Karner zu Migration: "Das System kam an seine Grenzen"
Von Christian Böhmer
Heute, Freitag, genau ein Jahr als Innenminister im Amt, hat sich Gerhard Karner im Rahmen des Club 3 den Fragen von KURIER, Kronen Zeitung und profil gestellt. Das sagt Karner über....
...die Zahl der Asylanträge und den Verteilungskonflikt zwischen Bund und Ländern: Zunächst möchte ich mich bei den Ländern und Gemeinden bedanken. Es ist 2022 unglaublich viel gelungen. In den Monaten nach dem Ausbruch von Putins Angriffskrieg haben sich Bund, Länder, Gemeinden , Zivilgesellschaft und Hilfsorganisationen entschlossen, gemeinsam zu helfen. Wir haben 80.000 registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine. Die Zahl der Asylwerber und Asylberechtigten beträgt 92.000 – das System kam an seine Grenzen. Daher wurden als Notmaßnahme Zelte verwendet. Warum? Weil es notwendig war, Obdachlosigkeit zu verhindern. Es macht mehr Sinn, dass Menschen – vor allem junge Männer – in Zelten schlafen und nicht auf Dorfplätzen oder unter Bäumen.
...den Vorwurf, die ÖVP würde die Asylthematik jetzt instrumentalisieren, um von ihren eigenen, partei-internen Problemen abzulenken:
Das wird unter anderem von SPÖ und Neos behauptet. Faktum ist: Ich habe schon im April vor dieser Situation gewarnt. Niemand hat im Frühjahr dieses Thema aufgegriffen, während ich davor gewarnt habe, dass das auf uns zukommt. Ich habe das auch auf der europäischen Ebene immer wieder klar thematisiert, weil wir die Ersten sind, die diese Welle mit den Wirtschaftsflüchtlingen, die großteils über die Balkanroute kommen, betroffen hat.
...über das mögliche Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien, Bulgarien und Kroatien:
Für uns gilt die Festlegung, dass wir es für sinnvoll halten, Kroatien aufzunehmen und Bulgarien und Rumänien jetzt nicht aufzunehmen. Es kommt (beim Asylsystem, Anm.) darauf an, dass drei grundsätzliche Themen funktionieren: der Außengrenzschutz, die Zurückweisungen und die Verteilung. Faktum ist: Es funktioniert vieles nicht in diesen Bereichen. Und daher müssen wir da weiter arbeiten und weiter kämpfen. Auch mit durchaus harten Konsequenzen.
Zu Ungarn und der Frage, ob die Regierung Nehammer Viktor Orban als Verbündeten betrachten kann:
Es ist unerlässlich, dass der Bundeskanzler mit Serbien und auch Ungarn verhandelt – und wir sehen ja schon erste Erfolge: Die Serben haben die Visapflicht für Tunesier geändert.
...über die kolportierte Parteibuchwirtschaft im Innenministerium:
Das ist eine plumpe und pauschale Unterstellung. Ich habe noch keinen einzigen Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin gefragt, ob und welches Parteibuch er oder sie hat. Wir haben exzellente Menschen in diesem Haus. Wenn Bürger an einen Politiker – egal ob er Gemeinderat, Bürgermeister, Landtagsabgeordneter oder Minister ist – keine Anliegen mehr herantragen können, dann haben wir ein Problem.