71 Tote auf A4: Schlepper nach Österreich ausgeliefert

In einem Lkw wurden die Leichen von 71 Flüchtlingen entdeckt.
"Genügend Beweise" gegen 32-Jährigen: Der Lenker wird vom bulgarischen Bezirksgericht ausgeliefert.

Jener Lkw-Lenker, in dessen Klein-Lkw auf der Ostautobahn 71 Flüchtlinge gestorben sind, wird nach Österreich ausgeliefert. Diese Entscheidung hat das Bezirksgericht in der nordwestbulgarischen Stadt Montana am Dienstag getroffen. Es gebe genügend Beweise gibt für eine Mittäterschaft und das Strafverfahren könne in Eisenstadt geführt werden. Laut Staatsanwaltschaft muss sich der 32-Jährige wegen Beteiligung an einem kriminellen Schlepperring und fahrlässiger Tötung in 71 Fällen verantworten. Er soll den Lkw zumindest ein Teil der Strecke gefahren haben.

Der Laster war am 26. August von der serbisch-ungarischen Grenze Richtung Österreich gestartet. Am darauffolgenden Tag entdeckte die Polizei das Gefährt in einer Pannenbucht der A4 bei Parndorf im Bezirk Neusiedl am See. Der Kühltransporter war luftdicht verschlossen. Die 71 Menschen darin waren schon auf ungarischem Boden erstickt. Sie stammten aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

Fünf Tage Frist

Mehrere Menschen wurden daraufhin festgenommen. Darunter auch einer der Lenker, ein Bulgare. Er hatte ausgesagt, nichts von den Menschen an Bord seines Lasters gewusst zu haben. Er blieb anschließend in Untersuchungshaft.

Im Gespräch mit der APA unterstrich die Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Montana, Lilia Jordanowa, jedoch, dass man nun die fünftägige Berufungsfrist abwarten muss. Erst dann könne die Auslieferung umgesetzt werden. Nachdem in Österreich ein Strafverfahren gegen den 32-Jährigen eingeleitet worden war, hatte sich auch die bulgarische Spezialanwaltschaft, die für Schwerverbrechen zuständig ist, eingeschaltet und selbst Ermittlungen gegen den Lkw-Lenker eingeleitet. Dadurch hatte sich das Auslieferungsverfahren in die Länge gezogen.

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Nach den Obduktionen der 71 Toten haben sich die Hinweise auf den Erstickungstod der Opfer bestätigt. Einen, wenn auch nur kleinen Trost, hat Edith Tutsch-Bauer, Leiterin der Gerichtsmedizin Salzburg: "Viele setzen das mit einem schrecklichen Vorgang in Verbindung", sagte die Expertin. Die furchtbare Form des Erstickens trete aber bei der zweiten wesentlichen Art des Erstickungstods auf, nämlich wenn die Atemwege verschlossen sind. "In diesem Fall sammelt sich im Körper Kohlendioxid (CO2)", sagte Tutsch-Bauer. Dieses "CO2 ist der stärkste Atemantrieb" und der Betroffene leidet unter sogenanntem Lufthunger und erstickt qualvoll.

Bewusstseinstrübung vor dem Tod

Das war in dem Lastwagen nicht der Fall, hier konnten die Betroffenen das CO2 bis zu ihrem Tod abatmen, betonte die Medizinerin. In dem luftdichten Raum befand sich jedoch immer weniger Atemluft. Durch den Sauerstoffmangel sind die Organe über den Blutkreislauf mit Sauerstoff unterversorgt. Davon ist vor allem auch das Gehirn betroffen und es tritt zunächst eine Bewusstseinstrübung ein, erläuterte die Medizinerin. "Es ist davon auszugehen, dass die Betroffenen nach und nach ganz das Bewusstsein verloren haben und in der Folge verstorben sind", hielt Tutsch-Bauer fest.

Wie lange es im konkreten Fall gedauert hat, bis der Tod eingetreten ist, lässt sich laut der Expertin nicht sicher sagen. Es ist aber "unwahrscheinlich, dass alle genau zur gleichen Zeit verstorben sind". Der Sauerstoffbedarf eines Menschen variiert je nach Ruhezustand oder Bewegung. Auch in Stresssituationen ist der Sauerstoffbedarf erhöht. Durch Stress erhöhen sich die Herz- und Atemfrequenz und damit auch der Sauerstoffverbrauch, lautete die Erklärung der Expertin.

Das von den Flüchtlingen ausgeatmete CO2 konnte in dem luftdichten Raum nicht entweichen und wurde dadurch wieder vermehrt eingeatmet. Gerichtsmediziner sprechen dabei von "Rückatmung", erläuterte Tutsch-Bauer. Der "entscheidende Faktor" für den Tod durch Ersticken ist in diesem Fall aber der Sauerstoffmangel, sagte die Gerichtsmedizinerin.

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