ÖSV-Star Kramer: "Ich will die beste Skispringerin der Welt werden"
Von Christoph Geiler
Es war eine Frage ihres Trainers, die Sara Marita Kramer die Antwort auf ihre Zweifel gab. Im Frühjahr 2019 wollte sie reinen Schanzentisch machen und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, die Skisprung-Karriere mit 17 zu beenden, aber die Frage von Philipp Amon brachte die Salzburgerin ins Grübeln.
Brennt noch ein Feuer?
„Dann habe ich einmal zu überlegen begonnen und gemerkt: Eigentlich ist schon noch was da. Und dass es doch schade wäre, wenn ich hinschmeiße. Denn ich kann ja skispringen“, erzählt die Salzburgerin.
Heute ist Sara Marita Kramer froh darüber, dass sie damals nicht auf ihr Bauchgefühl vertraut, sondern auf ihren Trainer und ihren Kopf gehört hat. Sie hätte sonst einiges verpasst: neun Weltcupsiege, einen WM-Titel mit der ÖSV-Frauenmannschaft, den größten Vorsprung in der Geschichte dieses Sports (41,7 Punkte), den sie erst am Freitag bei ihrem Auftakterfolg in Nischnij Tagil (RUS) herausgesprungen war. „Heute weiß ich: Das war damals im Frühjahr 2019 der wichtigste Punkt in meiner Karriere.“
Körperliche Vorteile
Von diesem Zeitpunkt ging’s in ihrer Laufbahn steil bergauf, und nicht wenige Experten sehen in der 20-Jährigen jene Frau, die es zu schlagen gilt und die diesen Sport in den nächsten Jahren prägen wird. Daran ändert auch der vierte Platz nach „zwei schlechten Sprüngen“ im zweiten Wettkampf in Russland nichts, nach dem Kramer die Weltcup-Führung wieder abgeben musste.
„Die Sara bringt für das Skispringen die perfekten körperlichen Voraussetzungen mit“, sagt Mario Stecher, der Nordische Direktor beim ÖSV. Kramer hebt sich von der Masse der Skispringerinnen ab – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit einer Größe von 171 Zentimetern überragt sie die zierlichen und kleinen Kolleginnen um einen Kopf. „Sie hat ganz andere Hebel“, weiß ÖSV-Cheftrainer Harald Rodlauer.
Stehvermögen
Zu den körperlichen Vorzügen kommt die mentale Stärke der Pinzgauerin. Tiefschläge scheinen die 20-Jährige nicht umhauen zu können, und mögen sie noch so heftig sein. Allein was Sara Kramer alles in der vergangenen Saison widerfahren ist:
Da war einmal eine Disqualifikation beim Heimweltcup in Hinzenbach wegen eines Anzugvergehens; da durfte sie bei den beiden Springen in Rasnov nicht starten, weil die rumänischen Behörden ihren PCR-Corona-Test für ungültig erklärten; und dann gab es da vor allem die Vorkommnisse bei der WM in Oberstdorf, als die Jury aus heiterem Himmel vor Sara Kramer den Anlauf verkürzte und die österreichische Halbzeitführende aus den Medaillenrängen rutschte. „Was ich erlebt habe, erleben manche in zehn Jahren nicht“, sagt die 20-Jährige.
Andere wären vielleicht daran zerbrochen und hätten mit dem Schicksal und dem Schanzengott gehadert. Aber Sara Kramer ließ sich von all dem Gegenwind nicht vom Kurs abbringen und präsentierte sich danach nur noch stärker, wie ihre Siegesserie bei den letzten vier Saisonbewerben zeigte, mit der sie um ein Haar noch den Gesamtweltcup gewonnen hätte. „Ich habe nie aufgegeben und gesehen, dass ich sehr stark bin.“
Perspektiven
Mit dieser Gewissheit steuert die gebürtige Niederländerin hohe Ziele an. „Ich will die beste Skispringerin der Welt werden. Und ich möchte das Damenskispringen pushen“, verkündet Kramer.
Die 20-Jährige begrüßt, dass in dieser Saison deutlich mehr Wettkämpfe stattfinden als im vergangenen Winter, sie sieht aber immer noch viel Luft nach oben. „Mehr Bewerbe auf Großschanzen, eine eigene Tournee, mehr Preisgeld“, zählt Kramer auf, „das würde unseren Sport für die Menschen noch viel interessanter machen.“
Von einer anderen Idee, die manche Springerinnen verfolgen, hält sie weniger: Kramer fliegt nicht wirklich auf das Skifliegen. „Viele werden mich jetzt vielleicht für diese Aussage hassen: Aber Skifliegen wäre im Moment noch zu früh und nicht der richtige Schritt. Davor muss erst einmal die Leistungsdichte in unserem Sport größer werden.“