Klimawandel: 2022 war zu trocken
2022 gehört zu den trockensten Jahren der Messgeschichte. Gleichzeitig war der gesamte Zeitraum seit 2015 überwiegend von Niederschlagsdefiziten geprägt. In der neuen Studie „Trockenheit, Grundwassertiefststände und Versorgungssicherheit im Jahr 2022“ werden von Studienautor DI Dr. Roman Neunteufel (BOKU Wien) aktuelle Umfrageergebnisse von österreichischen Wasserversorgern mit einbezogen. Ein Hauptaugenmerk legt Neunteufel dabei auf die Trockenheit, Grundwassertiefststände sowie vorhandene Reserven in den regulär verwendeten Wasserressourcen und die Versorgungssicherheit. Diese Erkenntnisse werden mit der längerfristigen Entwicklung der Wetterlagen des Jahres 2022 und den Vorjahren verglichen.
Im Rahmen einer Studienreihe die von der der BOKU Wien seit dem Jahr 2015 zum Thema „Wasserversorgung und Versorgungssicherheit“, regelmäßig durchgeführt wird, beleuchtete Roman Neunteufel das Jahr 2022 in Hinblick auf die bereits langeanhaltenden Niederschlagsdefizite und neuen Grundwassertiefststände. So wurde etwa ein Rückgang des mittleren Grundwasserspiegels in einer Größenordnung von 0,5 bis 2 m festgestellt.
Die Erstellung der Studie erfolgte im Auftrag der ÖVGW und mit Unterstützung von Wasserversorgungsunternehmen, die an der Umfrage teilgenommen und wertvolle Daten und Informationen geliefert haben.
Wesentlichsten Erkenntnisse aus der ÖVGW-Studie
Das Jahr 2022 gehört zu den trockensten Jahren der Messgeschichte. Gleichzeitig war der gesamte Zeitraum seit 2015 überwiegend von Niederschlagsdefiziten geprägt. Die weitere Anpassung der Trinkwasserversorgungssysteme an den unaufhaltsamen Klimawandel ist das Gebot der Stunde geworden. Außergewöhnliche Vorkommnisse haben zugenommen – wie niedrige Grundwasserstände, Rückgang der Quellschüttungen und ausgeprägte Trockenheit.
Während bislang auf trockene Jahre meist niederschlagsreiche Perioden folgten, in denen die Grundwasserressourcen wieder aufgefüllt wurden, zeigte sich im Jahr 2022 sehr deutlich, dass eine Serie von Niederschlagsdefiziten zu sehr geringen Grundwasserständen und angespannten Nutzungsverhältnissen führen kann.
Zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sind für die Trinkwasserversorger die verfügbaren Grundwasserreserven in Trockenjahren von entscheidender Bedeutung. Mit intensiven Trockenperioden muss in Zukunft stärker gerechnet werden.
Für den Erhalt der Versorgungssicherheit gilt es, die bereits bekannten infrastrukturellen Maßnahmen wie Leitungsverbindungen, Erschließung von zusätzlichen Ressourcen, rechtzeitige Reinvestitionen in bestehende Anlagen, fortzuführen. Herausforderung Nummer eins der Trinkwasserversorger ist die Alterung der Infrastruktur und der damit steigende Investitionsbedarf, gefolgt von der Ressourcenverfügbarkeit hinsichtlich der Qualität
Die Niederschlagsdefizite und Grundwassertiefststände der vergangenen Jahre können als Blick in eine mögliche Zukunft gesehen werden. Dabei ist aber zu bedenken, dass auch noch intensivere Niederschlagsdefizite möglich erscheinen und außerdem die Bedarfsentwicklung derzeit noch nicht den Stand der Zukunft um das Jahr 2050 erreicht hat. Im Vergleich zur Situation des Jahres 2022 muss daher mit mehr Nutzungskonflikten in vergleichbaren zukünftigen Trockenperioden gerechnet werden.
Präsentation der neuen ÖVGW-Studie
Die Studie wurde am Mittwoch, 21. Juni 2023, im Rahmen einer Pressekonferenz von Studienautor DI Dr. Roman Neunteufel und ÖVGW-Präsident Ing. Wolfgang Nöstlinger, MSc MBA der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dabei sprach sich ÖVGW-Präsident Nöstlinger nachdrücklich für eine rasche Umsetzung des von Bundesminister Norbert Totschnig angekündigten bundesweiten Notfallplanes aus. „Damit soll der Trinkwasserversorgung bei Wassermangel auch auf gesetzlicher Basis der Vorrang vor konkurrierenden Wassernutzungen eingeräumt werden. Bei neuen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren muss auf die Vorrangstellung der Trinkwasserwirtschaft Bedacht genommen werden in dem bei Wassermangelsituationen die Einschränkung anderer Wasserentnahmen bereits im Bescheid vorgesehen wird. Das ist eine langjährige ÖVGW-Forderung an die Politik und Verwaltung, die endlich umgesetzt werden muss, zumal Wassermangelsituationen aufgrund der klimatischen Veränderungen immer häufiger auftreten“, sagt ÖVGW-Präsident Nöstlinger. Für den Krisenfall Wassermangel gibt es derzeit keine Pläne und praxiserprobte Handlungsanleitungen. „Die ÖVGW mahnt daher dringend ein, dass es eine praktische Übung des Notfallplanes in einer Modellregion unter Einbeziehung aller beteiligter Behörden und der Wasserberechtigten gibt“, so Nöstlinger in seinem Statement.
Die derzeitige Entwicklung der Grundwasserstände erfordert Maßnahmen. Die Entnahmemengen von Industrie und Landwirtschaft müssen genauso überwacht und gemessen werden, wie dies bei Trinkwasserversorgern der Fall ist. „Wir wissen nicht, wieviel Wasser zu welchem Zeitpunkt von Industrie und Landwirtschaft entnommen werden, da nicht alle Grundwasserentnahmen gemessen werden. Die ÖVGW fordert daher, dass alle Wasserentnahmemengen in Österreich überprüfbar erfasst werden“, sagt ÖVGW-Präsident Wolfgang Nöstlinger.
Die Forderungen der ÖVGW sind:
- Entwicklung eines bundesweiten Notfallplans für den Krisenfall Wassermangel bis Ende September 2023 inklusive praktische Übungen.
- Messung aller tatsächlich entnommener Grundwassermengen und Erstellung einer jährlichen Wasserbilanz je Grundwasserkörper, so wie die Prüfung der wasserrechtlich bewilligten Entnahmemengen durch die gemäß Wasserrechtsgesetz zuständigen Behörden hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfes.
- Bei neuen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ist auf die Vorrangstellung der Trinkwasserwirtschaft Bedacht zu nehmen in dem bei Wassermangelsituationen die Einschränkung anderer Wasserentnahmen bereits im Bescheid vorgesehen wird.
- Verlängerung der Dauer der wasserrechtlichen Bewilligungen für die Trinkwasserversorgung auf die maximale Bewilligungsdauer, mindestens jedoch auf 45 Jahre. Die Grundwasserentnahmen für die öffentliche Trinkwasserversorgung sollten ihrer besonderen Bedeutung wegen besonders lange betrieben werden können.
- Investitionen in den Ausbau bestehender Anlagen zum Erhalt der Versorgungssicherheit (Leitungsverbindungen, Erschließung von zusätzlichen Brunnen, Reinvestitionen in bestehende Anlagen, Ausbau von Behälterkapazitäten etc.). Dazu ist das bewährte Instrument der Förderung der Siedlungswasserwirtschaft im neuen Finanzausgleichsgesetz wieder zu berücksichtigen und mit 130 Millionen Euro zu dotieren.
Die ÖVGW
Die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) ist die einzige, unabhängige und freiwillige Interessensvertretung für die österreichischen Trinkwasserversorger. Sie zählt über 275 Unternehmen aus dem Wasserbereich zu ihren Mitgliedern. Über Kooperationen mit Landesverbänden vertritt die ÖVGW mehr als 2.000 Wasserversorger. Diese beliefern rund 80 % der zentral versorgten Bevölkerung mit Trinkwasser. Das österreichische Trinkwasser wird zu 100 % aus Grund- und Quellwasser gewonnen, welches Großteils nicht aufbereitet werden muss. Für die ÖVGW steht daher der Schutz des Grundwassers und die sichere Versorgung der Bevölkerung mit natürlichem, hochqualitativem Trinkwasser in Zeiten des Klimawandels im Fokus.
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