Burgenland: Rotkreuz-Virus hat Quereinsteigerin infiziert
Als Friederike Pirringer in der Landwirtschaftlichen Fachschule Neusiedl am See die erste Heimhilfe-Ausbildung des Burgenlandes organisierte, hatte die Direktorin noch wenig Kontakt mit dem Roten Kreuz gehabt. Doch die Zusammenarbeit mit der Rettungsorganisation sollte nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterlassen. So nachhaltig, dass sie zusagte, als man ihr anbot, ins Team einzusteigen.
Im klassischen Rettungsdienst war die Quereinsteigerin nie tätig. Pirringer begann ihre Rotkreuz-Karriere im Kriseninterventionsteam, wurde Leiterin der Bezirksstelle Neusiedl und 2016 schließlich zur ersten Präsidentin der Rettungsorganisation ernannt.
Herausforderungen
„Mein Vorgänger hat sich sehr um die Förderung von weiblichen Führungskräften beim Roten Kreuz bemüht, daher war die Akzeptanz von Anfang an da“, ist Pirringer zufrieden. „Österreichweit ist das noch nicht überall so, aber im Burgenland haben wir ja auch eine Geschäftsführerin“, betont sie.
„Ich habe das Amt angenommen, ohne genau zu wissen, wie groß die Herausforderung sein wird“, erinnert sie sich zurück. „Die Überraschung war groß, aber ich habe ein großartiges Team, das mir von Anfang an sehr geholfen hat“, dankt Pirringer. Und fügt hinzu: „Es gibt diesen besonderen Rotkreuz-Virus wirklich und ich habe mich damit sofort angesteckt.“
Leseförderung
Die Herausforderungen würden auch nicht weniger, erzählt sie. „Es gibt laufend neue Aufgaben, die dazukommen. Wenn wir Bedarf sehen, entwickeln wir zusätzliche Einsatzfelder.“ So wurde unlängst etwa die Aktion „Lesepaten“ ins Leben gerufen. Dabei sollen Schüler mit Leseschwächen durch Freiwillige gefördert werden, die gemeinsam mit Kindern lesen. „Ausgegangen ist die Aktion von unserer Bezirksstelle Mattersburg, deren Leiter erkannt hat, dass immer mehr Kinder nicht sinnerfassend lesen können“, erzählt die Präsidentin. Mittlerweile haben mehr als 1.000 burgenländische Schüler einen Lesepaten.
Im Bereich der Hauskrankenpflege wiederum sei ein deutlicher Anstieg der Demenz-Patienten zu bemerken. „Das war vor 20 Jahren noch kein Thema“, weiß Pirringer. Seit ihrem Eintritt in den Rot-Kreuz-Dienst sei die Zahl der Aufgaben kontinuierlich angestiegen. „Ich glaube, es ist seither keine einzige weggefallen.“
Pflegekräfte-Mangel
Den allgemein beklagten Mangel an Pflegekräften bemerke man auch beim Roten Kreuz, bestätigt Pirringer. „Das ist einerseits sicher ein Imageproblem“, meint sie: „Weil man den Wert dieser Ausbildung lange Zeit nicht richtig vermittelt hat. Andererseits ist die Tätigkeit für unsere Mitarbeiter auch sehr herausfordernd, weil wir nicht, wie andere Anbieter, auf stationäre Pflege setzen, sondern auf Betreuung zu Hause und Besuchsprogramme, weshalb die Mitarbeiter viel im Land unterwegs sind.“ Durch „gute Bezahlung und gutes Betriebsklima“ bemühe man sich aber, gegenzusteuern, versichert die Präsidentin.
Dennoch seien im Pflegebereich oft monatelang Stellen ausgeschrieben, ehe sich geeignete Bewerber finden. „Und es geht ja nicht nur darum, jemanden zu finden, sondern auch darum, ihn zu halten“, gibt sie zu bedenken. Zusätzliches Problem: Vollzeit-Stellen seien in der mobilen Hauskrankenpflege eher selten. „Man arbeitet vor allem morgens und abends.“
Zu wenige Zivildiener
Entsprechend sieht Pirringer die Suche nach Pflegekräften als „die große Herausforderung der nächsten Jahre“. Angesichts der steigenden Lebenserwartung der Menschen und gleichzeitiger Abwanderungstendenzen aus dem Burgenland – vor allem aus dem Süden.
Auch im Bereich der freiwilligen Mitarbeiter bestehe Handlungsbedarf. „Zivildiener bleiben im Schnitt zwei oder drei Jahre bei uns. Dann kommen Studium, Familienplanung oder andere Faktoren dazu und sie verlassen uns wieder“, berichtet sie. „Wir haben nicht weniger Freiwillige als früher – eher das Gegenteil ist der Fall – aber die Art des Engagements ändert sich“, habe man beobachtet. „Freiwillige wollen lieber niederschwellig, ohne allzu aufwendige Ausbildung, bei uns mithelfen. Etwa bei der Nahrungsmittelausgabe der Team Österreich Tafel.“ Ein deutlicher Mangel herrsche allerdings bei den Zivildienern. „Das macht das System teurer, weil wir diese Plätze mit hauptberuflichen Mitarbeitern füllen müssen. Denn wir erfüllen natürlich alle unsere Verpflichtungen.“
„Stehen stabil da“
Die Zusammenarbeit mit Politik und anderen Partnern funktioniere im Burgenland hervorragend, ist Pirringer glücklich. „Weil wir einkleines Bundesland sind und wegen der unkomplizierten Art des Umgangs miteinander.“ Entsprechend sei man mit der finanziellen Unterstützung grundsätzlich zufrieden. „Wir stehen stabil da. Ich merke, dass man uns auch Wertschätzung entgegenbringt. Aber der Gesundheitsbereich ändert sich, während sich die Finanzierung leider noch nicht geändert hat. Das ist eine große Herausforderung“, so Pirringer.
Professionalisierung
In ihren rund 20 Jahren beim Roten Kreuz habe sie eine „starke Professionalisierung“ miterlebt. Die Ausbildung der Mitarbeiter sei intensiver geworden. Mittlerweile erfolgt beispielsweise die Alarmierung der Ersthelfer – sogenannter First Responder – per eigens entwickelter Handy-App, die automatisch erkennt, welche Kräfte in unmittelbarer Nähe des Notfalls verfügbar sind. Im Rettungsdienst werde zur Zeit auf Tablets umgestellt. Und auch Maschinen, die die Wiederbelebung von Patienten übernehmen können, seien bereits in der Testphase.
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