Politik/Inland

ÖVP sagt Ja: "Eine Koalition ist keine Liebesheirat"

Es war eigentlich nur mehr eine Formsache: Bei den Türkisen wurde das Regierungsprogramm von den Parteigremien schnell abgesegnet – nämlich einstimmig. Damit war die vorletzte Hürde für die erste türkis-grüne Koalition genommen.

Die Länderchefs gaben sich vor der Sitzung zuversichtlich, dass die neue Koalition „Wirtschaftswachstum und Umweltschutz“ vereinen werde können. Von schmerzlichen Zugeständnissen an die Grünen wollte niemand in der ÖVP-Führungsriege etwas wissen. „Eine Koalition ist keine Liebesheirat. Da geht es darum, Verantwortung zu übernehmen“, so Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sprach sogar von „Phantomschmerzen“, denn „in vielen Punkten wurde geschafft, was europaweit seinesgleichen sucht“.

Ein leiser Kritikpunkt da oder dort war einzig die sehr lange Verhandlungsdauer. „Es ist nun endlich an der Zeit, die Arbeit wieder in den Mittelpunkt zu stellen“, forderte Mikl-Leitner. Der mächtigen Landeschefin dauert der Stillstand in der Republik schon viel zu lange.

Ähnlich froh über die Einigung zeigte sich auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer, denn „Wirbel gab es im letzten Jahr genug“.

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Burgenland ging leer aus

So wie das Regierungsprogramm wurde auch das neue Ministerteam von Kurz seitens der türkisen Parteigremien ohne Wenn und Aber angenommen. Sechs ÖVP-Frauen werden kommende Woche als Minister in der Hofburg angelobt – der starke feminine Anteil ist ein Novum in der ÖVP. Allerdings: im türkis-grünen Regierungsteam gibt es Vertreter aus allen Bundesländern mit Ausnahme des Burgenlandes.

Personalrochade

Durch den Wechsel von Karl Nehammer ins Innenressort, wo er als Minister das politische Erbe von Herbert Kickl antritt, wurde auch eine Personalrochade in der ÖVP-Parteizentrale notwendig. Und da setzt Kurz einmal mehr auf einen seiner engsten und längsten Vertrauten aus seinem eingeschworenen Team: Der medienscheue Axel Melchior (38) übernimmt diese Rolle. Allerdings wird der vierfache Vater hierfür seine Medienpräsenz gehörig steigern müssen. Bisher gab der Abgeordnete kaum bis keine Interviews.

Melchior gilt als jener in der Lichtenfelsgasse, der den besten Überblick hat, wie es der Partei geht, strukturell wie finanziell, und er soll ein exzellenter Netzwerker sein. Kurz bezeichnete seinen neuen General als „wichtigen Verbinder innerhalb der Volkspartei“.

Auch mehrere Wahlkämpfe hat Melchior für Sebastian Kurz schon gemanagt – etwa als dieser 2013 50.000 Vorzugsstimmen (damals war er noch Integrationsstaatssekretär) gewinnen konnte. Schon in der Jungen VP war er Kurz’ Generalsekretär, später folgte er ihm als Kabinettsmitglied ins Außenministerium und dann weiter als Bundesgeschäftsführer in die Parteizentrale. Melchior wird als Vize die stellvertretende Klubobfrau Gabriela Schwarz zur Seite gestellt. Die ehemalige ORF-Burgenland-Moderatorin gilt als Versöhnungsangebot an das Burgenland, da ja kein Minister aus dem östlichen Bundesland kommt.

Kurz kritisiert VfGH

Bei der Präsentation seines Regierungsteams übte Kurz auch heftige Kritik an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, der die von Türkis-Blau beschlossene Mindestsicherungsreform in den Kernpunkten aufgehoben hatte. „Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Ich finde das schlecht, aber wir leben in einem Rechtsstaat und die Entscheidung ist zu respektieren“, so Kurz.

Nun hätten die Länder wieder die Möglichkeit, die Mindestsicherung selbst zu gestalten. Die von ihm und seinem vorigen Koalitionspartner FPÖ angestrebte Vereinheitlichung werde es in dieser Form nicht geben, sagte Kurz.