Wirtschaft

Conti-Chef warnt vor Pleitewelle in Autobranche

Der Chef des deutschen Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart, erwartet für den Fall eines anhaltenden Nachfrageeinbruchs wegen der Coronakrise drastische Folgen für die gesamte Autobranche. Die Politik müsse daher gegensteuern.

Schon der schwierige Strukturwandel aus Digitalisierung, E-Mobilität und Assistenzsystemen sei für viele kleine Firmen kaum zu schaffen, sagte der Conti-Vorstandsvorsitzende im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Und weiter: "Obendrauf kommt eine Marktkrise, die so seit 1930 nicht mehr da war. Wenn sich im Sommer keine deutliche Belebung des Marktes in Europa abzeichnet, befürchten wir trotz aller Stützungsmaßnahmen eine Reihe von Konkursen."

Verschärfung des Sparkurses

Bei Continental selbst war in einer internen Videokonferenz jüngst von einer möglichen Verschärfung des Sparkurses die Rede. "Auch bei Continental ist eine Garantie für den Fortbestand mancher Jobs nicht mehr möglich", sagte Degenhart. "Es dürfte dazu kommen, dass wir über Kündigungen verhandeln müssen." Er sorge sich aber auch um andere.

"Viele Unternehmen haben im Vergleich zum gesunkenen Umsatz jetzt zu hohe Kosten. Bei einer nur langsamen Erholung können wir das mit Maßnahmen wie Kurzarbeit nicht aussitzen."

Man tue alles, um Ausgaben "intelligent" zu senken und Stellenstreichungen zu minimieren. Hätten die Maßnahmen keinen Erfolg, könnten zahlreiche Jobs wegfallen - "in Deutschland und Europa sowie in Hochlohnländern rund um die Welt".

Ausbleibende Käufe

Der deutschen Schlüsselbranche machen ausbleibende Autokäufe und Probleme in den Lieferketten zu schaffen. Bei Herstellern stauen sich die Fahrzeuge in den Lagern, bei Zulieferern gehen die Bestellungen in den Keller.

"Das zweite Quartal wird wohl wirtschaftlich das schwierigste der Nachkriegszeit werden", meinte Degenhart mit Blick auf große Lieferanten ganzer Ausstattungssysteme wie Conti.

Auch gesamtwirtschaftlich sei die Lage dramatisch: "Das Ausmaß der Krise ist ungleich höher als das, was wir 2009 durchlebt haben. Das zeigen die Arbeitslosenzahlen in Amerika sowie die Kurzarbeit in Europa."

Konjunkturprogramm

Das bisherige Konjunkturprogramm des deutschen Bundes sieht der Manager mit gemischten Gefühlen. "Dieses 130-Milliarden-Paket beinhaltet eine Vielzahl positiver Elemente für die Gesamtwirtschaft." Die Absenkung der Mehrwertsteuer bis zum Jahresende werde zwar "einen gewissen Effekt" haben.

Aber der Ausschluss moderner Verbrenner aus den Autokaufprämien sei für ihn enttäuschend, so Degenhart: "Man muss sich vergegenwärtigen, dass E- und Hybridautos in Deutschland einen Marktanteil von 8 Prozent haben. Das zeigt, dass die Wirkung begrenzt bleiben wird." Sehr gut seien dagegen die aufgestockte Förderung der Ladeinfrastruktur sowie der Ausbau von Forschung und Entwicklung.

Defibrilator nötig

"Unsere Branche hat in Europa einen Herzstillstand erlitten", betonte Degenhart. "Ein solcher lässt sich nicht mit einer hohen Dosis Vitamin C beheben - es bedarf vielmehr eines Defibrillators." Es hätte kräftigerer Konjunkturimpulse bedurft. "Diese Chance wurde verpasst."

Wichtig sei Unterstützung aus der Politik nun vor allem beim Thema Energiekosten: "Sie bleiben in Deutschland mit am höchsten, die EEG-Umlage könnte 2021 einen erheblichen Sprung machen." Das Finanzierungskonzept der Energiewende müsse auf den Prüfstand.

Tesla nicht vergleichbar

Einen kompletten Wechsel von Verbrennern auf alternative Antriebe hält Degenhart in der Autoindustrie erst bis 2040 für möglich. Die Geschwindigkeit des US-Elektroauto-Pioniers Tesla könne man mit deutschen Anbietern nur schwer vergleichen.

"Das Unternehmen hat nicht dieselbe Produktbasis wie ein traditioneller Hersteller mit einem Volumen von fünf bis zehn Millionen Fahrzeugen pro Jahr, die transformiert werden müssen. Der Ansatz war der einer Neugründung auf der grünen Wiese und Nischenproduktion." Besonders wertvoll sei Tesla wegen seiner Kompetenz bei Elektronik, Programmierung und Vernetzung.