem Leben genommen“, sagt H. Heute hat die Südburgenländerin den Willen , Lesen und Schreiben zu lernen.

„Irgendwann schreibe ich noch ein Buch über mein Leben“, sagt H.: „Auch um andere zu motivieren.“www.vhs-burgenland.at

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