Banker Nyul: "Absage an Politik habe ich nie bereut"
Wenn die Bezeichnung "Urgestein" auf jemanden zutrifft, dann auf den Mister Bank Burgenland Gerhard Nyul: Nach 43 Jahren in der Bank zieht der Vize-Vorstandschef Bilanz
Gerhard Nyul hat vor wenigen Tagen seinen 64. Geburtstag gefeiert. Der Eisenstädter geht nach 20 Jahren im Vorstand der Bank Burgenland demnächst in Pension. Er hat alle Höhen und Tiefen der Regionalbank mitgemacht.
KURIER:Sie haben Ihr ganzes Berufsleben in der Bank Burgenland verbracht, fast die Hälfte als Vorstand. Sind Sie treu oder nur leidensfähig? Gerhard Nyul: Ich habe mich in der Bank immer sehr wohl gefühlt. Als ich 1981 in der damaligen Landeshypothekenbank angefangen habe, musste ich die Bezirke Güssing und Jennersdorf übernehmen. In den kleinen Gemeinden gab es damals noch Beratungsstunden von Notaren und Banken in Dorfgasthäusern. Es hat mir immer Spaß gemacht, mit Kunden Projekte umzusetzen. So bin ich 43 Jahre am Markt und der Austausch mit Kunden und Mitarbeitern in den Regionen ist mir immer am Herzen gelegen.
Nach Ihrer Leidensfähigkeit habe ich im Hinblick auf die Zäsur im Jahr 2000 gefragt, als die Bank nach Kreditausfällen von fast 300 Millionen Euro vom Land gerettet werden musste. Sie waren damals die Konstante in der Führung, andere Vorstände kamen und gingen. Entscheidend war, dass es dank großer Unterstützung durch den damaligen Aufsichtsratspräsidenten Christoph Herbst (heute Verfassungsrichter, Anm.) und des Landes gelungen ist, die Bank zu stabilisieren und dann in Ruhe einen Käufer zu finden, der den Bestand garantiert hat. Mit der GRAWE haben wir die optimale Lösung gefunden.
Aber erst im dritten Privatisierungsanlauf 2006: Dass die damalige rot-schwarze Landesregierung davor zweimal gescheitert ist, muss man ihr im Nachhinein fast hoch anrechnen, denn sonst hätten die Hypo Alpe Adria oder ein ukrainisches Konsortium die Bank gekauft. Die Bank war zweimal Thema eines Landtagswahlkampfs. Uns ist es dennoch gelungen, wieder Ruhe ins Haus zu bringen und über die Mitarbeiter das Vertrauen der Kunden aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, was sich in der politischen Sphäre abgespielt hat.
Wollten Sie nach der Privatisierung 2006 nicht die Nummer eins werden? Mit der Formierung der Grawe-Bankengruppe samt Eingliederung der Capital Bank und weiterer Banken hat es sich ergeben, dass Kollege Christian Jauk die Bankengruppe vertritt und ich die Nummer eins im Burgenland bin.
Schmerzt Sie, dass nach Ihrem Abgang kein Burgenländer mehr im Vorstand der Bank Burgenland sitzt? Andrea Maller-Weiß und Berthold Troiß, die die Marktbereiche übernehmen, sind ja schon jahrelang in der Bank. Wir sind gerade dabei, das Filialgeschäft der Anadi Bank zu übernehmen. Zu den 50.000 Kunden der Bank Burgenland kommen dann weitere 42.000 dazu. Dafür wird Troiß zuständig sein.
Waren auch Burgenländer im Gespräch für Ihre Nachfolge? Es gab mehrere Varianten, der Eigentümer hat sich für Kontinuität und die Nachfolge aus den eigenen Reihen entschieden.
Die Anadi Bank in Kärnten wird übernommen, die Sopron Bank in Ungarn hat man verkauft. Konzentration auf den Heimmarkt? Wir haben in Westungarn erfolgreich eine Bank im Privatkundengeschäft aufgebaut. Aber sobald die Sopron Bank Gewinne geschrieben hat, vertrat die ungarische Politik den Standpunkt, die Gewinne gehören dem ungarischen Staat und nicht der Bank. Daher haben wir verkauft. In Ungarn betreiben wir nun eine EU-Filiale mit zwei Niederlassungen in Budapest und Sopron, aber nur in ausgewählten Finanzierungsbereichen. Die zehn Anadi-Filialen sind für uns eine beträchtliche Erweiterung unseres Retailkundensegments. Wir dehnen uns vom Burgenland über die Steiermark bis Kärnten aus und werden eine bundesländerübergreifende Regionalbank.
Ungarn ist also kein lohnender Markt? Da muss man unterscheiden. In Ungarn besteht die Absicht, ausländische Banken zurückzudrängen, statt sie offen zu empfangen. In unseren burgenländischen Filialen haben wir mehr als 10.000 ungarische Kunden, die in Österreich arbeiten und damit ein Gehaltskonto oder auch Spareinlagen bei uns führen.
Neue Kunden sind wohl auch von der Commerzialbank Mattersburg gekommen. Wie haben Sie den Tag der Pleite der Pucher-Bank im Juli 2020 in Erinnerung? Ich war damals im Salzkammergut auf Urlaub und habe dann den ganzen Tag in Videokonferenzen mit der Landes- und Gemeindepolitik und unseren Filialen verbracht. Wir hatten samstags geöffnet, um den Ansturm der Commerzialbank-Kunden zu bewältigen. Zur Abwicklung der Einlagensicherung brauchten sie rasch eine neue Kontoverbindung. Natürlich sind dann auch tausende Kunden bei uns geblieben.
Nachher hieß es aus Bankenkreisen: Pucher hat so hohe Zinsen bezahlt, das konnte gar nicht gut gehen? Nachher ist man immer gescheiter und würde einen Kredit, den man verliert, nicht mehr gewähren. Aber es war tatsächlich jahrelang bemerkbar, dass die Commerzialbank höhere Zinsen bezahlt hat als alle anderen. Das hat auch uns gewundert, aber unsere Aufgabe war, sich ums eigene Haus und nicht ums fremde Haus zu kümmern, zumal es dafür ja eine Aufsicht gibt.
Wenige Jahre zuvor gab‘s den BEGAS-Skandal. Da wie dort hatten offenbar Männer das Sagen, die mehr oder weniger autokratisch regierten. Simandl und Pucher sind typische Alphatiere, die keine andere Meinung aufkommen ließen. Für mich ist es deshalb wichtig, dass in Führungsetagen nicht Autokraten, sondern Teamplayer sitzen, die ihr Tun reflektieren. Mir war die Meinung der Kunden, meiner Bereichsleiter und der Mitarbeiter in den Filialen immer immens wertvoll.
Ex-Bank-Burgenland-General Ernst Gassner wurde nach dem Kreditskandal 2000 zu zehn Jahren Haft verurteilt, letztlich kam er nach mehr als vier Jahren frei. Aus heutiger Sicht zu hart? Ich glaube, Gassner hatte den Nachteil, dass er der Erste war und man eine Nähe zur Politik hineininterpretiert hat und glaubte, ein Zeichen setzen zu müssen. So gesehen war die damalige Strafe vielleicht übertrieben.
Die Bank Burgenland ist immer noch Hausbank des Landes. Machen Sie sich Sorgen um die Landesfinanzen? Derzeit nicht. Es gibt zwar einen leichten Abgang im Budget, der aber nicht über neue Kreditaufnahmen finanziert wird, weil das Land entsprechende Rücklagen hat.
Apropos, hatten Sie jemals ein Angebot für einen Wechsel in die Politik? Ja, das ist schon lange her. Noch bevor ich in den Vorstand der Bank berufen wurde. Ich habe die Absage an die Politik aber nie bereut. Vielleicht auch deshalb, weil mein Vater in Eisenstadt SPÖ-Vizebürgermeister war und ich gesehen habe, dass dauernd jemand etwas von ihm wollte. Meine einzige „Berührung“ mit der Politik, wenn man so will: Der Chauffeur von Landeshauptmann Theodor Kery hat in unserer Gasse gewohnt. Ab und zu durften wir Buben im Auto des Landeshauptmannes sitzen.
Sie sind begeisterter Wanderer und Skisportler, waren Vizepräsident der Naturfreunde. Was werden Sie in der Pension machen? Ich will wieder mehr Sport treiben, Museen und Konzerte besuchen. Ich war 20 Jahre lang nicht mehr in einem der Wiener Museen. Und vielleicht wird‘s jetzt auch einmal ein längerer Urlaub.
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