Aufgeweckt nach 1.600 Jahren Winterschlaf

Aufgeweckt nach 1.600 Jahren Winterschlaf
Bei Ausgrabungen neben der Ostautobahn bei Bruckneudorf wurden bisher unbekannte Teile einer römischen Palastanlage entdeckt.

Die nordburgenländischen Gemeinden entlang der A4 zählen heute zu den Wirtschaftsmotoren der Ostregion. Ausgrabungen bei Bruckneudorf lassen nun darauf schließen, dass das früher schon einmal der Fall war – viel früher.

Eine römische Kaiservilla oder „Villa rustica“ mit großer Landwirtschaft dürfte maßgeblich zur Versorgung der Bevölkerung zu Zeiten des Römischen Reiches beigetragen haben. Die Anlage geht auf keltische Wurzeln zurück und wurde im vierten Jahrhundert nach römischem Geschmack renoviert. Die opulenten Mosaiken aus dieser Zeit können im Landesmuseum in Eisenstadt bestaunt werden.

In den 1950er Jahren wurden die Überreste der Villa rustica erstmals (vermeintlich) vollständig freigelegt. Jetzt sind aber weitere, bisher unbekannte Gebäude, Gräber und Gegenstände im Umfeld der antiken Palastanlage entdeckt worden. Das ist dem dreispurigen Ausbau der Ostautobahn zu verdanken: Weil auf dem Areal gebaut werden soll, hat die ASFINAG in den letzten zwei Jahren archäologische Grabungen finanziert.

Aufgeweckt nach 1.600 Jahren Winterschlaf

Das wahrscheinliche Aussehen der Villa im 4. Jh. n. Chr.

Werner Melchart vom Verein der Freunde Carnuntums hat die Ausgrabungen vom ersten Tag an mitverfolgt. Die Funde bezeichnet er im KURIER-Gespräch als sensationell: „Es wurden Werkstätten, Stallungen und andere Wirtschaftsgebäude freigelegt, die zur Villa rustica gehört haben. Das müssen zum Teil gigantische Gebäude gewesen sein.“

Schmiede & Pferdezucht

Zahlreiche gefundene Bleifragmente lassen den Schluss zu, dass es bei der Kaiservilla eine Metallschmiede gegeben haben muss. Es gibt zudem auch Hinweise, dass auf dem Landsitz Pferdezucht betrieben wurde.

Die Villa rustica dürfte für die Versorgung der Legion im nahe gelegenen Carnuntum zuständig gewesen sein. Zur Blütezeit der römischen Zivilisation haben rund 50.000 Menschen im heutigen Grenzland zwischen Niederösterreich und dem Burgenland gelebt.

Einige der damaligen Einwohner hatten jetzt ein „Comeback“ im Zuge der Ausgrabungen, die von einem polnischen Archäologen-Team im Auftrag der Asfinag und in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt werden. Es wurden nämlich auch über 200 Grabstätten entdeckt.

Aufgeweckt nach 1.600 Jahren Winterschlaf

Archäologie ist auch Feinarbeit

Viele der Gräber dürften bereits vor Jahrhunderten beraubt worden sein – ein Umstand, den Archäologen nur zu gut kennen. Manche der Ruhestätten sind im Laufe der Jahrhunderte aber ungestört geblieben. Darin wurden teils vollständig erhaltene Grabbeigaben gefunden, darunter Glaskrüge, Schmuck und Münzen – Fahrgeld für die Reise in die Unterwelt.

Die menschlichen Überreste geben der Forschung zudem Aufschluss über die damaligen Bewohner Pannoniens – woher sie kamen, wovon sie sich ernährten, und woran sie erkrankten und starben. Im Moment pausiert das Archäologenteam. Ende Jänner oder Anfang Februar geht die „Schatzsuche“ in Bruckneudorf aber weiter.

Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr, denn auch der Autobahnbau schreitet voran. „Die Grabungen werden wieder zugeschüttet. Es kommt ein Wasserrückhaltebecken dort hin. Umso wichtiger ist, dass jetzt alles untersucht wird“, erklärt Werner Melchart.

Ausstellung im Herbst

Die historischen Fundstücke bleiben aber für die Nachwelt erhalten. Bruckneudorfs Bürgermeister Gerhard Dreiszker hat schon zwei große Räume im örtlichen Gemeindeamt reserviert. Dort wird voraussichtlich im Herbst 2022 eine Ausstellung über die neuen Ausgrabungen bei der römischen Kaiservilla eröffnet.

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