Caritas will zwei Betriebsräte kündigen
„Liebevoll betreut“ würden die 93 Senioren im Eisenstädter Caritas-Haus St. Martin, steht auf der Homepage der kirchlichen Einrichtung. Pflegerin und Betriebsrätin Karmen Weeber hat selbst auch das Gegenteil bemerkt – ebenso wie zehn ihrer Kolleginnen, die sich an sie gewandt haben sollen.
Ein Ex-Kollege soll sich Haarsträubendes geleistet haben. Ein Auszug: Statt der vorgeschriebenen Medizin soll er Süßstoff in die Medikamentenschachtel sortiert haben, einem Bewohner mit Schluckbeschwerden habe er ein ganzes Wurstrad verabreicht, woran dieser fast erstickt wäre, und eine im Sterben liegende Frau habe er so rüde in die Dusche gedrängt, dass sie Hämatome davontrug. Dass der Tod der Frau am nächsten Tag damit zusammenhänge, wollte sie nie behaupten, sagt Weeber. Der KURIER konnte zwei weitere Pflegerinnen kontaktieren; sie haben diese Sicht im Wesentlichen bestätigt. Ein Kontakt zum betroffenen Pfleger gelang nicht. Weeber und andere Kolleginnen hätten diese Vorfälle seit Sommer 2017 mehrmals an ihre Vorgesetzten gemeldet, viel zu lange sei aber nichts passiert.
Stattdessen sollen Karmen Weeber und ihr Mann Wolfgang nun gekündigt werden (der Jurist ist ebenfalls Caritas-Betriebsrat und in der Flüchtlingsberatung tätig). Nach einer ersten Verhandlung vor dem Arbeits- und Sozialgericht Eisenstadt wurde vertagt, weil der Richter in Pension geht. Sie wolle man wegen des Aufzeigens der Missstände los werden, meint Karmen Weeber, ihren Mann , weil er in der Causa hinter ihr stehe. Weeber: „Ich fühle mich entsorgt wie ein Stück Dreck“. Auch Wolfgang Blaschitz, Anwalt der Weebers, sieht keinen Kündigungsgrund: „Das gerichtliche Vorgehen gegen meine Mandanten ist eine Retourkutsche gegen das legitime Aufzeigen von Missständen“.
Was Karmen Weeber besonders schmerzt: Am 21. August habe sie Dominik Orieschnig, Pressesprecher der Diözese Eisenstadt, per eMail von den Vorwürfen unterrichtet. Vor einer danach von der Diözese einberufenen Kommission unter Vorsitz von Anwalt Werner Dax haben Weeber und Kolleginnen am 3. September ausgesagt. Tags darauf wurden sie und ihr Mann von der Kanzlei Dax von der beabsichtigten Kündigung informiert.
„Kein Zusammenhang“
Die Diözese hat eine andere Sicht: Der Vorwurf, die Hausleitung habe angeblich gefährliche Pflege durch einen Mitarbeiter gedeckt, sei „bereits nach wenigen Tagen durch ärztliche Gutachten zur Gänze entkräftet“ worden, schreibt Orieschnig.
Auch der Pfleger sei entlastet worden, zudem sei er schon Monate zuvor gekündigt worden. Warum? Wegen mangelnder Deutschkenntnisse „und daraus folgend auch in empathischer Hinsicht“ sei er nicht geeignet gewesen. Der Schlussbericht der „unabhängigen Kommission“ zu den Vorwürfen werde im Dezember erwartet – aber nicht veröffentlicht.
Dass die beabsichtigte Kündigung eine Retourkutsche sei, stimme auch nicht, so Orieschnig. Im Juli habe man bei Gericht wegen „höchstpersönlicher Dienstverfehlungen“ den Antrag auf Kündigung gestellt, im August habe sich Frau Weeber mit den Vorwürfen bei der Diözese gemeldet (im Haus St. Martin habe sie das schon ein Jahr davor gemacht, sagt Weeber). Welche Verfehlungen das waren, sagt die Diözese nicht. Wolfgang Weeber hält das für einen „lächerlichen Vorwand“; es gehe dabei nur darum, ob eine Betriebsratssitzung 2,5 oder vier Stunden dauern dürfe.
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