Ausflug in die Vergangenheit

Ausflug in die Vergangenheit
Heinz-Dieter Pohl deckt auf, was hinter geografischen Bezeichnungen steckt.

Namenforschung fasziniert die Menschen, zumal in einem sprachlich so reichen Land wie Österreich, das Hunderte schwer zu deutende Namen aufweist. Seien es Bergnamen wie Großglockner (wegen der Ähnlichkeit mit einem Glockenturm) oder Flussnamen wie Gail (vorrömisch: überschäumender Fluss) oder Ortsnamen wie Malta („Berggegend“). Namen sind nicht nur sprachlich interessant, sie verraten auch etwas über die Benenner, die Vorfahren der heute lebenden Menschen, und dahinter steht eine weitere, eine philosophische Frage, die die Neugier anstachelt: Wer bin ich?

Kärnten ist etwas besonderes. In keinem anderen Bundesland ist das slowenische Erbe so lebendig wie hier, trotz der Konflikte um die zweisprachigen Ortstafeln. Selbst Jörg Haider stieg zu Lebzeiten auf den Kozjak und nicht auf den Geißberg, wie der Zweitausender im Süden des Bärentals auf Deutsch heißt, „weil sich der deutsche Name im Volksmund nie durchgesetzt hat“, sagt der Linguist Heinz-Dieter Pohl, der die deutschen und slowenischen Namen Kärntens seit den 1970er-Jahren untersucht.

Seine Erkenntnisse legt Pohl regelmäßig in Buchform vor, gerade ist sein „Kleines Kärntner Namenbuch“ erschienen, darin verzichtet er auf fachliche Details und Spitzfindigkeiten. Er klärt den Ursprung der Namen auf.

Schatzkammer

Kärnten ist eine sprachliche Schatzkammer: „Es gibt Namen, die so weit zurückreichen, dass man nicht einmal mehr den Namen der Sprache kennt.“ Ein Beispiel ist die Frágant, eine Gegend in der südlichen Goldberggruppe, vermutlich mit der Bedeutung „Bergbach“. Kuriosität am Rande: Die Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt wird als Klagenfurt am Wörthersee beworben, was sinnlos ist, da es im ganzen deutschsprachigen Raum nur ein Klagenfurt gibt.

Klagenfurt: Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der slowenischen Entsprechung Celovec, das seinerseits auf ein romanisches Wort (l’aquiliu) zurückgeht, das so viel wie „Ort, Platz am bzw. mit Wasser“ bedeutet. Daraus entwickelte sich frühslowenisch Cviljovec, worin man dann das slowenische Wort cvilja erblickte, das im Deutschen „Wehklage, Gejammer“ bedeutet, und es entstand die der Lage des Ortes – an einer mühsam zu überquerenden Furt – entsprechende deutsche Bezeichnung: Klagenfurt.

Mirnock (Mirock): Einer der bekanntesten Gipfel der Kärntner Nockberge. Nock bedeutet schlicht „Bergkuppe“. Der Berg müsste eigentlich Meernock heißen, schreibt Pohl. In altdeutscher Mundart bedeutete mīr oder mēr Hochmoor. Auch das „Meerauge“ im märchenhaft schönen Kärntner Bodental enthält dieses alte Wort.

Längsee: Die einfache Deutungsvariante für den beliebten Badesee ist „der längliche See“. Nur ist der See von seiner Form her eher oval. Vermutlich handelt es sich um eine mundartliche Umdeutung von altslowenisch „lanka“ (heute: loka, feuchte Wiese).

Für die Zukunft bleiben noch etliche Nüsse zu knacken, dunkle Karantanismen, an deren Herleitung Pohl und andere bislang gescheitert sind, weil Urkunden fehlen. Das verschweigt der 71-jährige Forscher nicht, er streicht es heraus, „diese Vorgehensweise würde ich auch Naturwissenschaftlern raten, die vorgeben das Universum erklären zu können.“

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Heinz-Dieter Pohl, Sprachforscher (Namenkunde), Klagenfurt
Heinz-Dieter Pohl (Bild) war zur rechten Zeit am rechten Ort. 1972, gerade als der sogenannte „Ortstafelsturm“ in Kärnten losbrach, kam Pohl nach Klagenfurt, und sofort war sein wissenschaftliches Interesse entfacht. Der Jungforscher begann sich mit Ortsnamen zu beschäftigen. Die Faszination hält bis heute an.

KURIER: Die zweisprachigen Ortstafeln sind ein Politikum, wie bleibt man da als Wissenschaftler neutral?
Heinz-Dieter Pohl: Die beiden Sprachen sind zusammengewachsen in Kärnten. Das spiegelt sich in den Namen und in den Mundarten wider, das ist ein gemeinsames historisches Erbe, das soll man nicht verpolitisieren, sondern als Kulturgut sehen (die UNESCO erklärte die slowenischen Flur- und Hofnamen in Kärnten 2010 zum immateriellen Kulturerbe, Anm.).

Was trennt Deutsch- und Slowenischsprachige überhaupt?
Wenig, denn ein Kärntner Slowene hat mit einem Kärntner Deutschen mehr gemeinsam als ein Kärntner mit einem Vorarlberger oder ein Kärntner Slowene mit einem Slowenen aus dem Küstenland. Man hat die Sprache zu einem Unterscheidungsmerkmal gemacht, anstatt zu beachten, dass nicht nur die Sprache das Entscheidende ist, sondern auch die Region, in der man lebt.

Geht nicht auch das Deutsche verloren – zumal das Österreichische – zugunsten eines Denglisch-Sprechs?
Die Entlehnung von einer Sprache in eine andere ist die normalste Sache der Welt. Beim Englischen muss ich als Linguist sagen, ist der Einfluss schon ein bissl sehr groß.

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Kleines Kärntner Namenbuch
Heinz-Dieter Pohl erläutert in seinem neuen Band insgesamt 350 Kärntner Orte und Gegenden sowie 220 Berg- und Gewässernamen: „Kleines Kärntner Namenbuch“; J. Heyn, 10,50 €.
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Kleines Kärntner Wörterbuch
Kärntnerisch von A bis Z: Die Eigenheiten der südbairischen Mundart und ihre engen Beziehungen zum Slowenischen, in 2. Auflage: „Kleines Kärntner Wörterbuch“, J. Heyn, 10,50 €.
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Die Bergnamen der Hohen Tauern
Im Zuge der Erschließung der Alpen erhielten viele Gipfel einen Namen. Sie sind heute schwer zu deuten. Heinz-Dieter Pohl schafft es: „Die Bergnamen der Hohen Tauern“, OeAV, 9,90 €.
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Walter Mair: Höhenwege und Gipfelziele. Bergwandern in Osttirol und Oberkärnten
Walter Mair entführt uns in entlegene Hochtäler und lugt über wilde Bergkämme, schön: „Höhenwege & Gipfelziele. Bergwandern in Osttirol und Oberkärnten“, Tyrolia. 24,95 €.

Peter Handke und Ernst Jandl eint allein ihr Nachname, der in beiden Fällen „Sohn des Johannes“ bedeutet. Jelinek (Elfriede) ist tschechisch und bedeutet „kleiner Hirsch“. Benn (Gottfried) entstand aus einer Koseform von Bernhard. Die vielen Dichter-Mayrs (Mayröcker, Ransmayr etc.) hatten alle einen Gutsverwalter als Vorfahren.

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