Ungarn sehen Zukunft im Burgenland

Barbara Szakal aus Körmend pendelt seit sieben Jahren nach Oberwart
71 Prozent wollen nicht wieder in Ungarn arbeiten; höhere Löhne und soziale Sicherheit ziehen sie beruflich ins Ausland

Man muss kein Prophet sein, um dieser Vision wenig Chancen auf Realisierung einzuräumen: 2020 soll es 110.000 Beschäftigte geben, davon 100.000 Burgenländer, hatte sich Landeshauptmann Hans Niessl im Herbst 2014 gewünscht. Und die rot-blaue Regierung spricht seit 2015 immer wieder davon, dass es mehr Jobs für Burgenländer geben sollte. 110.000 Beschäftigte scheinen möglich, dass davon nur 10.000 aus dem Ausland kommen hingegen kaum.

Denn eine am Donnerstag von ÖGB und dem ungarischem Gewerkschaftsbund MASZSZ in Eisenstadt und anschließend in Sopron präsentierte Studie zum „Grenzpendeln in der Region Burgenland-Westungarn“ zeigt zweierlei: Die Zahl der ungarischen Arbeitnehmer im Burgenland steigt stetig (das haben auch schon die AMS-Statistiken der vergangenen Jahre belegt) und fast drei Viertel der Befragten (71 Prozent) möchten auch in Zukunft nicht wieder in ihrem Heimatland arbeiten.

Ungarn sehen Zukunft im Burgenland

Langfristige Trends

Apropos Zahlen: Wirklich repräsentativ seien die 2017 erhobenen Daten der Studie nicht, musste Csaba Horvath vom MASZSZ einräumen. Denn nur 318 der geschätzten 20.000 ungarischen Tagespendler (zu den hier gemeldeten rund 14.600 Arbeitnehmern aus dem Nachbarland kommen noch von ungarischen Firmen Entsendete und Schwarzarbeiter wie Putzfrauen) haben teilgenommen und nicht alle haben alle 32 Fragen beantwortet. Aber „Trends“ würden sich zweifellos erkennen lassen, sind Horvath und der burgenländische ÖGB-Landessekretär Andreas Rotpuller überzeugt.

Was das Burgenland für die ungarischen Arbeitnehmer so attraktiv macht? Barbara Szakal etwa pendelt von Körmend täglich nach Oberwart, wo sie in der Kaffeekonditorei Schranz serviert. Früher habe sie in Ungarn als Kellnerin gearbeitet, auf der Universität hat sie Deutschkurse besucht und Prüfungen gemacht. Seit sieben Jahren arbeitet sie jenseits der Grenze. „Wenn ich in Österreich mehr Geld verdienen kann als in Ungarn, arbeite ich hier“, sagt Szakal.

Konkret haben die Ungarn im Burgenland zwei- bis viermal so viel auf dem Gehaltszettel wie in ihrem Heimatland, wo der durchschnittliche monatliche Bruttolohn bei 1000 Euro liegt, erläutert Horvath, MASZSZ-Chef für das westungarische Komitat Vas. Dazu kommt die Rechtssicherheit durch die österreichischen Kollektivverträge. Beides zusammen wiegt offenbar schwerer als die hie und da immer noch praktizierte Unterentlohnung ungarischer Arbeitnehmer in burgenländischen Betrieben.

Leidensfähig

Für viel mehr Geld und höhere soziale Sicherheit nehmen Ungarn im Extremfall auch tägliche Fahrzeiten bis zu drei Stunden hin und zurück in Kauf. Und sie akzeptieren auch Jobs, die eigentlich unter ihrem Qualifikationsniveau liegen. Bei den Grenzpendlern handle es sich um eher höher oder hoch qualifizierte Personen. Fast drei Viertel der Befragten haben eine Lehre oder eine Fachmittelschule abgeschlossen, 21 Prozent eine Hochschule. Im Burgenland sind sie dann aber zu 31 Prozent als Dienstleister (Handel bis Putzfrau) beschäftigt, danach folgen Gastgewerbe (29 Prozent) und der Bau (19 Prozent).

Horvath räumt ein, dieser „riesige Fachkräftemangel“ sei eine „große Herausforderung für Ungarn“. Und die wird eher noch größer, denn laut anderen Erhebungen steige der jährliche Zuwachs ungarischer Arbeitnehmer in Österreich (derzeit 90.000) um acht Prozent, im Burgenland sind es weniger, weil hier der Markt schon gesättigt ist. Und sechs von zehn Schülern sehen ihre berufliche Zukunft nicht in Ungarn.

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