Wirtschaft

Trump setzt Europa das Messer an

Ohne Plan, aber wild entschlossen - das scheint immer mehr die Devise von US-Präsident Donald Trump, dem selbst ernannten "Tariff guy" (Freund der Zölle). Die Erleichterung an den Finanzmärkten war wohl verfrüht.

Als am Mittwochabend die Meldung die Runde machte, dass der US-Präsident die angedrohten Strafzölle für Autoimporte sechs Monate aussetzen würde, reagierten die Aktienkurse an den US-Börsen mit einem spontanen Kurssprung und einer kleinen „Erleichterungsrally“. Die Entscheidung ist diesen Freitag, 17. Mai, fällig.

Die Freude war allerdings voreilig. Denn in Wahrheit hat sich die Bedrohungslage verschärft, eine Eskalation des Handelsstreites ist damit programmiert. Trumps Verschiebung ist nämlich an nahezu unerfüllbare Bedingungen geknüpft.

Weniger Autos in die USA

Sollten die EU und Japan nicht binnen 180 Tagen ein Handelsabkommen mit den USA schließen oder selbständig ihre Autoexporte in die USA begrenzen, dann würden die Strafzölle eingeführt.

Das passiert – wie schon bei Stahl und Alu oder den jüngsten Maßregelungen des chinesischen Telekomkonzerns Huawei  - mit der recht hanebüchenen Begründung, dass die europäischen und japanischen Autos die „nationale Sicherheit“ der USA bedrohen würden.

Obendrein würde die Fähigkeit der US-Autobauer untergraben, beim Technologiewandel mitzuhalten.

Die Aussichten auf eine friedliche Beilegung des Streits, zumindest ohne große Kollateralschäden, sind gering. In nur sechs Monaten lässt sich unmöglich ein umfassendes Handelsabkommen aushandeln.

Schon gar nicht vor dem Hintergrund der europäischen Parlamentswahlen Ende Mai – es ist sogar fraglich, ob es in sechs Monaten überhaupt eine handlungsfähige EU-Kommission gibt.

USA drehen sich

Zudem ist seit dem Juncker-Trump-Handschlag vom 25. Juli 2018 weit mehr Zeit verstrichen, praktisch ergebnislos – außer, dass Europa den USA mehr von jenen Soja-Überkapazitäten abkauft, die sie wegen ihres eigenen Handelsstreites in China nicht mehr an den Mann bringen.

Der Hauptgrund, dass nichts weitergeht, ist aus EU-Sicht freilich, dass die USA nicht wissen, was sie wollen und ständig neue Forderungen stellen.

Aberwitzig ist die Drohung gegen Japan und die EU noch aus einem anderen Grund: Die USA haben de facto mehr zu verlieren als zu gewinnen.

 „Japans Autobauer sind für ein Drittel aller in den USA produzierten Autos verantwortlich“, betonte Manny Manriquez, Chef des Verbandes der Japanischen Autobauer (JAMA), in einer Twitter-Botschaft. Die asiatischen Hersteller auf US-Boden würden klarerweise einen großen Anteil von Teilen US-amerikanischer Zulieferer verbauen.

Jene Zahl der aus Japan importierten Fahrzeuge, die Trump so ein Dorn im Auge sind, sei hingegen um mehr als die Hälfte geringer. Und: Diese Fahrzeuge dienten lediglich dazu, die Auswahl der Modelle für US-Verbraucher zu erweitern.

Verwirrend verflochten

Und auch die europäischen Autobauer setzen in den USA Maßstäbe. Just der deutsche Hersteller BMW hat im Vorjahr Autos aus den USA (!) im Wert von 8,4 Milliarden Dollar exportiert und war damit zum fünften Mal in Folge der größte US-Fahrzeug-Exporteur. 

Das Unternehmen hat im Vorjahr 234.689 BMW-X3 und X5-SUV-Modelle aus seinem US-amerikanischen Werk Spartanburg in South Carolina ausgeführt. Damit leiste man einen wesentlichen Beitrag zum Abbau des US-Handelsbilanzdefizits, betonte BMW-US-CEO Knudt Flor.

Auch Mercedes und Volkswagen haben große Produktionsstandorte in den USA – in Alabama und in Chattanooga, Tennessee.

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Schaden für US-Industrie

Wenn Trump mit seinen 25 Prozent Zollaufschlägen Ernst macht (bisweilen war sogar von 35 Prozent die Rede), dann würde das nicht nur die US-Konsumenten treffen, sondern es würden auch die aus Europa kommende, aber in den USA verbaute Autoteile dadurch teurer.

Experten gehen davon aus, dass die Autobauer dann ihre Präsenz vor Ort verringern und Jobs in den USA ab- statt ausbauen – um die Kosten zu verringern oder die Zölle zu vermeiden.

Denn was noch erschwerend hinzukommt: „Die deutschen Hersteller exportieren von ihren großen Werken in Amerika aus nach China“, sagt Nikolaus Lang, Autoexperte bei Boston Consulting in München: „Zölle von Peking auf US-Ausfuhren würden so auch die deutschen Konzerne treffen.“

Aus Europa: 34 Milliarden Dollar

Laut BCG sind die Importe von europäischen Pkw in die USA 2018 auf den Wert von 34 Milliarden Dollar gestiegen. Das war fast doppelt so viel wie 2013 (18 Mrd. Dollar). Deutschland hatte daran einen Anteil von fast 45 Prozent mit 15 Milliarden Dollar.

Das Problem ist, dass die US-Hersteller wie GM und Ford im Gegenzug wenige attraktive Modelle für den europäischen Markt produzieren, was für ein Ungleichgewicht in der Bilanz sorgt.

Die Deutschen hätten sich auf teure SUV spezialisiert, die Amerikaner bedienen das günstigere Mittelklasse-Segment. Deshalb lasse sich das Defizit nicht so leicht ausbalancieren.

Gutes Wachstum

Trump ist hingegen überzeugt davon, dass seine Zollpolitik dafür verantwortlich ist, dass die US-Wirtschaft im ersten Quartal ein kräftiges Wachstum aufwies.

Ökonomen widersprechen: Ja, die Importe seien tatsächlich zurückgegangen. Das liege aber hauptsächlich daran, dass die US-Unternehmen Ende 2018 als Vorbereitung auf die China-Zölle ihre Warenlager bis obenhin angefüllt hatten und diese nun sukzessive leeren.

Die Kosten für den Handelsstreit haben unterdessen vor allem die US-Konsumenten zu begleichen. Nach Berechnung von Gary Clyde Hufbauer, dem Doyen der Handelsökonomen, würde es jeden US-Haushalt im Durchschnitt 2.000 Dollar kosten, falls Trump mit der Drohung war macht, ausnahmslos alle chinesischen Importe mit Strafzöllen zu belegen.

Japaner kennen das

Alles schon einmal da gewesen: Sogenannte "freiwillige Einfuhrbeschränkungen" sind für die japanische Autoindustrie nicht neu.

Als die Hersteller wie Honda und Toyota ab Ende der 1980er-Jahre begannen, immer bessere, billigere und wettbewerbsfähigere Fahrzeuge herzustellen und in den USA damit große Absatzerfolge erzielten, drohten die USA ebenfalls mit Konsequenzen. Es sei denn, sie würden von sich aus die Ausfuhren drosseln.

Das hat weder dem Aufstieg der Japaner großen Schaden zugefügt, noch hat es die US-Hersteller zu mehr Effizienz angespornt. Aber eines steht außer Frage: Einige Honda und Toyota-Modelle, die in den USA zu den Bestsellern zählen, haben einen größeren Anteil an US-produzierten Vorleistungen und Autoteilen verbaut, als die meisten Ford- und GM-Modelle.

Asiaten zu 75 Prozent "Made in USA"

Laut dem Kogod-Made-in-America-Index 2018 steckt der größte Wertschöpfungsanteil aus den USA und Kanada im Dodge Grand Caravan, einem Modell von Fiat Chrysler mit 76 Prozent. Gleich dahinter folgen aber zwei "Japaner", der Honda Ridgeline und Honda Odyssey EX-L mit je 75 Prozent US-Anteil.