Virtuelle Ausflugserlebnisse für alte Menschen
Die besten Ideen werden oft aus einer Not heraus geboren. Das gilt auch für das burgenländische Start-up „Vitablick“ des Oberwarters Amadeus Linzer. Auslöser war sein Großvater Milan Linzer, ehemaliger Abgeordneter des Bundesrates und des EU-Parlaments.
„Er ist in seinem Leben viel herumgekommen und hat uns Enkelkindern immer die besten Geschichten davon erzählt. Insbesondere deshalb hat es mich sehr beschäftigt, als er die letzten Monate seines Lebens bettlägrig war und nicht mehr aus seinem Zimmer konnte“, erzählt Linzer von der Geburtsstunde von „Vitablick“.
Ganz nach dem Motto: Wo ein Weg endet, beginnt ein neuer. In Gesprächen mit Studienkollegen wurde dann die Idee entwickelt, wie man mobilitätseingeschränkten Personen Reisen ermöglichen kann. „Fernsehen und das Zeigen von Fotos am Laptop sind kein richtiges ,Erleben‘, deshalb habe ich es dann mit virtueller Realität versucht“, sagt Linzer.
Start-up
Nach einer rund zweijährigen Testphase ist die VR-Brille "Vitablick" seit zwei Jahren am Markt. Zunächst für Senioreneinrichtungen, jetzt ist das Produkt auch für Privatkunden (495 Euro plus 29,99 bzw. 35,99 Euro pro Monat Lizenzgebühr) erhältlich – vitablick.at
65 Ausflüge
in verschiedene Regionen in Österreich hat Vitablick bereits im Angebot, eine Tour dauert im Schnitt 13 Minuten
Das war noch vor Corona und dementsprechend exotisch für Menschen im fortgeschrittenen Seniorenalter. Mittlerweile haben aber auch schon viele ältere Menschen die Vorzüge moderner Technik für sich entdeckt – etwa beim Videotelefonieren mit den Enkelkindern im Lockdown über Whatsapp.
Wie wurde Vitablick entwickelt?
Der Einsatz erster Prototypen im Rahmen von Linzers Studium in Rotterdam war erfolgreich. Nach seiner Rückkehr nach Österreich entstanden die ersten 360-Grad-Videos von Ausflügen in Österreich. Im Anschluss daran wurde der Mehrwert der VR-Brillen im Rahmen einer mehrere Wochen dauernden Testphase in einem Seniorenheim in Salzburg erfolgreich nachgewiesen.
Nächster Schritt war die Entwicklung eines umfassenden Produktionskonzeptes für das Zielpublikum in Kooperation mit der renommierten Altenpflegeexpertin Sonja Schiff. Denn die Videos müssen hinsichtlich Kameraführung und Schnitttechnik speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt sein.
Mehr als 65 verschiedene Ausflüge stehen bereits zur Verfügung und es werden laufend mehr. „Im Gegensatz zu anderen Anbietern fokussieren wir uns auf Regionen in Österreich. Denn durch die Ausflüge an bekannte Orte erleben Senioren vergangene Emotionen und Erinnerungen. Damit bietet ,Vitablick´ eine optimale Kommunikationsgrundlage für Gespräche und Erzählungen vom Leben, wie es damals war“, sagt Linzer.
Vitablick in der Praxis
Aber wie reagieren ältere Menschen auf die VR-Brille? „Überraschend aufgeschlossen“, erzählt Linzer von seinen Erfahrungen. Da sei dann immer vom „Gucker“ die Rede, oder es werden Vergleiche mit Feldstechern oder Taucherbrillen gezogen. Wenn die Senioren dann aber einmal in die virtuelle Welt eingetaucht sind, sei die Begeisterung groß.
In mehr als 25 Senioreneinrichtungen ist „Vitablick“ schon vertreten. Für deren Klienten werden die Ausflüge über ein zentrales Tablet gesteuert. Mit dem Auftritt in der Puls 4-Show „Zwei Minuten, zwei Millionen“ (der KURIER hat berichtet) folgt nun aber auch die Markteinführung für Privatkunden (einmalig 495 Euro plus 29,99 bzw. 35,99 Euro pro Monat Lizenzgebühr; Anm.). „Damit sind virtuelle Ausflüge auch im eigenen Wohnzimmer möglich“, sagt Linzer.
Die Anwendung selbst funktioniert ganz einfach: Brille einschalten und aufsetzen, dann den mitgelieferten Katalog durchblättern. Eine Kamera der VR-Brille scannt den entsprechenden QR-Code und schon geht´s los – entweder zur Weinlese ins Südburgenland (übrigens mit Winzer Christoph Wachter-Wiesler in seiner ersten Schauspielerrolle), in den Wiener Prater inklusive Fahrt mit dem Riesenrad oder an den Wolfgangsee.
Nach dem Erfolg bei der Puls 4-Show mit mehreren Investments erhofft sich Linzer jetzt einen Boost für sein Unternehmen. Denn bisher liegt der Fokus der angebotenen Ausflüge noch auf Österreich. Mittelfristig sind Urlaubsausflüge in österreichische Nachbarländer geplant. „Die Resonanz der User ist sehr gut“, sagt Linzer und freut sich über das zufriedene Lächeln in den Gesichtern nach dem Abnehmen der VR-Brille. „Weil sie wieder etwas unternommen haben, das sie von früher kennen.“
Kommentare