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Peter Stöger: "Das Trainer-Geschäft wird zum Wochenjob"

Noch ist er entspannt und ruhig. Peter Stöger weiß, dass er spätestens im Sommer eine Entscheidung treffen wird, was seine weitere berufliche Laufbahn betrifft. In den vergangenen Tagen war der 53-Jährige beim Hamburger SV als möglicher Trainer im Gespräch, Gerüchte pflegt er in Zeiten wie diesen nicht zu kommentieren. Einen direkten Kontakt zum HSV habe es bis dato noch nicht gegeben. Aber vielleicht läutet bald sein Telefon, wenn er im 23. Wiener Gemeindebezirk in seinem kleinen Haus am Badesee sitzt.

KURIER: Welche Optionen haben Sie aktuell?

Peter Stöger: Ich versuche, die Dinge, die da hereinkommen, einzuordnen. Passt es emotional und sportlich? Ich will nicht überheblich klingen, weil es viele gute Kollegen gibt, die solche Angebote sofort und gerne annehmen würden. Manchmal kannst du entscheiden, manchmal entscheiden die Vereine für dich. So ist das Geschäft. Ich überlege: Kannst du das umsetzen, was die Leute von dir erwarten? Wichtig ist: Ich will eine spannende Aufgabe.

Konkretes gibt es nicht?

Es ist nicht so, dass jetzt jede Woche etwas Interessantes hereinschneit. Es hat schon andere Zeiten gegeben, da habe ich das Handy geschüttelt, in der Hoffnung, dass sich wer meldet. Zeitlich geht es in Richtung Sommer, da soll eine definitive Entscheidung fallen.

Noch konkreter: Wie viele Kontakte gab es seit Dortmund?

Ich habe sie nicht gezählt. Es war gemischt, nicht nur aus Deutschland, sondern auch Exotisches, das wirtschaftlich top gewesen wäre.

China zum Beispiel ...

Ja, und auch Offerte aus dem arabischen Raum. Das war für mich aus privater Sicht derzeit nicht stimmig. Mir hat es gutgetan, einen Schritt rauszumachen und mir den ganzen Wahnsinn von außen anzusehen.

Welche Erkenntnisse gab es mit dem Blick auf den Wahnsinn?

Das Trainergeschäft wird irgendwann ein Wochenjob. Die Zeitspanne wird immer kürzer. Jede Woche wirst du bewertet. Aber das weißt du als Trainer mittlerweile auch.

Ist das nicht widersinnig, wenn Vereine stets behaupten, etwas aufbauen zu wollen?

Das geht. Mit mehreren Trainern eben. Vereine haben eine Philosophie, doch als Trainer darfst du nicht glauben, dass du in der Kontinuität eingeplant bist. Kannst du das nicht einordnen, bist du permanent gekränkt.

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Muss man als Trainer aufpassen, nicht körperlich oder seelisch krank zu werden?

Negative Kritik wird nie Routine, weil sie immer neue Auswüchse hat. Ich habe die Gabe, ab und zu abschalten zu können, dafür muss ich jetzt nicht zwei Stunden joggen gehen. Die Erwartungshaltung ist stets zu erfüllen. Entweder musst du mit einem Verein unten rauskommen, oder – wenn du oben bist – sie wollen ganz rauf. Nur ein paar Prozent befinden sich in der Mitte.

Was unterscheidet Sie vom Peter Stöger vor vielen Jahren?

Die Dimensionen sind größer geworden. Prinzipiell hat mich der Druck schon als Spieler begleitet. Bei Austria und Rapid habe ich immer um den Titel spielen müssen, mit dem FavAC gegen den Abstieg, mit der Vienna um einen Europacup-Startplatz, mit der Admira gegen den Abstieg, mit dem LASK hätten wir auch um den Titel spielen sollen. Ich kenne es nicht anders. Geändert hat sich nur der Zeitgeist: Alles, was von außen kommt, wird kompakter und schärfer.

Was wurde schärfer?

Der Ton. Das wird sich nicht mehr ändern. In Social Media ist alles anonymer, schnell draußen, geschrieben und nicht gesprochen. Es ist ein Unterschied, ob ich Kritik unter vier Augen übe oder ins Internet tippe mit einem Smiley oder einem anderen Emoji. Und aus diesen Foren verarbeiten Medien viele Dinge und verwerten sie als Informationen.

Stört Sie diese Entwicklung?

Das ist der Zeitgeist. Es gibt ja auch positive Seiten im privaten Bereich. Leute vernetzen sich, die sonst nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten. Wenn wir vom Sport reden, da meldet sich kaum jemand zu Wort, der im Graubereich unterwegs ist. Es geht meistens um Emotionen. Und manchmal denke ich mir schon, dass die Journalisten gar nicht so arg sind (lacht). Du musst das alles richtig einordnen können.

Fühlen Sie sich geehrt, dass sich beide Wiener Klubs für Sie interessierten?

Ja. Es hat Kontakte gegeben. Meine Entscheidung muss gut durchdacht sein, ich muss mich wohl fühlen. Daher nehme ich mir Zeit. Auch wenn manche Leute meinen, jetzt müsste der Stöger doch bald was machen. Ich bin jetzt entspannter.

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Was bedeutet das für Ihren Tagesablauf?

Es hat was, schlafen zu gehen, ohne einen Wecker stellen zu müssen. Und am Morgen schaut man, wie das Wetter wird und gestaltet dementsprechend den Tag. Das ist Luxus. Den hatte ich lange Zeit nicht. Ich versuche, für mein engstes Umfeld mehr da zu sein und Dinge zu machen, wie Einkaufen zu gehen und Ähnliches. Ich will was zurückgeben, weil zuvor der familiäre Laden ohne mich gelaufen ist. Im letzten Winter waren wir 25 Tage Skifahren. Sogar so ein fauler Sack und älterer Herr wie ich lernt da etwas dazu.

Wo bleibt dabei der Fußball?

Der ist immer dabei. Mit einem Freund war ich das eine oder andere Mal in London, Chelsea gegen Arsenal haben wir uns zum Beispiel angesehen. Ich war auch in Dortmund, weil mich Hans-Joachim Watzke eingeladen hat. Ich habe viel Fußball vor dem Fernseher konsumiert, mehrheitlich schon als Fan.

Und haben sich dabei Notizen gemacht?

Nein. Jene Dinge, die mir auffallen, merke ich mir. Ich war selten in Stadien. Denn in den wenigsten Spielen sind die zwei beteiligten Trainer unumstritten. Sitzt du auf der Tribüne, sagt man, ich mache mich wichtig. Ich hätte mir gerne Rapid und Austria angesehen. Das kann heikel sein, also habe ich mich bewusst rausgenommen. Länderspiele lasse ich mir aber nicht nehmen.

Was ist Ihnen in letzter Zeit noch so aufgefallen?

Erstaunlich, was am Wienerberg derzeit gebaut wird. Und erfreulich ist, dass in Wien zwei super Stadien entstanden sind. Rapid und Austria haben es tatsächlich überlebt, im Happel-Stadion spielen zu müssen. Ansonsten ist Wien, wenn man zurückkommt, eine entspannte, sehr lebenswerte Stadt.

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Gäbe es eine Stadt, die Sie beruflich anziehen würde?

Köln war eine ganz spezielle Stadt. Vom Flair, vom Lebensgefühl. Es gibt aber auch in Deutschland andere schöne Städte wie Hamburg oder Berlin. Sonst bin ich für ein Abenteuer wie im arabische Raum, China oder den USA offen. Wenn alles passt. Vor allem auch privat.

Wie ausschlaggebend sind dabei gesellschaftliche und politische Verhältnisse?

Man versucht grundsätzlich, Sport und Politik zu trennen. Jeder muss für sich bewerten, was geht und was nicht. Ich habe keine Vorurteile, ich wohne seit jeher in Wien-Favoriten. Ich verstehe es, mit allen Kulturen, Religionen und Hautfarben zusammenzuleben. Und ich mag das richtig gern.

Sie haben ja die alleinige Entscheidungsfreiheit, wohin Sie gehen und wohin nicht.

Absolut. Ich muss auch nicht in Favoriten leben, ich könnte mich auch auf eine Alm zurückziehen ohne Handy, Journalisten und Fake News. So schön Familien sind, aber es ist auch leichter, wenn – wie bei uns – keine Kinder da sind.

Sie sind nun vermehrt – vor allem in Österreich – auch als Sportdirektor im Gespräch. Ist Ihnen das lieber, weil das Trainerdasein so stressig ist?

Ich habe den Job des Sportdirektors ja schon gemacht. Es ist ein Irrglaube, dass es für einen Sportdirektor weniger stressig ist.

Hätten Sie ab und zu gerne einen Beruf abseits des Fußballs?

Nicht wirklich. Es geht um Ergebnisse, aber mich fasziniert der Weg, diese zu erreichen. Durch tägliche Arbeit mit vielen Menschen. Ein Job ist für mich generell nur interessant, wenn ich es mit Menschen zu tun habe. Ein Internet-Forum könnte ich nicht betreuen. Ich brauche schon ein Gegenüber, um mich auszutauschen. Das Fundament muss man aber immer mitbringen. So finde ich es ja lustig, wenn man nur von einem Trainer als Taktik-Fuchs spricht. Es geht doch auch um Empathie. Das wird immer zweigleisig gesehen, gehört aber zusammen, wenn man in einer großen Gruppe arbeitet.

Sie halten doch Vorträge, auch für Wirtschaftstreibende?

Die Wirtschaft kann vom Sport etwas lernen, und umgekehrt gilt das genauso. Den Job als Banker kann ich jedenfalls nicht machen. Es gibt ja keinen Schalter mehr. Und sonst musst du jetzt schon überall eine Nummer ziehen – und wirst dabei selbst zur Nummer.