Neuer Wohlfühl-Oldtimer-Salon in Wien eröffnet
Oft geht man an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken. Meist stehen sie in Tiefgaragen in unteren Stockwerken oder dunklen Ecken. Vielleicht mag sich manch einer schon gefragt haben, was für ein Auto wohl unter der grauen Plane steckt, das seit Jahren am selben Platz steht und nicht bewegt wird.
Perlen im Staub
In Österreichs Tiefgaragen stehen hunderte, wenn nicht tausende Perlen – Oldtimer, die ungenutzt vor sich hin verstauben. Was der Otto-Normalbenzin-Verbraucher nur flüchtig wahrnimmt, beobachten Oldtimer-Liebhaber mit Wehmut: Nicht „artgerecht“ gelagerte Edelkarossen, die unter den schlechten Umständen leiden und an Wert verlieren.
Clemens Stiegholzer wollte eines Tages nicht mehr zusehen. Der Oldtimer-Liebhaber und Experte für den Aufbau von Reisefahrzeugen aus Wien Meidling hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Ein Oldtimer-Depot, in dem Fahrzeuge ein ideales zu Hause finden.
Auch wenn diese Probleme nicht jeder hat, viele Oldtimer-Besitzer kennen sie: Das gute Stück steht schon länger in der Garage, die Batterie ist leer, das Pickerl abgelaufen oder irgendeine Reparatur längst fällig. Doch es fehlt die Zeit, das Können oder die Muse, und so bleibt das Auto stehen und der nächste Ausflug wird mit dem Alltagsfahrzeug bestritten.
Wohlfühlpaket
Oft haben die Inhaber nicht nur ein, sondern mehrere historische Fahrzeuge, deren Betreuung dann in richtige Arbeit ausartet. Arbeit, die Stiegholzer übernimmt. „Wir bieten eine komplette und werterhaltende Wohlfühlversorgung für klassische Fahrzeuge an“, so der Unternehmer, der sich nach zahlreichen Afrikareisen des Themas Auto angenommen hat.
In der Stachegasse im zwölften Wiener Gemeindebezirk hat er auf dem Gelände einer ehemaligen Lackfabrik ein mehrgeschossiges Gebäude mit Einstellplätzen, Raum für Gastronomie und Büros hochgezogen. Dank einer Lackiererei, einer Werkstatt und einer Fahrzeugaufbereitung spielt dieses „Classic-Depot“ alle Stückerl. Es ist das erste seiner Art in Österreich, in Zusammenarbeit mit Classic Depot in Deutschland.
Für 250 Euro pro Monat kann hier ein Auto auf einer der beiden Ebenen eingestellt werden. UV-sichere Fenster, eine Fußbodenheizung und Staubfilter in den Lüftungsanlagen sorgen dafür, dass Autos bei einer idealen Temperatur von 18 bis 22 Grad und einer optimalen Luftfeuchtigkeit von 45 Prozent sorglos längere Zeit stehen gelassen werden können. Das Batterieaufladen ist inklusive.
Extrawünsche
Wer ein wenig drauflegt, bekommt ein Extraservice. Etwa nach Wunsch von Stiegholzers Mitarbeitern durchgeführte Ausfahren von rund 50 Kilometern pro Monat, um Stehschäden zu vermeiden. „Nach längerer Stehzeit können die Bremsen stecken, die Reifen platt und Lager kaputt werden oder Vergaser und Einspritzanlagen verkleben“, sagt Stiegholzer.
Das alles kostet Geld. „Fahren ist billiger“, grinst der Experte. Ist das Pickerl abgelaufen, genügt ein Anruf. Ist eine Reparatur fällig, ebenso. Müssen seltene Teile besorgt werden, setzt sich Stiegholzer hinter den Computer und sucht sie. Das alles gibt es für eine Pauschale oder übliche Stundensätze.
Kein Millionärsclub
Wer sein Auto nicht „artgerecht“ behandelt, kann dafür teuer bezahlen. Staub und Abdeckplanen werden – wenn sie im Luftzug stehen – geradezu zu Schleifpapier. Zu hohe Luftfeuchtigkeit kann Schimmel und Rost verursachen. Nicht zuletzt können auch Schäden durch Vandalenakte entstehen.
Nicht im Classic-Depot. Das Gebäude ist durch Zugangscodes für die Mieter rund um die Uhr zugänglich, allerdings wird durch Überwachungskameras jeder Schritt aufgezeichnet. Die Autos werden über einen Lift in die Etagen gebracht, gefahren wird im Inneren des Gebäudes nicht, um die Luftqualität zu gewährleisten.
Die Autos werden von Mitarbeitern mit Schleppvorrichtungen vom und zum Lift gebracht. Anders als in ähnlichen Einrichtungen ist diese nicht öffentlich, sprich die guten Stücke können nicht von Besuchern besichtigt werden. Um einen Millionärsclub handelt es sich laut Stiegholzer aber nicht: Vom Normalsterblichen mit durchschnittlicher Brieftasche bis hin zu Managern und Adeligen, sie alle zählen zu seiner Klientel.
Großer Zusammenhalt
„Standesdünkel gibt es in der Oldtimer-Szene keine“, sagt Christian Schamburek, Generalsekretär des Kuratoriums Historische Mobilität Österreich und Wegbegleiter des Depots. Der Zusammenhalt sei groß, Oldtimer würden verbinden. Oft geschehe deren Anschaffung aus emotionalen Gründen, etwa aus Kindheitserinnerungen.
Die Preisentwicklung ist laut Schamburek trotz Corona-Pandemie stabil. In den Jahren davor habe es starke Steigerungen gegeben, vor allem bei den teuersten der teuersten Stücke. Auch Nicht-Oldtimer-Liebhaber hätten Geld in alte Fahrzeuge investiert. Doch diese Rallye sei nun vorbei. Die wahre Rendite eines alten Autos sei aber ohnehin nicht das Geld, sondern: „Das Fahren“, sagt Schamburek.
Zukunftsperspektive
Dass Oldtimer angesichts der Umwelt- und E-Mobilitätsdebatte Auslaufmodelle seien, glaubt er nicht. „Oldtimer gelten in Österreich als Kulturgut“, sagt Schamburek. Historisch angemeldete Fahrzeuge dürfen nur 120 Tage im Jahr gefahren werden, dafür ist nur alle zwei Jahre ein Pickerl fällig.
Ziel sei es, Oldtimer auch weiterhin auf der Straße zu halten. In Zukunft werde es für jede Antriebsart seinen Platz geben, meint Schamburek. E-Mobilität werde sich mehr in urbanen Räumen abspielen und erst ab 2040 oder 2050 einen großen Anteil haben. Für „Chromjuwelen“ sollte aber auch dann noch Platz auf der Straße sein.