Trotz hoher Stromrechnung: Handelsobmann pfeift auf Energiespartipps
Von Simone Hoepke
Wenn der Wiener Modehändler Rainer Trefelik seine Stromrechnung vom Verbund zugestellt bekommt, geht ihm seit dem Frühjahr allmonatlich das sprichwörtliche G’Impfte auf. Der Händler, der auch Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer ist, hat binnen drei Monaten eine stolze Rechnungssumme von 44.000 Euro präsentiert bekommen. Zum Vergleich: Im Vergleichszeitraum 2021 hätten sich die Rechnungsbeträge noch auf rund 16.000 Euro summiert. Allein im Juli sei der Rechnungsbetrag von 6.048 Euro im Vorjahresmonat auf 16.048 heuer gestiegen.
Schuld an den explodierenden Kosten ist laut Stromlieferanten die sogenannte Merit Order, die besagt, dass sich der Strompreis am teuersten Kraftwerk orientiert – und damit aktuell am Gaspreis. Eine Regelung, die aus Trefeliks Sicht untragbar ist. „Das ist ja so, als würde ein Wirt seinen Schnitzelpreis am teuersten Schnitzel in der Stadt bemessen müssen.“
Die vom Verbund versprochenen zwei Monate Gratis-Strom könne er sich jedenfalls auch aufzeichnen, sagt Trefelik bei einem Hintergrundgespräch der Bundessparte Handel. Als er beim Stromanbieter danach gefragt habe, sei ihm erklärt worden, dass das für ihn nicht gelte. Schließlich habe er schon einen Preisnachlass bekommen. Trefelik: „Gegen das, was sich jetzt bei den Energiepreisen abspielt, waren die Auswirkungen von Corona im Handel ein Kindergeburtstag.“
Schließlich könne der eine solche Preiserhöhungen nicht weitergeben. Und die Geschäfte laufen nach wie vor schleppend. Im ersten Halbjahr lag der Branchenumsatz laut dem Forschungsinstitut Economica real quasi auf dem Vorjahresniveau. Die Konsumlaune ist enden wollend, das Konsumentenvertrauen in der EU war im Juli so bescheiden wie seit über 20 Jahren nicht, sagt Economica-Chef Peter Voithofer. „Sogar bescheidener als in der Finanzkrise 2008/09“, betont er. Österreich rangiere im Ländervergleich auf einen der letzten Plätze. Grund dafür ist unter anderem die hohe Inflation.
Klimaanlage läuft weiter
Von Energiesparmaßnahmen wie in Spanien, wo Klimaanlagen auf maximal 27 Grad gedrosselt und das Licht in den Schaufenstern ab 22 Uhr abgedreht werden, will Trefelik jedenfalls in Österreich nichts wissen. „Das Licht bleibt an. Ein Mindestmaß an Beleuchtung braucht man schon aus Sicherheitsgründen.“ Und ohne Klimaanlage würde im Modehandel ohnehin nichts gehen. „Ich brauch keine Kühlung auf Gefrierschranktemperatur wie in Dubai, aber ich kann die Klimaanlage auch nicht abdrehen, sonst will ja niemand mehr etwas anprobieren.“
Seinen Mitgliedsbetrieben werde er jedenfalls keine Energiespartipps geben, so wie es der Handelsverband Deutschland (HDE) kürzlich getan hat. Dieser hatte Händler unter anderem dazu aufgerufen, ihre Ladentüren nicht ständig offenzuhalten und damit den Effekt von Heizung bzw. Klimaanlage verpuffen zu lassen. An den Türen sollten die Händler sicherheitshalber den Hinweis „Türen zu, Geschäfte offen“ anbringen.
Solche Tipps hält der österreichische Handelsobmann für entbehrlich. Seine Betriebe würden ohnehin von alleine wissen, wo sie Energie sparen können. „Es ist ja niemand seines eigenen Geldes Feind. Wir brauchen keine Bürokratie die uns erklärt, wie wir Lampen ein- und ausschalten.“
In seinem Geschäft in der Wiener Innenstadt habe er übrigens um die 2.000 Lampen, sagt Trefelik. „Wenn wir abends zusperren, schalten wir alle bis auf 38 ab. Und die Klimaanlage ist in der Nacht ohnehin aus, schon allein wegen der Nachbarn.“
Und eines stellt der Händler in der Kärntner Straße auch gleich klar: „Die Weihnachtsbeleuchtung bleibt. Sie wegzulassen bringt gar nichts und ist reine Symbolpolitik.“
Umsatz
Für das 1. Halbjahr 2022 weist der Einzelhandel einen Netto-Umsatz in Höhe von 39,2 Milliarden Euro aus. Das entspricht einem Plus von 7,2 Prozent nominell gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 und entspricht real praktisch einer Stagnation (+0,2 Prozent).
Beschäftigte
Die Branche beschäftigt laut Economica-Institut rund 305.000 Mitarbeiter und damit um 2,5 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2021. Allerdings ist die Teilzeitquote traditionell hoch und viele Stellen können nicht besetzt werden. Aktuell meldet der Handel 14.600 offene Stellen - ein Plus von 58,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.