Ein Leben mit dem Tod als ständigem Begleiter

Eine Frau vor Blumen zum Verkauf
Wie ist es, wenn man einen Großteil seines Lebens dem Tod gewidmet hat? Auf ein Wort mit Burgenlands längst dienender Bestatterin Isolde Strobl.

Von Vanessa Halla

Als sie ein kleines Mädchen von fünf Jahren war, herrschte große Aufregung im Haus. Isolde war weg! Es dauerte lange, bis man sie schließlich fand – am Totenbett der alten Nachbarin.

„Ich hab mir die alte Nahnl ganz genau angeschaut. Es ist, als ob es gestern gewesen wäre. Ich sehe mich immer noch neben diesem Bett stehen“, erinnert sich die heute 64-Jährige an ihre Kindheit zurück.

Frau bindet Blumengestecke

Auch wenn man Blumen und kleine Geschenke für schöne Anlässe sucht, ist man bei Frau Strobl richtig. 

Eine Kindheit, die von Anfang an stets auch vom Ende begleitet wurde. Isolde Strobl ist Burgenlands längst dienende Bestatterin. Die gebürtige Riedlingsdorferin führt das Familienunternehmen in dritter Generation.

„Mein Großvater hat die Firma gegründet und aufgebaut. Eine Tischlerei und eine Bestattung, ganz so, wie das früher üblich war. Jeder Tischler konnte Särge zimmern.“

Blumengestecke für die Gräber hat Isolde schon als Kind gemacht – die Liebe dazu ist bis heute geblieben. Die Bestattung Strobl auf der Riedlingsdorfer Hauptstraße ist für die Einwohner der 1.700-Seelen-Gemeinde seit jeher ein Fixpunkt – nicht nur, wenn es ums Sterben geht.

Der Tod kennt kein Wochenende. Wenn jemand stirbt, bin ich da.

von Isolde Strobl

Bestatterin durch und durch

„Wenn du deiner Frau Blumen mitbringen willst, weil´s grantig auf dich ist, dann gehst am besten zur Isolde“, wissen sogar schon die jüngsten Bürger. Neben ganz vielen Blumen für schöne Anlässe findet man auch Dekoartikel im Überfluss und Pflanzen für den Garten im Verkaufsladen des Streckhofes aus den 1940er-Jahren.

Vom Büro zur Bestattung

Dass bis vor 50 Jahren hier noch Särge gestanden sind, ist vor allem der jüngeren Generation im Ort kaum mehr bekannt. „Als in den 1970er-Jahren die Leichenhallen aufgekommen sind, war es aus mit dem Aufbahren der Toten zu Hause. Früher gab es beim Friedhof nur das sogenannte Totenkammerl, dort wurden die Leichen, wenn nötig, seziert. Es hat sich viel geändert im Bestattungsberuf“, weiß jene Frau, die 1994 im Alter von 33 Jahren die Firma von ihrem Vater übernahm.

Blick in den Innenhof eines Hauses, Blumen werden zum Verkauf angeboten

Das Bestattungsunternehmen in Riedlingsdorf gibt es seit drei Generationen.

Es erklärt dir niemand, wie beschwerlich es ist, einen Leichnam anzuziehen.

von Isolde Strobl

über die Herausforderungen des Jobs

„Ich war die Einzige in der Familie, die damals infrage kam. Gelernt habe ich Bürokauffrau in Wien, aber von klein auf habe ich auch zu Hause mitgeholfen. Das Leben hat es am Ende wohl so gewollt, dass ich Bestatterin werde.“

Den Tod schon von Geburt an als Begleiter zu haben. Wie war das? „Ich musste immer still sein, wenn jemand beim Tor reingekommen ist. ‚Wart, jetzt kommt wer, jetzt ist jemand gestorben‘, hieß es dann daheim. Als kleines Mädchen haben sie mich auch oft geschickt, um Zwiebeln zu holen. Die waren im Obergeschoß ganz hinten im Haus gelagert. Ich musste an den Innenausstattungen von den Särgen vorbei und hab mich immer zu Tode gefürchtet. Einen Stock tiefer saßen Großeltern und Eltern und hörten mich über den Dielenboden laufen, so schnell ich konnte“, erinnert sich Isolde Strobl lachend.

Frau lächelt und hält sich die Hand vor den Mund

Begegnungen mit dem Tod gehören bei einer Bestatterin zum Geschäft – und trotzdem: „Wenn es dich selbst betrifft, ist das etwas ganz anderes."

Dass sie als Bestatterin umgekehrt oft nichts zu lachen hatte, liegt nicht nur an der Pietät, die die Frau mit den gütigen Augen gefühlt in ihren Genen trägt. „Meine Hüfte und Wirbelsäule sind vom schweren Tragen der Särge kaputt. Mit Ende 20 habe ich angefangen, mit meinem Vater mitzufahren. Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich ist dieser Beruf hart. Es erklärt dir bei der Bestatterprüfung niemand, wie beschwerlich es ist, einen Leichnam anzuziehen. Der Mensch rührt sich ja nicht mehr. Da bekommt man keine Tipps dazu, es ist aber trotzdem Teil der Prüfung.“

Umfangreiche Arbeit

„Der Tod kennt keinen Feierabend, kein Wochenende. Wenn jemand stirbt, bin ich da“, so Strobl, die im Unternehmen von ihren Töchtern, Ehemann und Schwiegersohn unterstützt wird. „Von der Freigabe des Leichnams über dessen Überführung, die Auswahl der Bestattung, des Sarges oder der Urne, bis hin zur Organisation der Kreuzträger und des Totengräbers – die Arbeit einer Bestatterin ist umfangreich und geht weit über das Genannte hinaus.

Grabkerzen mit Beschriftung, verschiedene Motive

„Ich brauche aber schon lange keine Checkliste mehr“, schmunzelt Isolde Strobl und bringt mit ihrer warmherzigen Art gleich wieder eine Leichtigkeit in die Schwere ihres Berufes mit ein.

Tod als Teil des Geschäfts

Begegnungen mit dem Tod gehören bei der Bestatterin zum Geschäft – und trotzdem: „Wenn es dich selbst betrifft, ist das etwas ganz anderes. Da vergisst du alles, was du im Beruf verinnerlicht und gelernt hast. Als meine Mutter gestorben ist, war ich im Ausnahmezustand. Auch wenn du den Tod kommen siehst, heißt das noch lange nicht, dass du ihn auch wahrhaben willst.“

Den Tod als ständigen Begleiter im Leben zu haben ist für Isolde Strobl seit 64 Jahren gelebte Realität. „Manche Todesfälle vergisst du nie. Ich spüre heute noch das kleine Köpfchen eines Babys auf meinem Arm, das gleich nach der Geburt gestorben ist. Bei einigen Schicksalsschlägen hat es mir die Sprache verschlagen. Aber oft ist es besser, man sagt einfach nichts.“

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