Politik/Inland

U-Ausschuss: Ibiza-Detektiv Julian H. wittert große Verschwörung

Im Ibiza-U-Ausschuss hat sich heute Julian H. und damit einer der Drahtzieher des Ibiza-Videos den Fragen der Abgeordneten gestellt. Er sitzt derzeit wegen eines mutmaßlichen Drogendelikts in U-Haft. Er soll zumindest 1,5 Kilo hochwertiges Kokain und eine unbekannte Menge nicht hochwertiges Kokain in Umlauf gebracht haben. Bei Fragen, die sein Strafverfahren betreffen, darf er sich entschlagen.

Was kann man sich von diesem Mann erwarten, der die Finca auf Ibiza für das folgenschwere Video präpariert hat? Jenes Video, dessen Zusammenschnitt die türkis-blaue Koalition gesprengt hat?

Opferrolle

Etwas leise, teils akustisch schwer zu verstehen und leicht bedrückt: Julian H. zeichnete vor der Befragung das leicht verschwommene Bild einer Verschwörung gegen ihn. Polizei, Politik, Justiz: Er habe das Gefühl, dass er "mundtot gemacht werden soll“. Und er bezweifelte, dass er in Österreich ein faires Verfahren bekommen wird: "Ich kriege nicht, was ich will", präsentierte sich H. mit einer Referenz auf die kürzlich veröffentlichten Chatprotokolle als Opfer.

In seinem Eingangsstatement betonte H., dass das Ibiza-Video nie produziert hätte werden müssen, wenn "die Polizei der Anzeige, die der ehemalige Bodyguard von Strache gegen den Ex-FPÖ-Chef  einbrachte, nachgegangen“ wäre. Das sei aber nicht passiert. "Man hat bewusst weggesehen“, sagte Julian H.. 

Er warf der Polizei massive "Versäumnisse“ vor. Das Video war daher eine "notwendige Aktion“, bei der aber keine Nachrichtendienste involviert waren. Schon beim ersten Treffen mit Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus hätte er dessen "Korruptionsbereitschaft sofort wahrgenommen“. Die neulich öffentlich gewordenen Schmid-Chats würden zudem das Sittenbild bestätigen, das bereits durch das Video deutlich geworden sei: "Einflussnahmen und Käuflichkeit in der Republik".

Nach weiterem Austeilen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft sowie der Frage, warum die WKStA nicht ermittelte, sagte H.: "Meine x-fach eingebrachten Anzeigen wurden teils innerhalb eines Tages eingestellt, Dienstaufsichtsbeschwerden zurückgewiesen. Es ist schwer zu glauben, dass Österreich ein gefestigter Rechtsstaat sein soll."

Im deutschen Untersuchungsausschuss zu Wirecard deutete Julian H. Verstrickungen von FPÖ und ÖVP zu dem Finanzdienstleister an. Näheres dazu ist nicht bekannt. Im U-Ausschuss entschlug sich H. zu den meisten Fragen, die den deutschen Ausschuss betrafen. Gerüchte über weitere Videos, die er im deutschen Ausschuss anesprochen hatte, kommentierte er nicht.

Ibiza-Video "meine Idee"

Das Ibiza-Video sei jedenfalls "meine Idee" gewesen, sagte H. Es habe keine weiteren Hintermänner, aber kleinere Handlanger gegeben, die vom Video gewusst hätten. Etwa eine Person, die die miserable Tonspur nachbearbeitet hat. Er persönlich habe das Video jedenfalls nicht zum Verkauf angeboten. Das hätten andere gemacht - ohne sein Wissen. Allerdings habe es nach dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos Angebote gegeben - von 10.000 Euro bis zu zwei Millionen Euro.

Eine Finanzierung durch Politiker von SPÖ und Neos schloss H. ebenso aus. Im Gegenteil: "Gewisse Kreise" hätten versucht, genau das den beiden Oppositionsparteien in die Schuhe zu schieben, um Strache reinzuwaschen. Selbst Trauhandkonten seien dafür bereits eingerichtet worden. Belegen konnte er das nicht, nannte aber die Namen von zwei österreichischen Unternehmen.

Als Vertrauensperson stand der frühere Liste-Pilz-Politiker und Anwalt Alfred Noll H. im Ausschuss zur Seite. Er sorgte für die erste längere Unterbrechung. "Wir sind ja nicht dumm", sagte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker, nachdem Noll H. mit Handzeichen mehrmals an Aussagen gehindert haben soll. "Naja", soll Noll laut Christian Stocker (ÖVP) daraufhin gemurmelt haben. Noll wurde verwarnt.

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"Das hat mich motiviert"

Warum hat H. an der Erstellung des Videos mitgewirkt? H. schloss monetäre Interessen aus. Ein angeblicher Drogenkonsum Straches sei aber auch nicht die Motivation gewesen, das Video zu machen. Was dann? 2016, 2017 habe er sich intensiv mit dem amerikanischen Wahlkampf beschäftigt, sagte H. "Ich sah diese Parallelen in Richtung des europäischen Rechtspopulismus" - und dessen Verbindungen zum Kreml, so H.: "Das hat mich motiviert."

Etwas anderen hatte ihn irritiert, wenn nicht beängstigt: Johann Gudenus soll vor dem Ibiza-Video vom "Kurz-Umfeld" gewarnt worden sein, dass jemand eine Videofalle für ihn vorbereite: "Wir müssen sehr vorsichtig sein", soll Gudenus H. einen Tag vor der Aufnahme des Ibiza-Videos gesagt haben. Bei dem Treffen sei es zudem über Gudenus' "Glauben an Ufos und Außerirdische" und "Energielinien, die sich in Ibiza kreuzen" gegangen.

"Testament" an die Hofburg geschickt

Vor der Veröffentlichung des Videos hab er die Hofburg vorgewarnt, wiederholte H. und sprach von einer "Art Schutzschrift, Testament". Van der Bellens Kanzlei bestätigte, ein Schreiben von H. bekommen zu haben, jedoch nicht, dass es darin um die Veröffentlichung des Videos gegangen sei.

H. meinte, dass der Präsident der einzige sei, dem er noch vertraut hätte. Das "Testament" sei nach der Veröffentlichung des Videos abgeschickt worden, BVT und auch Innenministerium habe H. aus Misstrauen er als Adressat nicht in Betracht gezogen.

Gerüchteküche

Zudem meinte er, dass er mit der Veröffentlichung keiner konkreten Partei schaden wollte. "Offen gesagt war dieses Projekt gegen keine Partei gerichtet", sagte H., gab aber zu, dass er nicht unbedingt viel Sympathien für Rechtspopulisten aufbringen könne. Aber: Hätte er gleich Mutmaßungen zu einem ÖVP- oder SPÖ-Politiker gehabt, wäre er genauso interessiert gewesen.

Im Zuge der Befragung wurde auch reichlich die Gerüchteküche bedient. So berichtete H. über Kriminalbeamte, die sich an der Grenze der Legalität bewegten, Videos, die österreichische Politiker beim Drogenkonsum in Club-Hinterzimmern zeigten und weiteren Verstrickungen im Milieu. Auch Drohungen gegen ihn und Überwachungsmaßnahmen will er wahrgenommen haben.

Befragung von H. in der Nachlese:

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