Wirtschaft/Karriere

Die Vorlesung aufs Tablet serviert

Alles begann mit einer eMail. Stanford-Professor Sebastian Thrun schrieb an tausend Interessierte, dass er seine Vorlesung „Einführung in die Künstliche Intelligenz“, die er normalerweise nur im Hörsaal vor Studierenden hielt, online anbieten wolle. Kostenlos. 160.000 Menschen meldeten sich zu seinem Onlinekurs an.

Das war der Beginn der MOOCs, der „Massive Open Online Courses“. Mittlerweile führt der Stanford-Professor mit „Udacity“ sein eigenes Unternehmen (siehe Interview unten), das Online-Kurse im Bereich Neue Technologien anbietet. Andere Elite-Universitäten haben es der University of Stanford gleich getan.

Renommierte Professoren halten Kurse über Quantenphysik, Shakespeares Werke (Harvard), Elektrotechnik (MIT) und Philosophie (Yale). Thrun propagierte die MOOCs als revolutionäre Alternative zum Hörsaal. Der Erfolg schien ihm Recht zu geben. Fünf Millionen Menschen nahmen bereits an MOOCs teil.

Im November 2013 erschien eine Studie der University of Pennsylvania, die das Gegenteil beweist: Nur die Hälfte der registrierten MOOC-Teilnehmer sahen sich jemals ein Kurs-Video an. Und nur vier Prozent schlossen die Kurse ab.

Das ist zwar immer noch eine riesige Masse an Menschen. Doch für Sebastian Thrun sind die hohen Abbruchquoten Grund genug, um sein Konzept zu überdenken. Vergangene Woche merkte er im Interview mit dem Tagesspiegel selbstkritisch an, dass das Konzept der MOOCs überarbeitet werden müsse. Die Kurse seien für manche Teilnehmer zu schwer, die Online-Foren würden nicht ausreichen, um die Studierenden beim Lernen zu unterstützen. Bei Udacity hat er inzwischen Mentoren eingesetzt, die die Lernenden betreuen.

Pioniere in Österreich

Just zur selben Zeit, als Thrun seine Erfindung selbstkritisch hinterfragt, starten nun zwei Grazer Universitäten mit den ersten MOOCs Österreichs. Auf iMOOX (www.imoox.at) wird es ab März Onlinekurse geben. Aufwarten können die Grazer mit internationalen Starprofessoren zwar nicht, das Credo bleibt aber: „ Bildung für alle“, sagt Michael Kopp von der Karl-Franzens-Universität Graz, der die Plattform gemeinsam mit Martin Ebner von der TU Graz initiiert hat. Bereits im Wintersemester 2014 hatte Kopp seine Lehrveranstaltung „Lernen im Netz“ für seine Studierenden ausschließlich online angeboten. Ab März soll sie nicht nur für Studierende der Uni Graz als Lehrveranstaltung, sondern auch als offener Kurs für alle Interessierten angeboten werden. Auch ein Mechanik-Kurs startet im März, im Herbst folgen Social Media und Physik. „Es wird Tests geben und eine Teilnahmebestätigung“, so Kopp. Ansprechen will man eine möglichst große Bevölkerungsschicht. Potenzial sieht Kopp bei den Älteren: „Besonders die 40plus-Generation will zeit- und ortsunabhängig lernen.“

Die Plattform iMOOX soll künftig möglichst viele Kurse in verschiedenen Fachgebieten offerieren. Dafür suchen Kopp und Ebner noch Kooperationspartner: „Alle österreichischen Hochschulen sind eingeladen, selbst MOOCs bei uns einzustellen“, sagt Kopp.

Sebastian Thrun ist Erfinder der „Massive Open Online Courses“. Der Deutsche lehrt als Professor für Computerwissenschaften an der Uni Stanford, ist CEO der MOOC-Firma Udacity, Experte für Künstliche Intelligenz und Gründer des Google X Lab.

KURIER: Die Abbruchquote bei MOOCs liegt bei über 90 Prozent. Ist die Idee, Bildung kostenlos für alle anzubieten, gescheitert?

Sebastian Thrun: Nein. Wir haben rund zwei Millionen Studenten, die von Udacity’s kostenfreien Angeboten profitieren.

Laut Kritiker Rolf Schulmeister ist der MOOC-Professor gerade das, was Sie am Hochschulbetrieb kritisieren würden: ein auf die Masse ausgerichteter Frontalvortragender ohne individuelle Betreuung.

Mir werden immer wieder Worte in den Mund gelegt. Das Interesse für MOOCs spricht für sich. Sie passen sich an den Studenten an und geben ihm Flexibilität. Unsere Mentoren betreuen die Studenten individuell.

Diese Betreuung ist kostenpflichtig. Das konterkariert doch Ihre Idee der freien, offenen Bildung.

Wir bieten beides an. Die Mentoren können wir nicht kostenfrei anbieten – sonst wären wir sehr schnell pleite. Aber die Studenten lernen deutlich besser und haben auch mehr Spaß, wenn sie betreut werden.

Was wollen Sie verbessern?

Wir arbeiten mit führenden Arbeitgebern zusammen, Studieninhalte anzubieten, die direkt zu Jobs führen. Das ist eine große Herausforderung. Unsere Kurse sind super aktuell und bringen Dinge bei, die man an Universitäten noch gar nicht findet. Was die Universitätsrevolution betrifft, sind wir erst am Anfang.

Sie sagten einmal, Bildung wird in 50 Jahren kurz sein wie ein Tweet – also ultraschnelle Konsumware?

Ich glaube, dass Bildung in Zukunft „lebenslang“ sein wird. Daher muss die Grundeinheit schrumpfen – eine Vollausbildung mit Uniabschluss passt dann nicht mehr ins Berufsleben. Bildung wird kürzer werden, aber auch öfter stattfinden – und damit auch länger.

Was raten Sie den Machern von iMOOX in Österreich?

Enthusiasmus, sich nicht von Kritikern runterziehen lassen. Am Ende gewinnen die, die dem Neuen eine Chance geben.