Guerilla Gardening wird salonfähig

Guerilla Gardening wird salonfähig
Die Cannabis-Stauden am Ring haben das urbane Phänomen ins Gerede gebracht. Doch die echten Guerilleros sind andere und werden von der Stadt Wien jetzt ins Boot geholt.

Auch das ist Guerilla Gardening: Im ersten Wiener Gemeindebezirk, auf einer Grünfläche am Kärtner Ring vom Grand Hotel bis zum Schwarzenbergplatz, sind letzte Woche Hanfpflanzen entdeckt worden - eine Wiener Gratiszeitung berichtete. Für Joachim Chen, Öffentlichkeitsarbeiter der Wiener Stadtgärten (MA 42), ist es möglich, dass es sich dabei um einen "Studentenulk" handelt, den man nicht überbewerten soll. Die Aktion wird derzeit von der Polizei untersucht. "Wir gehen derzeit den Ring alle zehn Tage ab. Wir schauen darauf, dass die Pflanzen dort nur sieben bis zehn Zentimeter hoch werden. Da hat es irritiert, dass die Pflanze 20 bis 25 Zentimeter hoch war", sagt Chen. Das Unkraut links und rechts der Hanfpflanze sei auch deutlich kleiner gewesen. Es könnte also einfach eine Pfanze kurzfristig eingegraben worden sein.

Mit Hanf gegen das Establishment

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Für jene Menschen in Wien, die auf unbenutzten, häufig öffentlichen Grünflächen Pflanzen setzen und pflegen, sei die Aktion aber kein Thema gewesen, sagt Roland Dunzendorfer. Der Landschaftsplaner betreibt einen Blog zum Thema und die Facebook-Seite "Guerilla Gardening Wien". Er hat Kontakt zu einigen Gruppen und möchte nächstes Jahr selbst eine gründen. "Vielleicht war es ein Spaziergang der Hanfbewegung. Man kann die Aktion aber auch als Guerilla Gardening sehen." Er findet die Aktion "sehr cool". Denn mit der Cannabis-Staude vor dem Grand Hotel werde das Establishment angegriffen. Etwas Belebung am Ring wäre außerdem gut. Blumen wären aber wohl schöner gewesen, so der Landschaftsplaner.

Wenn in der Öffentlichkeit Guerilla Gardening mit der Aktion vor dem Grand Hotel in einen Topf geschmissen wird, schade das der grünen Bewegung, sagt Dunzendorfer. "Die Pflanze muss auch gar nicht THC-hältig gewesen sein. Trotzdem heißt es jetzt, die Drogenabhängigen sind jetzt unterwegs." Vergessen werde dabei auch, dass die Hanfpflanze heimisch sei und eine sehr lange Geschichte habe.

Protest durch Verschönerung

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Guerilla-Gärnter sind in erster Linie friedlich, wollen aber auch provozieren, sagt Dunzendorfer. Guerilleros würden zum Beispiel Kreisverkehre und Parkplätze besetzen und so auch den Individualverkehr wieder etwas zurückdrängen. Guerilla Gardening ist in Wien nur lose organisiert und auch nicht international verknüpft, so Dunzendorfer. In gewisser Weise sei es Protest gegen Strukturen, die sehr hierarchisch sind. Damit meint er etwa die Wiener Stadtgärten - nur sie dürften öffentliche Flächen nutzen. "So gut wie alle Pflanzaktionen sind illegal, weil so gut wie immer öffentliche Plätze betroffen sind, die das Stadtgartenamt betreut." Die Aktionen würden aber durch das Magistrat nie rechtlich verfolgt.

Joachim Chen von den Wiener Stadtgärten sieht Guerilla Gardening durchaus positiv. "Das findet primär auf Flächen statt, die irgend jemandem gehören und brachliegen." Alle Flächen der Stadtgärten würden begärtnert, weshalb sie nicht betroffen seien, widerspricht er Dunzendorfer. Nur auf den Flächen rund um Bäume würden Anrainer den Boden der Stadtgärten manchmal schön ausgestalten. Streng genommen sei das illegal. "Wir würden uns aber nie dagegen stellen."

Die Guerilleros werden brav

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"Ich denke, man kann bald das erste Wort bei Guerilla Gardening wegstreichen", sagt Dunzendorfer. Die ungebeten Gärtner würden immer mehr mit dem Umfeld ihrer Aktionen in Kontakt treten. Der Stadt Wien könne aber nichts Besseres passieren, als dass die Bevölkerung eigenständig den öffentlichen Raum verschönert. Die Wiener Stadtgärten zähmen die Guerilleros nun und fördern Gemeinschaftsgärten mit Know-How, Erde, Kompost und Werkzeug. "Community-Gärten", ein Trend der aus den USA über Deutschland nach Österreich gekommen ist, sind auch ein Ort der Kommunikation für Alt und Jung, so Chen von den Stadtgärten. "Hier kommen unterschiedliche Ethnien zusammen. Auch Konflikte werden aufgearbeitet."

Die Reaktion der Anrainer auf Aktionen seien ausschließlich positiv, es gebe kaum Vandalismus, sagt Dunzendorfer. "Niemand hat wirklich etwas dagegen." Bisher haben die Wiener Stadtgärten im Arenbergpark im 3., in der Steinhagegasse im 12. und im Josef-Kaderka-Park im 17. Bezirk Gemeinschaftsgärten errichtet. Außerdem betreiben die Wohnungsverwaltung Wiener Wohnen und und das Flüchtlingsdorf Macondo in Simmering solche Gärten. Dass die Flächen verstärkt genützt werden sollen, steht im rot-grünen Regierungsabkommen, so Chen. Anders als etwa in Berlin, wo manchen Stadtteilen das Geld für mehr Grün fehlt und die neuen Gärtner auch aus finanziellen Gründen willkommen sind, wirke sich das selbstständige Gärtnern der Wiener aber nicht auf das Budget der Stadt aus, so Chen. "Es macht Wien nicht ärmer und nicht reicher - nur reicher im Stadtbild."

INFO: Broschüre zum Thema

Umweltstadtratin Sima gibt demnächst die Broschüre "Gemeinsam garteln verbindet" zum Thema Gemeinschaftsgärten in Wien mit Leitfäden zum Selbermachen heraus. Das kompakte Heft kann man ab Mitte August beim Gartentelefon der Stadtgärten Wien unter der Wiener Telefonnummer 4000-8042 bestellen.

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