Anzahl der privaten Pleiten explodiert

Anzahl der privaten Pleiten explodiert
Rekord bei Insolvenzen. Starker Anstieg durch neues Gesetz / Seit Jänner 196 Privat- und 74 Firmeninsolvenzen

234.693 Euro – so hoch sind durchschnittlich die Schulden jener 196 Burgenländer, die vom ersten bis zum dritten Quartal 2018 im Bundesland schon einen Privatkonkurs beantragen mussten. Im Vergleich zu 2017 gibt es heuer damit bereits um 154,5 Prozent mehr Insolvenzen, auch der Vergleich zu 2016 zeigt einen Anstieg von 98 Prozent – im Vergleich das größte Plus aller Bundesländer. Das zeigt die vorläufige Insolvenzstatistik des KSV1870.

Der Grund für diese enorme Steigerung liegt in einer Gesetzesänderung (siehe Bericht unten): Seit November 2017 gilt nämlich das Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG). Das hatte zur Folge, dass die Zahl der Schuldneranträge im Vorjahr zunächst deutlich rückläufig war und erst im vierten Quartal 2017 wieder zugenommen hat. Dieser Trend hat sich in den ersten neun Monaten des aktuellen Jahres fortgesetzt.

„Welle“ endet 2018

„Die vom IRÄG ausgelöste Insolvenzwelle wird voraussichtlich Ende des Jahres zur Ruhe kommen“, sagt Hans-Georg Kantner, Leiter von KSV1870 Insolvenz. Dass die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern so groß sind – Salzburg hat beispielsweise „nur“ ein Plus von 32 Prozent – führt Kantner auf „das individuelle Antragsverhalten der insolventen Personen“ zurück.

„Auch im Burgenland wurden viele Anträge bewusst bis zur Reform im November zurückgehalten, vor allem von vielen ehemaligen Selbstständigen“, sagt Landesrätin Verena Dunst. Die Anzahl der neuen Klienten der burgenländischen Schuldnerberatung ist von 512 auf 557 ebenso gestiegen wie die Anzahl der Beratungsgespräche von 709 auf 749.

Weniger Firmenpleiten

Gänzlich anders hingegen die Situation bei den Unternehmensinsolvenzen. Da wurden in den ersten drei Quartalen 2018 insgesamt 74 Fälle eröffnet. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Rückgang um 6,3 Prozent. Damit liegt das Burgenland besser als der Österreichschnitt mit einem Plus von zwei Prozent.

Interessant ist, dass die Anzahl der nicht eröffneten Konkursfälle um knapp ein Drittel gestiegen ist – im Vergleichszeitraum von 39 auf 51. Als „regelrechte Explosion“ bezeichnet der KSV1870 diese Entwicklung, die auf die kleinen wirtschaftlichen Strukturen im Burgenland zurückzuführen ist. „Dieses Ergebnis ist der Art und Größe der Unternehmen geschuldet, die so nahe an der Wahrnehmungsschwelle liegen, dass eine Eröffnung ohne Kostenvorschuss nicht in Frage kommt“, sagt KSV1870-Experte Hans-Georg Kantner. Laut ihm wäre eine Bewegung von den Nicht-Eröffnungen hin zu den eröffneten Insolvenzverfahren „wünschenswert, denn jeder nicht eröffnete Fall ist und bleibt ein Insolvenzfall, der nicht ordnungsgemäß aufgearbeitet wird.“

Anzahl der privaten Pleiten explodiert

Aus Sicht der Schuldnerberatungen ist der Anstieg der Privatinsolvenzen seit der Einführung neuer Regeln im November 2017 kein schlechtes, sondern ein gutes Zeichen. Auch das immense Plus bei den Passiva sei „keine schlechte Nachricht: Die Zahlen sind eine gute Nachricht, weil mehr Menschen  ein wirtschaftlicher Neustart gelingt“, so Schuldnerberater Clemens Mitterlehner.

Grundsätzlich sei man durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG 2017) dort angekommen, wo man ankommen sollte, sagt der Chef der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen. Jetzt könnten Menschen mit geringem Einkommen, die bisher nicht in der Lage gewesen seien, ihre Schulden zu regeln, die Hürde schaffen.  Durchs IRÄG 2017 ist etwa die früher verpflichtende  Quote von zehn Prozent, wodurch sich auch hoch verschuldete Menschen leichter entschulden können – etwa weil sie früher Unternehmer waren. Heuer würden in Österreich wohl 10.000 Privatinsolvenzverfahren eröffnet werden, schätzt Mitterlehner. Für 2019 rechnet er mit einem Abflauen auf rund 8000 Eröffnungen. Einen „Gratiskonkurs“, wie dies Kritiker oft behaupteten, gebe es jedenfalls nicht.

Wie hoch die durchschnittliche Quote sei, die Schuldner im Verfahren zahlten, könne man noch nicht sagen, so Mitterlehner. Die Abschöpfungsverfahren laufen fünf Jahre. Die ersten nach den neuen Regeln wurden im November eröffnet. „Was wir schon merken ist, dass der Anteil jener, die kaum etwas  –  also nur die Verfahrenskosten  – zahlen, steigt.“ Die neuen Regeln hätten auch dazu geführt, dass sich mehr Pensionisten entschulden könnten, so der Schuldnerberater.

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