A4-Drama: Polizei hatte Schlepper im Visier

Am 26. August starben 71 Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak, Iran und Syrien in diesem Kühl-Lkw, der an der A4 abgestellt wurde
Ungarische Behörden hätten Bande abgehört, aber die Protokolle zu spät übersetzt.

Eine Woche vor dem in Ungarn stattfindenden Prozess gegen elf mutmaßliche Schlepper, die im Sommer 2015 für den Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühl-Lkw auf der Ostautobahn bei Parndorf verantwortlich gemacht werden, schockiert ein Bericht in deutschen Medien: Demnach hätte die Katastrophe womöglich verhindert werden können, denn die ungarischen Behörden hatten bereits 13 Tage vor dem Erstickungstod der 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder am 26. August 2015 begonnen, die Gespräche der Schlepper abzuhören.

Aber: Die Telefonate wurden nicht rechtzeitig übersetzt und konnten so nicht ausgewertet werden, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" online. Die gemeinsam mit NDR und WDR durchgeführten Recherchen hätten ergeben, dass die Behörden auch bei der tödlichen Fahrt die Aufnahmegeräte mitlaufen ließen. Auch diese Fahrt sei nicht gestoppt worden, weil die Übersetzungen erst später vorgelegen seien.

"Er soll weiterfahren"

Insgesamt konnte das Recherchenetzwerk Hunderte Seiten Gesprächsprotokolle in Ermittlungsakten einsehen. Bei der Todesfahrt am 26. August soll der afghanische Drahtzieher dem Fahrer, der von schreienden Flüchtlingen berichtete, über einen Komplizen gesagt haben: "Sag ihm, er soll nur weiterfahren. Und falls sie sterben sollten, soll er sie in Deutschland im Wald abladen."

Dass die Todesfahrt zu verhindern gewesen wäre, wies der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft im ungarischen Kecskemet, Gabor Schmidt, zurück. "Wenn die ungarischen Behörden die Chance gehabt hätten, diese furchtbare Tat zu verhindern, hätte man das getan." Bis zur Abtretung des Falles an Ungarn im Herbst 2015 war auch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt mit der Causa befasst. Deren Leiter Johann Fuchs sagte am Mittwoch zum KURIER, aus den Ermittlungen seiner Behörde hätte sich damals "kein Anhaltspunkt" dafür ergeben, dass die ungarischen Behörden die Schlepper schon früher im Visier hatten. Die Schlepperbande um einen afghanischen und einen bulgarischen Staatsbürger hatte vor der tödlichen Fahrt bereits mindestens 28 ähnliche Fahrten organisiert. Dabei war zwar kein Flüchtling gestorben, allerdings hatten etliche das Bewusstsein verloren. Der Prozess beginnt am 21. Juni in Kecskemet. Den Beschuldigten wird qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

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