Burgenländischer Arbeitsmarkt: Das Brummen vor dem Stottern

Burgenländischer Arbeitsmarkt: Das Brummen vor dem Stottern
Trotz nachlassender Konjunktur gibt es noch keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, der ist "erstaunlich robust".

Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, jene der Schulungsteilnehmer auch und sogar bei den Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen ist die Entwicklung positiv – auch wenn persönliche Erfahrungsberichte (siehe Bericht unten) ein anderes Bild vermitteln. In seiner Gesamtheit sei der burgenländische Arbeitsmarkt nämlich „erstaunlich robust“, sagt AMS-Geschäftsführerin Helene Sengstbratl, und das „trotz konjunktureller Abschwächung“.

Mit minus 2,9 Prozent im Vergleich zum August des Vorjahres liegt das Burgenland etwas schlechter als der Bundesschnitt von minus 3,1 Prozent. Die jüngsten Zahlen zeigen das auch in anderen Bereichen – der Trend ist zwar positiv, aber nicht so eindeutig wie im gesamten Österreich.

Kein einheitliches Bild

Beträchtliche Unterschiede gibt es aber auch zwischen den burgenländischen Bezirken. Das AMS Stegersbach, also der Bezirk Güssing, verzeichnet einen Rückgang von 8,5 Prozent, dahinter liegen Mattersburg (-7%), Eisenstadt (-5%), Neusiedl am See (-3,6%) und Oberwart (-2%). Mehr Arbeitslose gibt es hingegen in Oberpullendorf (+1,5%) und Jennersdorf (+19,3%). Letzterer Bezirk ist aufgrund von Pleiten größerer Unternehmen oder Hotelschließungen immer wieder stärkeren Schwankungen unterworfen als der Rest des Landes.

Ein Blick auf die einzelnen Branchen zeigt, dass es vor allem in den Bereichen Industrie und Gewerbe sowie Handel und Dienstleistungen deutlich weniger arbeitslose Menschen als im Vorjahr gibt. Ebenfalls stark rückläufig sind die Zahlen bei Hilfsberufen und im Fremdenverkehr.

Dem gegenüber steht allerdings ein enormes Stellenangebot im Fachkräftebereich. Vor allem in der Metall- und Elektrobranche werden händeringend Mitarbeiter gesucht, 236 offene Stellen gibt es hier zu besetzen. Dahinter folgen die Sparten Fremdenverkehr (189), Handel (176) und Bau (118).

Bei den männlichen Arbeitslosen ist der Rückgang mit 5,1 Prozent weit positiver als bei den Frauen mit nur 0,9 Prozent. Interessant ist, dass im Burgenland die Anzahl der unselbstständig beschäftigten Frauen mit 51.000 nur knapp von jener der Männer entfernt liegt (58.000).

Frauen in die Technik

Burgenländischer Arbeitsmarkt: Das Brummen vor dem Stottern

Damit künftig mehr Frauen in den Arbeitsmarkt und vor allem in technische Berufe drängen, findet von 9. bis 13. September die #techgirlsweek statt. Denn noch immer sind die drei beliebtesten Lehrberufe für Frauen Einzelhandels- und Bürokauffrau sowie Friseurin. „Das hat im späteren Leben entscheidenden Einfluss auf die finanziellen Möglichkeiten, denn ein Mechatroniker verdient durchschnittlich um 1.100 Euro brutto mehr als etwa eine Friseurin“, sagt Sengstbratl und will durch die Aktion mehr Mädchen für technische Berufe begeistern.

Im Vorjahr haben insgesamt rund 8.700 Ratsuchende ein BerufsInfoZentrum besucht. 130 Schulklassen mit 3.000 Schülern haben an Workshops teilgenommen.

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Im Vorjahr wurden 10 Prozent aller neuen Unternehmen von ehemaligen Arbeitslosen gegründet – unterstützt von der Sonnleitner GmbH

Begeisterung herrscht beim AMS Burgenland auch darüber, dass im Vorjahr 10 Prozent aller neuen Unternehmen von ehemaligen Arbeitslosen gegründet wurden – in Summe 171. Dem liegt ein langjähriges Projekt gemeinsam mit dem Unternehmen Sonnleitner GmbH zugrunde. Eine jüngst durchgeführte Evaulierung zeigt den Erfolg des Projektes: „Nach drei Jahren waren noch drei Viertel und nach fünf Jahren noch zwei Drittel der Unternehmen am Markt“, sagt Sengstbratl.

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Die Geschichte eines Langzeitarbeitslosen

Peter S. (Name der Redaktion bekannt, Anm.) ist Langzeitarbeitsloser und hat sich als Betroffener an den KURIER gewandt, um seine Geschichte zu erzählen. „Ich will auf Missstände und Diskriminierung im Zusammenhang mit Langzeitarbeitslosen hinweisen. Nicht jeder ist faul oder arbeitsscheu, aber alle werden über einen Kamm geschert“, sagt der gebürtige Niederösterreicher, der seit 2017 in einer burgenländischen Startwohnung lebt.

„Ich will hier nicht leben, aber mehr kann ich mir nicht leisten. Aber es ist ein Teufelskreis: Ich finde keinen Job, ohne Arbeit habe ich aber nicht das Geld, um wegzuziehen.“  Derzeit lebt S. von 820 Euro Notstandshilfe pro Monat. Nach einem gewöhnlichen Werdegang mit Schule, Lehre und Zivildienst arbeitete S. 10 Jahre lang am Wiener Flughafen. Bis er 30 wurde und das Aufbrechen eines Kindheitstraumas sein Leben in andere Bahnen lenkte. Das war 1996, die Folge waren erste Lücken im Lebenslauf.

Symbolbild: Leeres Portemonnaie mit Zettel: "Plan B?"
Symbolbild: Armut, Inflation und Teuerung

2007 ging es nach dem Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik aufwärts. „Im Anschluss daran machte ich mein Hobby zum Beruf und absolvierte eine Ausbildung zum Diplomierten Wellnesstrainer und Mountainbike Guide.“ Dann folgten Saisonjobs und eine Anstellung in einem Sportfachgeschäft in Oberösterreich. 2015 wurde dieses Dienstverhältnis beendet, S. zog zuerst zurück nach Niederösterreich und dann, als er dort keinen Job fand und sein Elternhaus verkauft werden musste, ins Burgenland.

Seither sucht er vergebens nach einem geeigneten Arbeitsplatz. „Bis zum Aufbrechen meines Traumas konnte ich mir einiges leisten, aber jetzt gibt mir keine Firma eine Chance. Bei Vorstellungsgesprächen haben mir renommierte Unternehmen gesagt, dass ich zu alt sei und Jüngere auch weniger kosten. Da erfuhr ich zum ersten Mal Altersdiskriminierung.“ Peter S. ist 43 Jahre alt.

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