Hormonstörung bis Depression: Wie gesund ist vegane Ernährung?
Fans der Influencerin Yovana Mendoza sind enttäuscht: Die 29-Jährige, die vor wenigen Monaten noch rohe, vegane Kost propagiert und damit Geld verdient hat, gestand kürzlich in einem Video, dass sie wieder tierische Produkte zu sich nimmt. Ihre radikale Ernährung habe zu einer Hormonstörung geführt, ihre Periode blieb aus, dazu kamen Darmprobleme. Jetzt isst sie wieder Fisch, Eier und kocht ihre Mahlzeiten. Allein ihrem Instagram-Profil "rawvana" folgten bis dahin 1,3 Mio. Menschen – viele davon fühlen sich jetzt verraten. Die Kritik ist laut.
Auch der 30-jährige britische YouTuber Tim Shieff – 178.000 Follower auf YouTube – wandte sich von der veganen Ernährung ab. Der zweifache Weltmeister im Freerunning warb zuvor damit, dass man auch als veganer Sportler erfolgreich sein kann. Doch er litt unter Verdauungsproblemen, Müdigkeit, Depression und steifen Gliedern. Das habe sich verbessert, seit er wieder tierische Produkte esse, erzählt er. Fans und Follower reagieren meist enttäuscht – ernähren sich viele doch vegan, weil ihre Idole es tun.
Unterversorgung
Aber ist vegane Ernährung tatsächlich so ungesund, dass derartige Symptome auftreten können? Nein, sagt dazu die Ernährungswissenschafterin Angela Mörixbauer. "Die Influencer-Beispiele deuten auf eine Unterversorgung oder einen Mangel an einzelnen Nährstoffen hin. Bei richtiger Lebensmittelwahl hat eine vegane Ernährung durchaus Vorteile gegenüber einer Ernährung mit zu vielen tierischen Produkten."
Dennoch müssen Veganer bestimmte Grundregeln beachten. So sind Lebensmittel ohne tierische Inhaltsstoffe nicht automatisch gesund. Hochverarbeitete vegane Fertig- und Ersatzprodukte sind mitunter sehr süß, fettreich oder mit hohem Salzgehalt: "Veganer, die bevorzugt solche Lebensmittel konsumieren, profitieren nicht von den gesundheitsförderlichen Wirkungen einer Pflanzenkost, die vor allem auf Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Nüssen, Samen, wertvollen Pflanzenölen und Vollkornprodukten aufbaut", sagt Mörixbauer.
Vitamin-B12-Mangel
Außerdem gibt es Nährstoffe, die vorwiegend nur in Fleisch, Fisch, Milch und Eiern vorkommen – dazu zählt vor allem Vitamin B12, das bei veganer Ernährung durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden muss. Ein Mangel kann zu neurologischen Störungen und psychischen Auffälligkeiten wie Gedächtnisschwäche, Ermüdungserscheinungen und depressiver Verstimmung führen. "In Studien wird bei Veganern hier regelmäßig eine Unterversorgung bzw. ein Mangel festgestellt", erklärt Mörixbauer die Risiken einer veganen Ernährung.
Wer sich für diesen Lebensstil entscheidet, muss sich daher gut informieren: "Pflanzlich kommt B12 lediglich in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut vor. Die Mengen sind aber gering und es ist nicht restlos geklärt, ob diese Form des Vitamins für Menschen verwertbar ist."
Weitere Nährstoffe, auf die Veganer besonders achten müssen, sind Eiweiße, essenzielle Aminosäuren, langkettige Omega-3-Fettsäuren, Kalzium, Eisen, Jod, Zink, Selen sowie die Vitamine Riboflavin (Vitamin B2) und Vitamin D.
Kommt es bei diesen zu einer Unterversorgung, können Kalzium- und Vitamin-D-Mangel Osteoporose begünstigen, Eisenmangel führt zu Blutarmut und Erschöpfung, Zinkmangel fördert z. B. Hautentzündungen und Haarausfall. "Veganer sollten ihren Nährstoff-Status regelmäßig vom Arzt überprüfen lassen. Bei einem Mangel rate ich, sich von einem Ernährungswissenschaftler oder Diätologen beraten zu lassen", sagt Mörixbauer.
Nicht nur bei Veganern
Der Mangel an einzelnen Nährstoffen betreffe aber nicht nur Veganer, sagt Katharina Petter von der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ). "Symptome wie Müdigkeit und Zyklusbeschwerden können auch bei schlechter Ernährung mit tierischen Produkten auftreten. Eine angemessen geplante vegane Ernährung ist hingegen gesund – Veganer haben ein reduziertes Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Adipositas", sagt Petter.
Eisenmangel, der oft die von den Influencern genannten Symptome begünstigt, komme bei Veganern gleich häufig vor wie bei Allesessern, ebenso Vitamin-D-Mangel. "Mit ein wenig Information ist es vollkommen unproblematisch, die richtigen Quellen auszuwählen: Eiweiß findet sich viel in Hülsenfrüchten, Sojaprodukten, Getreide und Nüssen. Fett in Nüssen, Samen, pflanzlichen Ölen, Avocados und Oliven", erklärt Petter. Bei der Umstellung auf vegane Ernährung kann es aufgrund der größeren Ballaststoffzufuhr anfangs zu einer verringerten Energiezufuhr kommen. Das pendle sich laut Petter jedoch mit der Zeit ein.
Ausschlussgründe für eine vegane Ernährung seien bestimmte Allergien und Fruktoseintoleranz: "In der Regel gibt es aber auch hier ausreichend Alternativen." Oder wenn man – wie die Influencer – merkt, dass der Lebensstil einem einfach nicht gut bekommt.