Livia Klingl
Fürs Lernen und fürs Reisen, also für die Befriedigung ausufernder Neugier, muss man üblicherweise zahlen. Nicht so als Journalist, da wird man bezahlt für das, was Ärzte als Hirntraining und Weltenbummler als Elixier betrachten. "Wie sonst wäre ich zu einem Frühstück mit einer Großmutter und ihrer 22-jährigen Tochter im mittelalterlichen Afghanistan knapp nach dem Bombenkrieg 2002 gekommen, die die Beschreibung meines Daseins – damals 46, ledig, keine Kinder – unisono mit ,was für ein wunderbares Leben!’ quittierten?" sagt Livia Klingl .
"Wie sonst hätte ich alles in allem zwei Jahre (Lebens-)Erfahrung in der ,Ander-Welt‘, in Kriegs- und Krisengebieten zwischen Sudan, Bosnien, Serbien, dem Irak gemacht? Wie Interviews mit der Frau von Slobodan Milosevic nach dem Machtverlust, dem damaligen NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, wenigen guten, vielen schlechten Politikern? Und vor allem mit so vielen namenlosen, aber sehr interessanten Menschen, die die Auswirkungen von Politik in ihrer schlimmsten Form erdulden. Und die dennoch lebensbejahend sind und heiterer als viele in der ,Zivilisation‘."
Journalismus ist für Livia Klingl die Möglichkeit, die Lust auf Wissen über Politik und ihre Folgen zu befriedigen und ist dann gut, wenn man in den Artikeln "die Ideologie an der Garderobe und den Menschen ihre Würde lässt". Und in den Kommentaren nicht im Propaganda-Würgegriff verendet. Und wenn man, trotz Sprachverliebtheit, vor allem eines will: verstanden werden. Die Außenpolitik biete die Chance, andere Kulturen und Lebensformen kennen zu lernen – die mit den Augen der anderen betrachtet recht verständlich wirken.
Zum Journalismus kam die "passionierte Realistin" durch Zufall. Nach einem Paris-Aufenthalt retour in Wien verdiente sie sich neben dem Studium auf der Hochschule für angewandte Kunst (Grafik) und der Uni (Französisch) ein Taschengeld bei einem Schreibbüro, das sie in die Informationsabteilung des ORF-Fernsehens brachte. Der ORF hatte ausreichend Magnetwirkung, das Studium sein zu lassen und learning by doing in den Journalismus zu wachsen.
Nach zehn Jahren lockte 1989 der neu gegründete Standard . 1993 kam der KURIER, der schon die sehr politische Jugend begleitet hatte, mit einem "mafiosen", einem unablehnbaren Angebot: Sonderkorrespondentin für schwierige Länder. Das nicht nur papierene Wissen hilft, das Außenpolitik-Ressort zu leiten (seit 1998). Aus den Reisen entstand 2002 das Buch "Menschen zwischen den Fronten", Militär-Analysen und Artikel in ausländischen Medien.
Ausgleich für einen Job ohne vorhersehbare Arbeitszeit bietet der "Eremitin mit Sozialbedürfnissen" (Eigendefinition) eine Terrasse und ein Balkon mit bestens gedeihendem "Wald". Die Freizeit wird gefüllt mit: viel faulenzen, viel gärtnern, viel lesen, viel politisieren an schönen Abenden mit liebenswerten Menschen. Langfristziel: Bis 94 körperlich und geistig rege bleiben. Dann sehen wir weiter.
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