Geheime Klausel: Wie Rapid um die Joelinton-Millionen umfiel
Von Alexander Huber
Am 7. April 2019 hat Rapid rund vier Millionen Euro an Transfereinnahmen verloren. Warum? Weil sich Ex-Stürmer Joelinton an diesem Tag beim 4:0-Sieg von seinem Verein Hoffenheim gegen Augsburg verletzt hat. Wie das zusammenpasst? Diese Geschichte kann nach einem halben Jahr Recherche hier exklusiv berichtet werden.
Los geht’s am 21. Juni 2016. Bei einem KURIER-Trainingsbesuch fällt ein Stürmer auf, der zwar öfters danebenschießt, aber gleich bei seiner ersten Einheit mit Technik und körperlicher Stärke überzeugt.
Nachfrage beim damaligen Rapid-Sportdirektor Andreas Müller, der erklärt, dass das Joelinton sei. Ein 19-jähriger Brasilianer, der für zwei Jahre von Hoffenheim ausgeliehen wird. Eine Kaufoption sei „leider nicht möglich. So ein Spieler ist für uns nicht fix zu verpflichten“.
12-Millionen-Klausel
Joelinton startet stark, erzielt bei der Stadioneröffnung gegen Chelsea (2:0) das erste Tor und trifft beim furiosen Liga-Auftakt gegen Ried (5:0). Überraschend verkündet Müller später, dass es „ein Kommunikationsproblem“ gegeben habe, natürlich hätte Rapid eine Kaufoption, zu „marktüblichen Konditionen“.
Später wird bestätigt, dass Joelinton mehr kosten würde als der damalige Top-Transfer Beric eingebracht hatte, also mehr als 7,5 Millionen. Tatsächlich hätte das Talent, das Hoffenheim um 2,2 Millionen gekauft hatte, um genau zwölf Millionen gekauft werden können.
Immerhin konnte Müller noch eine bislang geheime Zusatz-Klausel aushandeln: Ein Jahr lang wäre Rapid nach der Leihe mit zehn Prozent an einem möglichen Weiterverkauf von Joelinton beteiligt.
Am liebsten würde „Joe“ nach seinen beiden Jahren ohnehin bleiben: Der lebenslustige Brasilianer fühlt sich in Wien pudelwohl und teilt das auch seinem Besitzer mit. Immer wieder verhandelt Müllers Nachfolger Fredy Bickel, im Gespräch ist eine extrem hohe Transferbeteiligung für Hoffenheim.
Trainer Julian Nagelsmann will den Dauerläufer zumindest im Trainingslager testen und lässt eine Rückkehr im August offen.
Was dann passiert, überrascht alle. „Es war ein Wahnsinn, wie der Joe abgegangen ist. Ein Spieler mit extremer Qualität. Er hat alles, was ein Top-Stürmer braucht“, erzählt Christoph Baumgartner dem KURIER. Der Hoffenheim-Legionär hatte viele Rapid-Spiele verfolgt und meint: „Bei seinen vielen vergebenen Chancen hat Joe oft unglücklich ausgesehen. Bei uns war er vom ersten Tag an überragend. Obwohl der Sprung in die Bundesliga sehr groß ist. Kaum einer hat das so gut gemeistert.“ Die Chance auf eine Rückkehr war damit dahin – und das Thema Joelinton erledigt? Keineswegs.
Rapid hört im Winter von einem Angebot von Paris Saint-Germain. Hoffenheim bestätigt, dass es Interessenten in „zweistelliger Höhe“ gibt. Mindestens 50 Millionen werden gefordert. Sport1 vermeldet, dass Joelinton „nach Saisonende um 60 Millionen zu Newcastle wechselt“. Das wären sechs Millionen Beteiligung für Rapid! Jetzt kommt das große Aber: Die Beteiligung läuft ein Jahr lang, also von 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019.
Frist bis 30. Juni
Bickel wundert sich und verweist darauf, dass Hoffenheim den Transfer „ganz zufällig“ erst am 1. Juli vollziehen könnte – und Rapid leer ausgeht. Also wird wieder verhandelt. Bickel und Sportmanager Stefan Ebner entwickeln ein neues Modell: Verzicht auf die prozentuelle Beteiligung, dafür aber bis zum Transferschluss am 31. August eine niedrigere Fixsumme. Je nach Ablöse zwischen drei bis maximal fünf Millionen. Bei einem 60-Millionen-Transfer würde Rapid mit rund vier Millionen abgefunden werden.
Im Gegenzug muss die TSG den Transfer nicht künstlich hinauszögern und kann früh mit frischem Kapital selbst einkaufen. Hoffenheim stimmt zu! Die Verträge werden aufgesetzt, für Montag, 8. April, wird eine Telefonkonferenz vereinbart, in der alles abgesegnet würde.
Und dann? Verletzt sich Joelinton erstmals schwer. Syndesmose-Anriss, einen Tag vor dem Deal.
Gescheiterter Deal
Die Rapidler ahnen schon, was sie am Telefon hören werden: Hoffenheim sagt die Änderung der Klausel ab. Es gibt keinen Grund mehr für einen flotten Transfer. Auch nach seinem Comeback in den letzten beiden Saisonspielen will Hoffenheim nichts mehr an der Klausel ändern.
Das von Bickel geplante „Abschiedsgeschenk“, mit dem der Kaderumbau finanziert werden hätte können, wird es nicht geben. In diesem Fall hat der Grund für das Scheitern nur vier Buchstaben: Pech.
Wenn Joelinton nach dem 30. Juni wechselt, bleibt Rapid nur noch der FIFA-Solidaritätsmechanismus. Bei 60 Millionen Ablöse wären das 600.000 Euro. Immerhin.