R.E.M.: "Unser tiefster Dank fürs Zuhören"

Die größte Alternative-Band der Welt löst sich auf. Ohne Streit, ohne Flop. Einfach so, weil es "der richtige Zeitpunkt" war.

Formal ähneln viele Band-Auflösungen einem Atomkrieg: Unter dem Titel "musikalische und persönliche Differenzen" zelebrieren die Mitglieder öffentlich ihren tiefen Hass. Üblicherweise kommt zehn Jahre danach die Reunion.

Andere Gruppen lösen sich unbemerkt auf, nach einem Konzert vor 35 zahlenden Zuschauern etwa, auf einer Landwirtschaftsmesse im Nirgendwo.
Aber warum trennt sich eine weltbekannte, erfolgreiche im besten Einvernehmen stehende Gruppe?

R.E.M., die berühmteste Alternative-Band der Welt, fand einfach, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt.

"Alle Dinge müssen enden", lautet das Statement von Sänger Michael Stipe. "Wir wollten es richtig tun, auf unsere Weise." Und in der gemeinsamen Erklärung der Gruppe heißt es: "Wir gehen fort mit einem tiefen Gefühl von Dankbarkeit, von Endgültigkeit und mit Erstaunen über all das, was wir erreicht haben. An jeden, der jemals von unserer Musik berührt wurde, unser tiefster Dank fürs Zuhören."

Die Bandmitglieder hätten einander stets wie Brüder geliebt und respektiert, fügt Bassist Mike Mills hinzu. Die Entscheidung sei während der jüngsten Tour gereift, als man sich durch Songs aus 30 Jahren Bandgeschichte gearbeitet und erkannt habe, dass eine große Reise sich dem Ende zuneigt.

Brüder

R.E.M. formierten sich 1980 in Athens, Georgia. Die erste Single "Radio Free Europe" und das erste Album "Murmur" machen sie vor allem in Studentenkreisen rasch bekannt. Michael Stipes akustisch wie inhaltlich schwer verständliche Song-Poesie trug zum Erfolg ebenso bei wie die zwischen Mainstream-Pop und Alternative-Rock schwebende, vom Folk der Byrds mindestens so stark wie vom Underground beeinflusste Musik.

Mit Hits wie "The One I Love" (1986) und allerspätestens "Losing My Religion" (1991) und "Man On The Moon" (1992) wurden sie zu Weltstars, was sie selbst am meisten zu irritieren schien. Sie blieben stets Unbequeme, die sich politisch (etwa gegen den Irak-Krieg) äußerten. Ihr stilvoller Abgang gerade jetzt - ihr jüngstes Album "Collapse Into Now" kam bei Kritik und Publikum bestens an - kann auch als Absage an die zunehmend kunstfeindliche Musikindustrie interpretiert werden, der sie stets kritisch gegenüber standen.

Partyschluss

Die Schlussworte sprechen Michael Stipe bzw. Gitarrist Peter Buck. "Die Kunst ist, zu wissen, wann es Zeit ist, eine Party zu verlassen." - "Ein Teil des Lebens unserer Fans sein zu dürfen, war ein unglaubliches Geschenk." Stipe, Mills, Buck und der 1997 nach einer Gehirnblutung ausgestiegene Schlagzeuger Bill Berry betonen, sie blieben als Freunde verbunden.

Die Alben - Drei Jahrzehnte Rock aus Athens

Die ersten R.E.M.-Alben "Murmur" (1983) und "Reckoning" (1984) sind seltsamer, verhuschter, verführerischer Alternative-Folk. Spätestens mit "Document" (1987) entdeckten sie ihre Fähigkeit, Hits zu schreiben (und glaubwürdig zu bleiben). Mit "Out Of Time" (1991) und "Automatic For The People" (1992, 18 Millionen Tonträger) wurden sie Weltstars. Nach dem Ausstieg von Bill Berry 1997 klangen die Alben wie "Up" (1998) oder "Around The Sun" (2004) spröder und weniger zwingend. Ausnahme: Das sonnige "Reveal" von 2001. Mit "Accelerate" (2008) und "Collapse Into Now" (2011) gelang ihnen ein heftig rockender Abschied.

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