Baronin Münchhausen unter den Spionen

Symbolbild
Eine Unternehmensberaterin soll für fragwürdige Dossiers von mehreren Firmen sehr hohe Summen kassiert haben.

Die Bestechungsaffäre um die deutsche "Privatagentin" Christine W. spielt immer tiefer nach Österreich herein. Wie der KURIER berichtete, soll die dubiose Informationshändlerin, die in Deutschland in Untersuchungshaft sitzt, mindestens zwei deutsche Kriminalbeamte zwecks Informationsgewinnung bestochen haben. Außerdem will sie auch einem österreichischen Verfassungsschützer, der suspendiert ist, Geld gezahlt haben. Dem Vernehmen nach bestreitet dieser die Vorwürfe vehement.

Wie der KURIER berichtete, soll "Nina", wie sie eigentlich genannt wird, in den vergangenen Jahren zahlreiche lukrative Beratungsaufträge von namhaften österreichischen Konzernen an Land gezogen haben. Genannt werden etwa OMV und der Versicherer Vienna Insurance Group (VIG). Die Kunden wussten offenbar aber nichts von den mutmaßlichen illegalen Machenschaften der Privat-Schnüfflerin.

Laut Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel und des KURIER soll Christina W. dem hauptverdächtigen deutschen Kommissar (Tarnname "Knecht Ruprecht") fast eine halbe Million Euro hingeblättert haben. Der kaufte sich um den "Agenten-Lohn" einen dicken Mercedes C450 mit 367 PS.

Während der Kripo-Mann laut Spiegel schweigt, ist Christina W. bei den Einvernahmen redselig. Dabei soll sie "brisante" Geschichten aufgetischt haben, die auch in Österreich spielen. So ist es kein Wunder, dass bei den Verhören in Schwerin auch Mitarbeiter des österreichischen Bundeskriminalamts und des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung anwesend waren.

Die Causa Firtasch

Der Reihe nach: Die Privatagentin "Nina" schaffte es offenbar, mit selbst gebastelten Dossiers über Oligarchen, angebliche Ost-Spione und diverse kriminelle Organisationen Beratungsaufträge zu erlangen. Laut Aktenlage hat sie sich so Robert Shetler-Jones, den engsten Vertrauten des ukrainischen Oligarchen Dmitry Firtasch, als Kunden geangelt. Firtasch ist aufgrund eines US-Auslieferungsersuchens seit März 2014 in Österreich gestrandet. "Nina" sollte mit einem österreichischen Berater die politischen Hintergründe des Auslieferungsersuchens untersuchen, insbesondere den Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Firtasch in Russland, der Ukraine und in Ungarn. Für ihre Dienste habe Christina W. rund 420.000 Euro kassiert.

Doch Nina und ihr Kommissar nutzen den "Firtasch-Auftrag", um sich beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) wichtig zu machen. Laut Aktenlage soll der Kommissar beim BND damit geprahlt haben, dass er "direkte Beziehungen zum nächsten Umfeld des Oligarchen Firtasch unterhalte".

Nina beschrieb er dem Nachrichtendienst "als zuverlässige Quelle". Indes stufte der BND die Unterlagen von Christina W. aber als "substanzlos ein"; sie wird "als Nachrichtenhändlerin mit zweifelhaften Quellen" bezeichnet. Ihre Unterlagen wurden vom BND entsorgt.

Das OMV-Projekt

Die heute 69-Jährige werkte in den Jahren 2009 bis 2011 – über eine Wiener Anwaltskanzlei – für den Mineralölkonzern OMV bzw. dessen rumänische Tochterfirma Petrom. Bei der Petrom gab es damals groß angelegte Mineralöl-Diebstähle. "Nina" sollte diese Diebstähle mithilfe von rumänischen Detektiven aufklären.

Auch der von ihr angeblich gekaufte deutsche "Hauptkommissar" wurde eingespannt. Er sollte ein Sicherheitskonzept für die Petrom erarbeiten. "Er ist mit mir gemeinsam zur Petrom gefahren", gab "Nina" in einer Einvernahme an.

Sie behauptete auch, dass sie sogar den damaligen OMV-Chef Wolfgang Ruttensdorfer in München oder Zell am See getroffen habe. "Das ist ein kompletter Holler, ich kenne diese Dame nicht", sagt Ruttensdorfer zum KURIER. "Die Öl-Diebstähle wurden bekämpft, aber nicht über Wien, und das ist definitiv nicht über mich gelaufen." Zum Petrom-Auftrag sagt die OMV: "Über Details geben wir keine Auskunft." Laut Aktenlage sollen zumindest 450.000 Euro an "Nina" geflossen sein.

Auch der Versicherungskonzern Vienna Insurance Group hatte Probleme bei seinen Tochterfirmen in Rumänien. Auch hier wurde die umtriebige Nachrichten-händlerin tätig. Und im Vorjahr angelte sich "Nina" auch noch einen Auftrag des österreichischen Glücksspielkonzerns Novomatic. Sie sei "einmalig für Faktenrecherchen im Zusammenhang mit einem Unternehmenszukauf" engagiert worden. Zur Erinnerung: Im Jänner 2016 gab Novomatic bekannt, dass sie mit tschechischen Partnern die Mehrheit an den Casinos Austria übernimmt.

Scharlatanerie?

Nina wollte auch in Sachen Hypo Alpe Adria Bank und in der vermeintlichen Immobilienaffäre des ehemaligen Raiffeisen-Bankers Herbert Stepic "ermitteln". In beiden Fällen wurde die Zusammenarbeit aber abgelehnt.

"Christina W. verstand es offenbar gut, Auftraggeber sowie Geschäftspartner in die Illusion zu verstricken, sie würde eine exzellente Daten-Analytikerin abgeben. In Wahrheit versteckte sich dahinter aber nichts mehr als Scharlatanerie", sagt die Wiener Anwältin Sylvia Freygner, die einen früheren Wiener Geschäftspartner von Christina W. und ehemaligen Sicherheitsberater des Oligarchen Firtasch vertritt. "Das Problem waren die Arbeitsergebnisse der Christina W., diese ergossen sich in wild zusammengewürfelte Internet-Recherchen mit einem Hauch Verschwörungstheorie."

Zurück zum suspendierten heimischen Verfassungsschützer. Er soll "nie Geld bekommen" haben, sagte W. bei der Vernehmung. Später korrigierte sie ihre Aussage: Sie habe ihm 700 Euro gegeben. Dafür sollte sich der Beamte Mitte Jänner 2016 mit dem KURIER-Journalisten Kid Möchel (dem Autor dieser Zeilen) treffen. Nina wollte weitere Informationen über einen umstrittenen österreichischen Investor, über den im KURIER berichtet wurde. Wahrscheinlich wollte sie auch ihn als "zahlenden Auftraggeber" gewinnen. Doch ein solches Treffen, wie es Nina behauptet, gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.

"Normales Geschäft"

"Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass meine Mandantin einiges durcheinander bringt, und ich kann ihre Aussagen teilweise nicht nachvollziehen", sagt Christian Stünkel, Strafverteidiger der Privatagentin, zum KURIER. "Vielleicht hat sie den Hang dazu, Geschichten aufzublähen und auch zu erfinden." Nachsatz: "Für sie war die Informationsbeschaffung gegen Geld ein normales Geschäft – also die Bezahlung von Polizeibeamten, ohne bösen Hintergedanken, dass dabei jemand bestochen werden sollte."

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