Nadal vs. Kyrgios: Das Halbfinale der Gegensätze wackelt
Im Duell der Gegensätze zwischen Rafael Nadal und Nick Kyrgios hat es in der Vergangenheit schon reichlich böse Worte gegeben. Der unermüdliche Spanier wird vor der Neuauflage am Freitag im Wimbledon-Halbfinale von einer schmerzhaften Bauchblessur gequält. Der Australier spuckte vor seinem ersten Major-Halbfinale gewohnt große Töne. Der topgesetzte Novak Djokovic bekommt es auf dem Weg zu seinem 21. Major-Titel mit Lokalmatador Cameron Norrie zu tun.
"Die Partie würde jedem auf der Welt das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Das wird wahrscheinlich das am meisten gesehene Match aller Zeiten", schwärmte der umstrittene Kyrgios noch bevor sich Nadal ins Halbfinale gequält hatte.
Ob es aber überhaupt zum Duell mit Kyrgios kommt, ließ Nadal nach seinem Fünf-Satz-Drama gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz offen. Nur mit entzündungshemmenden Medikamenten und Schmerzmitteln hielt der 36-jährige Spanier durch und jubelte nach 4:21 Stunden. Die spanische Presse verneigte sich angesichts der neuerlichen Energieleistung. "Brutal" und "Nadal übermenschlich", titelte die Sportzeitung "Mundo Deportivo".
Nadal stand auf dem Platz
Während der Partie hatten ihm sein Vater und seine Schwester bereits gestenreich von der Tribüne bedeutet, doch endlich aufzugeben. "Das ist etwas, was ich hasse. Deshalb habe ich versucht, weiterzumachen", sagte Nadal und kündigte weitere Untersuchungen vor einer Entscheidung über einen weiteren Auftritt an: "Es gibt etwas Wichtigeres als Wimbledon zu gewinnen, das ist die Gesundheit. Lasst uns sehen, wie es sich entwickelt." Am frühen Donnerstagnachmittag stand Nadal jedenfalls auf dem Platz und trainierte.
Doch mit dem Traum-Finale gegen Titelverteidiger Djokovic vor Augen und der Chance auf den ersten Grand Slam im Herren-Tennis seit 53 Jahren ist ein Verzicht Nadals kaum vorstellbar. Zu viel hat der Mallorquiner unternommen, um auch trotz chronischer Fußschmerzen bereits die Australian Open und French Open zu gewinnen. Es fehlen noch zwei Partien in Wimbledon und ein Triumph bei den US Open, um wie zuletzt Rod Laver 1969 alle vier großen Titel des Jahres zu holen.
Bad-Boy-Image
Während Nadal in seiner Karriere bereits 22 Grand-Slam-Turniersiege gefeiert hat, steht Kyrgios das erste Mal überhaupt unter den Top Vier. Nachdem der streitbare Australier mit dem Bad-Boy-Image auch in Wimbledon schon wieder mit wüsten Schiedsrichterbeschimpfungen für Aufsehen gesorgt hatte, zeigte er in Achtel- und Viertelfinale ungewohnt konzentrierte Auftritte.
Minutenlang saß Kyrgios nach dem glatten Drei-Satz-Erfolg gegen den Chilenen Cristian Garin auf seinem Stuhl und schaute ins Nichts. "Es gab einen Punkt, an dem ich beinahe fertig war mit dem Sport", erinnerte er sich in diesem Moment an dunkle Zeiten. "Ich habe dieses Jahr ja über meinen mentalen Zustand 2019 bei den Australian Open mit Selbstverletzungen und Gedanken an Selbstmord geschrieben." Dass für ihn Anfang August in Australien ein Gerichtstermin ansteht, ließ er auf Anraten seiner Anwälte unkommentiert.
Lieber sprach Kyrgios über die große sportliche Rivalität mit Nadal. Jeweils ein direktes Duell haben beide in Wimbledon bereits für sich entschieden. In der Vergangenheit ging es dabei nicht nur auf dem Platz zur Sache. "Ihm fehlt es an Respekt für die Zuschauer, seinen Gegner und sich selbst", sagte Nadal vor mehr als drei Jahren.
Sein Onkel Toni legte nach, Kyrgios mangle es an Ausbildung und Klugheit - der Australier antwortete damals, Nadal sei nur verbittert. Zumindest vor der Partie hört sich das nun anders an. "Wir sind zwei komplett verschiedene Persönlichkeiten", sagte Kyrgios. "Ich denke, dass wir uns höllisch respektieren."