Ozzy in Wien: Tinnitus für Fortgeschrittene

Ozzy in Wien: Tinnitus für Fortgeschrittene
Ozzy Osbourne gab in der prall gefüllten Wiener Stadthalle den tattrigen Heavy-Metal-Clown. Sein Konzert war dennoch oder trotzdem ein ganz großer Erfolg.

Das hat man davon. Man vergisst, mitgerissen von der Euphorie des Augenblicks, dass wir 2012 schreiben und nicht 1988. Und weist die Ohrenstöpsel mit lässiger Geste von sich. Und kann sich Tags darauf mit seinem Tinnitus unterhalten, und zwar nur mit diesem. Gezogene Lehre: Im fortgeschrittenen Greisenalter von 44 niemals ohne Gehörschutz aufs Ozzy-Konzert!

Erste Überraschung: Die Wiener Stadthalle ist mit mehr als 14.000 Besuchern so eng gefüllt, dass kaum noch genügend Luft zum Atmen hineingeht. Und die Zuschauer sind keineswegs alle im Alter des Sängers (63), sondern zum Teil zwei, drei, vier Jahrzehnte jünger. Es stimmt offenbar: Die großen Acts des ganz harten Rocks sind die letzten wirklich krisenfesten Unternehmen im Popgeschäft.  Und je älter, umso glaubwürdiger. Ozzy Osbourne wird langsam der Johnny Cash des Metal.

Wobei Osbourne natürlich nicht nur ein angemessen sinistrer "Man in black" ist, sondern gleichzeitig ein drolliger Kasperl. Seine an einen unter Drogen- und Parkinsoneinfluss stehenden Teddybären erinnernde Motorik mag Uneingeweihten  vermitteln, der Mann sei entweder schwer krank oder in Wahrheit 40 Jahre älter.  Aber dieses Alte-Tante-Gehabe zeigte Ozzy schon in den für ihn goldenen Achtzigerjahren oder in den Siebzigern, als Frontman der legendären Black Sabbath.

Chemiekasten

Wie viel davon Show ist und wie viel Spätfolge seiner langen Nahbeziehung zur Unterhaltungschemie – der Mann hat angeblich  einmal in  akuter Kokainknappheit  Ameisen geschnupft ! – weiß vermutlich nicht einmal er selbst.

Überraschung zwei: Ozzy ist bei klarer, jaulender Stimme. Dass ihm  bei "Mr. Crowley" die hohen Töne davonlaufen, lässt sich mit einer Halsentzündung erklären und ist genau: wurscht. Ein fehlerfrei singender Ozzy wäre nur der halbe Spaß.

Die Show baut auf Nostalgie, die meisten Songs stammen aus den Jahren 1980 bis 1986, die jüngsten ("I Don’t Want To Change The World" und "Mama I’m Coming Home") sind 21 Jahre alt. Was schade ist, denn die neueren Alben von Osbourne sind ausgezeichnet. Im Black-Sabbath-Teil wird die gute Band durch die Gäste  Zakk Wylde, Slash und Geezer Butler ergänzt. Der Sound bekommt dadurch etwas Holzhacker-artiges, aber der Spaßfaktor bleibt hoch.

KURIER-Wertung: **** von *****

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