Justice – und die Prog-Rock-Falle

Justice – und die Prog-Rock-Falle
Das französische Electro-Duo Justice arbeitet sich auf "Audio, Video, Disco" durch die Rockmusik der 70er Jahre. Brian May lässt grüßen!

Als die beiden bärtigen Franzosen Gaspard Augé und Xavier de Rosnay mit buschigen Koteletten, Lederjacken (Nieten!) und lässigem Pornobalken den Rock 'n' Roll via Synthesizer nachstellten, mit Daft-Punk-House vermischten und ins Jahr 2007 transferierten, lagen ihnen so gut wie alle zu Füßen. Da war es dann auch ein bisschen egal, dass Justice bislang nur ein paar Remixe vorweisen konnten. Im Zentrum ihres Marketingschmähs stand das Christenkreuz, das zu Justices Markenzeichen wurde: "Das Kreuz ist unser Frontmann. Wenn Justice The Police wären, dann ist das Kreuz Sting", erklärt Xavier de Rosnay im Interview mit der taz.

Justice fungierten nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums "†" (600.000 verkaufte Einheiten) und dem damit ausgelösten Hype als neumoderne Kreuzritter. Ihre Waffen waren Tracks, die testosteronüberladene Rockmusik mit knarzenden Synthesizersounds und Vorschlaghammer-Beats kombinierten. Damit konnten sie zum einen die House-Buden auf Ibiza rocken, zum anderen aber auch in schummrigen Bierbuden punkten, in denen sich Motörhead-Fans und Led Zeppelin-Anhänger eine gute Nacht wünschten. Alles war möglich: Moshpit im Techno-Bunker, Neonstäbchen in Rock-Hütten und Electro in Bauerndiscos.

Mit diesem Konzept wurden sie zu den globalen Stars eines vom Pariser Label Ed Banger ausgehenden Elektro-Hypes. Ihre Tournee "A Cross the Universe" wurde in einem Roadmovie verpackt, in dem einem dann verklickert wurde, das Rock 'n' Roll auch heute nicht ohne Sex, Drogen und diverse Orgien stattfinden kann. Dazu standen noch tonnenweise Fake-Marshall-Verstärker und ein überdimensionales LED-Kreuz auf der Bühne herum.

Gitarren-Gejodel

Justice – und die Prog-Rock-Falle

Nun veröffentlichen Justice ihr mit Spannung erwartetes Zweitwerk, das den weiteren Weg des Duos beschreiben beziehungsweise zeichnen soll: "Kann man den Erfolg des Debütalbums überhaupt noch toppen? Und interessiert der bereits oft kopierte und abgelutschte Sound derzeit noch jemanden?" Diese oder ähnliche Fragen drängten sich im Vorfeld der Veröffentlichung auf. Wenn man dann nach einer Stunde erleichtert aufatmet, weil der letzte Ton von "Audio, Video, Disco" verhallt ist, hat man die Antwort auf den Lippen: Nein, nicht unbedingt.

Auf dem elf neue Stücke umfassenden Album schalten Augé und Xavier de Rosnay zwei Gänge zurück und versuchen es sogar mit Songstrukturen. Die "Wumms" und kreischenden Sägezahnsynthesizer vom Debüt sind weg, werden aber von Prog-Rock-Blähungen ersetzt. Das geht sich bei "Civilization" noch ganz gut aus, klingt bei "Ohio" aber entbehrlich: Ein altbackener Männerchor erinnert an Crosby, Stills, Nash & Young. Das Stück "Brianvision" avanciert mit einem Gitarren-Gejodel zur Hommage an Queens-Gitarristen Brian May. Querflöten werden geblasen und Samples werden Richtung Pink Floyd gedeutet. Prog-Rock für die Kids von heute - na hoffentlich kommt da jetzt kein Revival…

Konzert

Justice gastieren am 23. Februar 2012 im Wiener Gasometer. Karten sind bereits erhältlich.

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