"Blutgeld" für Putin: Diese deutschen Firmen sind in Russland aktiv
Vergangene Woche hat der EU-Vertreter in Wien, Martin Selmayr, einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Der streitbare Jurist und Diplomat aus deutschen Gefilden hatte die Zahlungen Österreichs für die Gas-Importe als „Blutgeld“ bezeichnet.
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Neben der politischen Debatte befeuerte das einmal mehr die Frage, welche Unternehmen aus Westeuropa nach wie vor Geschäfte mit Russland machen.
Aktuell sticht hier eine Reportage des deutschen Südwestrundfunks SWR ins Auge: Wer etwa in russischen Elektromarkt-Ketten einkaufen gehe, würde dort ein überraschend großes Angebot an deutschen Produkten finden.
Reichhaltiges Angebot
Ob Kühlschränke, Staubsauger, Elektroherde oder Mikrowellen der Firma Bosch, die russischen Verbraucher könnten aus einer breiten Palette auswählen - und das zu handelsüblichen Preisen. So jedenfalls lautet das Ergebnis einer Recherche, die der SWR gemeinsam mit russischen Kollegen vor Ort durchgeführt hat.
Auch in Supermärkten, Fachgeschäften und Autohäusern gibt es demnach Produkte "Made in Germany". Die Regale seien voller Produkte aus Deutschland - ob deutsches Bier, Gummibärchen oder Schokolade. So können russische Kunden unter anderem auf ein großes Sortiment der Marke Ritter Sport zurückgreifen.
Gewinne "gespendet"
Der Schokoladen-Hersteller aus dem baden-württembergischen Waldenbuch steht zu seinem Russland-Geschäft. Man sei der Ansicht, "dass eine Einstellung von Lieferungen für die Bevölkerung von Russland letztlich nicht diejenigen treffen würde, die für diesen verheerenden Krieg verantwortlich sind beziehungsweise ihn führen". Die Gewinne aus dem Russland-Geschäft spende man an Hilfsorganisationen.
Auch die deutschen Unternehmen Stihl (unter anderem Hersteller von Kettensägen) und Kärcher sind nach wie vor in Russland aktiv. So haben Testkäufer in mehreren Geschäften in Moskau verdeckte Aufnahmen gemacht. Egal ob Kettensägen oder Hochdruckreiniger, das Angebot "Made in Germany" ist groß.
Kein Totalembargo
Dazu muss man freilich wissen, dass es kein Totalembargo gibt. Güterlieferungen nach Russland, die nicht explizit verboten sind, sind weiterhin erlaubt. Elektronische Artikel für den "häuslichen Gebrauch" sind zum Beispiel erst ab einem Wert von 750 Euro verboten.
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Und was sagen die Unternehmen, die nach Kriegsausbruch ja mehrfach angekündigt haben, sich aus Russland zurückzuziehen?
Bosch behauptet, dass nur noch "Restbestände aus Lagern vor Ort verkauft" würden. Die Firma Stihl teilt dem SWR mit, man liefere seit März 2022 keine Geräte mehr nach Russland: "Geräte, die heute am russischen Markt noch verfügbar sind, stammen noch aus Lieferungen, die vor Kriegsbeginn bezogen wurden. Leider haben wir auf den Verkauf dieser Ware keinen Einfluss." Die Firma Kärcher sagt nichts.
"Keine Neuwagen mehr"
Porsche sagt, dass man keine Neuwagen mehr nach Russland liefere. Doch die Testkäufer, die im Auftrag des SWR Moskauer Porsche-Filialen besucht haben, bekamen dort Listen mit Neuwagen vorgelegt, die man sofort erwerben konnte.
Auch Autohäuser, in denen VW, BMW und Mercedes Benz verkauft werden, haben ganz normal geöffnet. Auf Anfrage teilen die deutschen Autohersteller mit, dass sie sich an die Sanktionen halten und keine Fahrzeuge mehr nach Russland liefern würden.
Die Moskauer Filialen würden mittlerweile rechtlich zu russischen Unternehmen gehören, so Volkswagen. Zudem gebe es sogenannte "Parallelimporte" von deutschen Autos nach Russland über "nicht autorisierte" Zwischenhändler, erklärten Mercedes Benz und BMW. Aber diese "liegen nicht in unserem Einflussbereich".
Deutsche Steuergelder für Putin
Zu dem Bericht des SWR passt eine Analyse der Kiew School of Economics vor drei Monaten. Nun muss man bei Angaben aus der Ukraine genau wie aus Russland in diesen Zeiten vorsichtig sein, doch die Auswertung des Forschungsinstituts in Kiew wurde vielfach international zitiert.
Hauptaussage: Trotz des Kriegs gegen die Ukraine erwirtschaften deutsche Unternehmen in Russland immer noch Milliardenumsätze. Danach belief sich die Gewinnsteuer der 262 deutschen Betriebe in Russland, die im Land entrichtet wurde, im vergangenen Jahr auf 402 Millionen Dollar.
Der Umsatz der deutschen Firmen im Land lag 2022 bei insgesamt 23,2 Milliarden Dollar. Den Angaben zufolge handelt sich um legale Geschäfte, die nicht von den westlichen Sanktionen gegen Russland betroffen sind.
USA Nummer eins
Nur US-Firmen spielten unter den ausländischen Unternehmen eine noch größere Rolle als die deutschen: Sie sorgten für Umsätze von 40 Milliarden Dollar und entrichteten eine Gewinnsteuer von 712 Millionen Dollar.
Die Präsenz der deutschen Unternehmen in Russland hat zwar nach dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine abgenommen. Laut der Untersuchung sind aber rund zwei Drittel der vor dem Krieg tätigen deutschen Unternehmen noch immer in dem Land aktiv.
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Größte Steuerzahler unter den deutschen Unternehmen ist den Angaben zufolge der Handelskonzern Metro, der im vergangenen Jahr rund 3,4 Milliarden Dollar an Erlösen in Russland erwirtschaftete. Gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung bekräftigte das Unternehmen, seine Geschäfte entsprächen "vollumfänglich den Erfordernissen der EU-Sanktionen". Metro will an seiner Präsenz in dem Land festhalten.
Was wohl Martin Selmayr dazu sagen würde.
Quellen: Deutscher Südwestrundfunk, Berichte aus Handelsblatt, ZDF, WELT, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ARD