Ausweitung der Fußfessel "überfällig"

Ausweitung der Fußfessel "überfällig"
4000 Verurteilte verbüßten ihre Haftstrafe daheim, nur 48 wurden rückfällig.

Die 4000. Fußfessel-Trägerin ist eine Kärntnerin. Die bereits vorbestrafte Frau wurde wegen Betrügereien zu drei Monaten Freiheitsentzug verurteilt, muss aber keinen Tag hinter Gittern verbringen. Sie darf die Strafe im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßen und weiterhin ihrem Job im Dienstleistungsgewerbe nachgehen. Am Freitag bekam die 38-Jährige die "Jubiläums-Fußfessel" angelegt.

Die Betrügerin aus Kärnten ist unter den 4000 Verurteilten, denen seit 1. September 2010 der Hausarrest gewährt wurde, sozusagen der Klassiker – abgesehen davon, dass die Frauen nur mit 14 Prozent vertreten sind. Im Schnitt sind die Kandidaten jeweils vier Monate an die Fußfessel gebunden, die für (Rest-)Strafen bis zu einem Jahr eingesetzt werden darf. Aktuell wird sie von 296 Personen getragen.

Bis 18 Monate Haft

Es könnten aber erheblich mehr sein. Der Bewährungshilfe-Verein Neustart, der die Bewegungsprofile (Anwesenheitspflicht daheim, Arbeitswege etc.) erstellt, fordert seit Langem eine Ausweitung auf Strafen bis zu 18 Monaten. Zumal die Rückfallquote bei Fußfessel-Trägern mit 1,25 Prozent sensationell niedrig ist: Nur 48 Personen (von den 4000) wurden wegen einer während des überwachten Hausarrests begangenen Straftat neuerlich verurteilt (keine Gewaltdelikte). Die Rückfallquote bei aus der Strafhaft Entlassenen liegt bei 80 Prozent (wenngleich es in diesen Fällen um schwerere Delikte und längere Strafen geht).

Neustart-Sprecher Andreas Zembaty verweist auf den volkswirtschaftlichen Nutzen der Fußfessel: "Die Leute werden nicht aus ihrem sozialen Umfeld gerissen, behalten ihren Job, zahlen Steuern, fallen dem Staat nicht zur Last." Ganz im Gegenteil: Während ein Tag hinter Gittern pro Häftling 110 Euro kostet, müssen Fußfessel-Träger (je nach finanzieller Belastbarkeit) aus eigener Tasche bis zu 22 Euro pro Tag für die Überwachung zahlen. 3,8 Millionen Euro sind bis heute hereingekommen.

Keine AMS-Leistungen

Zembaty kritisiert, dass die Fußfessel-Träger zwar Arbeitslosenversicherung zahlen, aber keinen Anspruch auf Leistungen des AMS wie Job-Vermittlung und Umschulungskurse bzw. Unterstützung bei der Ausbildung haben.

Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, nennt die Ausweitung der Fußfessel ebenfalls "überfällig, weil die Vorteile auf der Hand liegen." Für ihn ist "unverständlich", dass Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) "schon so lange zögert."

Auch für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist die Fußfessel "eine Erfolgsgeschichte" und daher "unverständlich, dass wir nicht schon längst die Obergrenze auf 18 Monate angehoben haben." Am Parlament werde eine "beschleunigte Umsetzung dieses Projekts sicher nicht scheitern."

Vergabe gestoppt

Möglicherweise aber an der Ausschreibung für die Vergabe eines neuen Fußfessel-Auftrages. Das Justizministerium will bis zu 2000 moderne Geräte mit Sender (am Fuß) und Empfänger (daheim), die eine Überwachung via GPS gewährleisten. Zusätzlich sollen eine Alkoholkontrolle und eine biometrische Erkennung möglich sein.

Der Zuschlag an einen Bewerber wurde von einem nicht zum Zug gekommenen Mitbewerber beeinsprucht, das Bundesverwaltungsgericht prüft die beiden Angebote, bis dahin liegt die Vergabe für Wochen oder Monate auf Eis. Inzwischen wird der elektronisch überwachte Hausarrest weiterhin vom bisherigen Betreiber 3M Electronic Monitoring technisch gemanagt.

Und der von Justizminister Brandstetter im Juli 2015 angekündigte "Turboschub" für den Strafvollzug lässt weiter auf sich warten.

Der Ex-Präsident des SK Sturm, Hannes Kartnig, hat die Fußfessel in Verruf gebracht. Während des Hausarrests genoss er eine "Tosca"-Premiere in der Grazer Oper und ein Abendessen in einem Wiener Luxushotel. Dabei hatte er die Auflage bekommen, sich vor öffentlichkeitswirksamen Auftritten zu hüten. Damit war die Fußfessel weg, Kartnig musste zurück ins Gefängnis.

Der ehemalige FPÖ-Politiker Gernot Rumpold muss demnächst in der Justizanstalt Graz-Jakomini als Mithäftling von Kartnig seine Strafe von elf Monaten unbedingt absitzen. Außer er findet bis dahin noch einen Job. Rumpold ist seit 1. August beim AMS als Arbeitsuchender gemeldet und hat die Mindestsicherung beantragt. Sein Privatkonkurs soll sich auf drei Millionen Euro Schulden belaufen.

Eine Beschäftigung ist Voraussetzung für die Fußfessel. Das kann, zum Beispiel bei Pensionisten, auch eine gemeinnützige Tätigkeit im Ausmaß von 25 Wochenstunden sein. "Der Hausarrest darf nicht ein bloßes Eingesperrtsein daheim sein, weil da hätte der Betreffende ja noch in der Haft mehr Sozialkontakte", sagt Andreas Zembaty von Neustart. Der Verurteilte soll sich mit der Fußfessel auch in der Freiheit bewähren, und dazu ist eine Beschäftigung nötig.

Davon hält der Ex-Lobbyist und nunmehrige Pensionist Peter Hochegger wenig. Auch er könnte seine acht Monate Haft daheim mit der Fußfessel abbüßen, will sie aber gar nicht beantragen. Hochegger wurde inzwischen von der U-Haft in die Strafhaft überstellt, die er offenbar absitzen möchte. "Viele geben die Fußfessel sogar zurück", sagt Zembaty, "weil sie es nicht aushalten, in der eigenen Wohnung nie frei zu sein."

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