Politik/Inland

Meinungsforscher rechnet mit Sieg Van der Bellens im ersten Wahlgang

Meinungsforscher Peter Hajek rechnet aus heutiger Sicht damit, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seinem Wiederantritt gleich im ersten Wahlgang wieder in die Hofburg einzieht. Dass der Amtsinhaber bei der Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober weniger als 50 Prozent (plus eine Stimme) erzielt und damit in einen zweiten Wahlgang muss, hält Hajek für unwahrscheinlich. "Außer Van der Bellen macht einen groben Fehler", sagte der Experte im APA-Interview.

Diese Einschätzung gilt ungeachtet des Rekords an Kandidaten am Stimmzettel bei der 14. Bundespräsidentschaftswahl. Inklusive des Amtsinhabers haben es ja sieben Bewerber auf den Stimmzettel geschafft - so viele wie nie zuvor.

Wenn man davon ausgeht, dass sich die Umfragedaten von Mitte August nicht wesentlich verändert haben, "dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es einen zweiten Wahlgang gibt, sehr gering", sagte Hajek. Damals wies die Erhebung des "Unique Research"-Insituts unter der wissenschaftlichen Leitung Hajeks 66 Prozent für Van der Bellen aus.

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Es sei ein "Gedankenfehler", anzunehmen, dass durch die hohe Zahl an Kandidaten das "Kuchenstück" für Van der Bellen signifikant kleiner wird. Denn einerseits würde ein Teil der Kandidaten - etwa Schuhfabrikant Heinrich Staudinger oder Bierpartei-Gründer Dominik Wlazny (alias "Marco Pogo") - eher Wähler mobilisieren, die ansonsten nicht zur Wahl gegangen wären.

Die anderen Bewerber - von FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz über Ex-FPÖ- und BZÖ-Politiker Gerald Grosz, Rechtsanwalt Tassilo Wallentin bis hin zu MFG-Chef Michael Brunner - seien allesamt im rechten Spektrum zu verorten und würden die Mitte-/Mitte-Links-Wähler des ehemaligen Grünen-Chefs Van der Bellen ohnehin nicht ansprechen. Die vier genannten eher rechten Kandidaten fischen laut Hajek allesamt im ehemaligen Becken von Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer (FPÖ) - das noch dazu gegenüber 2016 aufgrund der allgemeinen Stimmungslage kleiner geworden sei.

Auch geht Hajek nicht davon aus, das Van der Bellen Probleme haben könnte, seine potenziellen Wähler zur Urne zu bringen. Mit Mobilisierungsproblemen rechnet der Experte eher bei den Mitbewerbern. "Van der Bellen hat das Argument: 'Wer mich will, der muss hingehen und mich wählen'." Bei den anderen hingegen laute die Wahlmotivation, dass man mit einer Stimme für die Konkurrenz lediglich eine "geringe Chance" habe, den jeweiligen Kandidaten in die Stichwahl zu bringen. Daher werde es für die sechs Mitbewerber "schwieriger werden, die Mobilisierung aufrecht zu erhalten".

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"Alleine wegen dieser Spielaufstellung liegen die Vorteile eindeutig bei Van der Bellen. Es müsste ein grober Fehler sein, der seine Wähler nachhaltig verunsichert", so Hajek. "Es ist Halbzeit im Match, Van der Bellen führt 3:0 und kontrolliert mittels italienischem Catenaccio das Spiel (Anm.: Fußballtaktik, die ein schnelles Offensivspiel der Gegner erschweren soll)", sagte der Meinungsforscher zum aktuellen Stand.

ÖVP-Wähler mit Tendenz

Auch ÖVP-Wähler werden wohl eher zu Van der Bellen tendieren, glaubt Hajek. Die Aussagen mehrerer Kandidaten, die türkis-grüne Regierung nach einem Wahlsieg eventuell (Rosenkranz, Wallentin) oder sofort (Grosz) aus ihrem Amt zu entlassen, werde ÖVP-Sympathisanten wohl eher auf die Seite Van der Bellens bringen. Mit dieser Ankündigung mobilisiere die Konkurrenz eigentlich sogar eher für den Amtsinhaber.

Die für Hajek bei diesem Urnengang interessante Frage ist vor allem, ob die FPÖ Platz zwei halten kann oder nicht. Potenzielle Gefahr drohe für den blauen Kandidaten vor allem durch Wallentin. Man habe schon in den Umfragen im August gesehen, dass jeder fünfte FPÖ-Wähler zu Gerald Grosz wechseln will - und "dass Wallentin durchaus Kraft nach oben hat", sagte Hajek. "Wenn Wallentin einen sauberen Wahlkampf macht, könnte er eine Gefahr für Rosenkranz darstellen, weil er genau das gleiche Wählersegment anspricht."

Seine ursprüngliche Aussage von Ende Juni, dass eventuell der eher Mitte-Links angesiedelte Wlazny der FPÖ Platz zwei streitig machen könnte, hält Hajek angesichts der mittlerweile zahlreichen Kandidaten aus dem rechten Spektrum für nicht mehr gültig.

Sollte die FPÖ Platz zwei nicht erobern können, "dann wird es innerparteiliche Diskussionen geben". Man müsse auch bedenken, dass "möglicherweise der eine oder andere Kandidat auch die Idee hat, sich jetzt schon für die nächste Nationalratswahl zu positionieren - auch auf der rechten Seite." Hajek verwies darauf, dass die (in Umfragen mittlerweile auf rund 22 Prozent abgestürzte) ÖVP einen Teil des rechten, konservativen Wählerspektrums seit dem Abgang von Sebastian Kurz nicht mehr ansprechen könne.

"Dieses Wählerspektrum droht bei der nächsten Nationalratswahl (regulär im Herbst 2024, Anm.) zu zersplittern", so Hajek, der damit rechnet, dass neben der FPÖ zumindest die MFG fix antreten wird - "vielleicht auch noch eine dritte oder vierte rechte Liste". Und solle Wlazny mit seiner Bierpartei bei einer kommenden Nationalratswahl antreten, "wird das für SPÖ und Grüne auch nicht eine unerhebliche Frage sein".

"Haushoher Favorit"

Etwas vorsichtiger kommentierte Polit-Berater Thomas Hofer am Sonntag die aktuelle Lage. Zwar sieht auch er Van der Bellen als "haushohen Favoriten", der die Wahl voraussichtlich im ersten Wahlgang für sich entscheiden wird können. "Natürlich stehen die Chancen für Van der Bellen gut, dass er es im ersten Wahlgang schafft", sagte Hofer im APA-Interview.

Im Gegensatz zu Hajek sieht er aber bei der Mobilisierung schon mögliche Probleme für den Amtsinhaber, der von den anderen Kandidaten als "Systemkandidat" beschrieben wird. Dazu würden äußere Umstände - wie etwa die Themen rund um die Wien Energie - beitragen, so Hofer. "Es ist natürlich so, dass diese tagespolitische Aufladung schon schwierig ist." Van der Bellen sei auch auf die Zielgruppe der SPÖ-Wähler angewiesen - und das Thema der Wien Energie könnte eine Mobilisierung in diesem Lager schwieriger machen.

Van der Bellen müsse einen Spagat vollziehen, sagte Hofer: Denn einerseits wäre es dem amtierenden Präsidenten wohl am liebsten, gar keinen Wahlkampf zu betreiben - so verzichtet er ja etwa auf die TV-Debatten. "Andererseits muss er aber mobilisieren", sagte Hofer.