Politik/Inland

"Rufschädigend": Harte Kritik am Rausschmiss des Abdullah-Zentrums

Das KAICIID-Dialogzentrums zieht mit Juli von Wien nach Lissabon. Geistliche und Theologen verschiedenster Religionen haben sich mit Bedauern zum Umzug geäußert. Der österreichische Pastoraltheologe Paul Zulehner sieht den Wegzug des Internationalen "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (KAICIID) aus Wien als "schweren Verlust" für Österreich. Im Magazin Kirche In sprach er von einem "schweren religionspolitischen Fehler" vonseiten Österreichs.

Imam Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) und Vorstandsmitglied des Muslim-Jewish Leadership Council (MJLC), bezeichnet den Abzug des Dialogzentrums als einen "schwarzen Tag für Wien, für die österreichische Diplomatie und vor allem für die österreichische Regierung". Die Entscheidung sei gar ein "rufschädigendes Verhalten, welches dem internationalen Ansehen Österreichs sehr geschadet hat", erklärte Imam Baghajati im Gespräch mit der APA.

"Nicht getrennt diskutieren"

Seit seiner Eröffnung 2012 in Wien sorgte das hauptsächlich von Saudi-Arabien finanzierte Dialogzentrum immer wieder für innenpolitische Kontroversen. Viele sahen hinter dem KAICIID den Versuch Riads, sein schlechtes internationales Image wegen fehlender Religionsfreiheit und seiner zahlreiche Menschenrechtsverletzungen reinwaschen zu wollen. Dass das Zentrum diese zudem nicht verurteilte, nahmen auch Politiker und Parteien in Österreich immer wieder zum Anlass, sich an Mahnwachen und Protesten vor dem KAICIID-Hauptsitz am Wiener Schottenring zu beteiligen.

Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen, bezeichnete das KAICIID als Bestandteil einer "Feigenblattpolitik Saudi-Arabiens". "Natürlich lesen sich einige der Projekte positiv und interessant, die vom KAICIID betrieben werden. Doch was möchte Saudi Arabien damit bezwecken und wie glaubwürdig sind Friedens- und Dialogprojekte, die von einem Land gesponsort werden, das nach China einer der traurigen weltweiten Spitzenreiter bei Hinrichtungen ist? Das kann man unmöglich getrennt voneinander diskutieren."

"Heuchlerischer Rausschmiss"

2015 führten die Kontroversen um das KAICIID auch zum schweren Streit in der rot-schwarzen Bundesregierung. Im Juni 2019 sprach sich der österreichische Nationalrat schließlich für den Ausstieg Österreich aus dem Dialogzentrum aus. Nun bleibt Österreich zwar weiterhin Mitglied, forderte das KAICIID aber indirekt dazu auf, seinen Sitz aber in ein anderes Land zu verlegen. Für Imam Tarafa Baghajati war das ein "klarer und heuchlerischer Rausschmiss".

Die Kritik, dass Dialogzentrum werde von Saudi-Arabien als PR-Maschine benutzt, weist er als vollkommen haltlos zurück. In den vergangenen drei Jahren habe er eng mit dem KAICIID zusammengearbeitet, um das erste europäische Netzwerk für den interreligiösen Dialog zwischen muslimischen und jüdischen religiösen Würdenträgern zu schaffen. Dabei habe es überhaupt nur selten Konferenzen geben, in denen das Wort Saudi-Arabien überhaupt gefallen sei, so Baghajati.

Auch dass das Dialogzentrum seit 2015 im Titel den Namen des saudischen Königs Abdullah bin Abdulaziz trage, sei kein Beweis dafür, dass das Zentrum unter Kontrolle Riads stehe. Immer war die Namenserweiterung ein Vorschlag Österreichs, eine Geste an den 2015 verstorbenen König, die von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde.

Rosen: "Völlig absurd"

Das Dialogzentrum als eine saudische PR-Maschine anzusehen, nur weil Riad alles bezahle, sei ebenfalls völlig absurd, meint KAICIID-Direktoriumsmitglied Rabbi David Rosen. Die Zahlungen seien freiwillig und zumindest zahle jemand. Denn die anderen Gründungsstaaten Spanien und Österreich erbringen lediglich Sachleistungen, indem sie Veranstaltungen organisieren oder Personal zur Verfügung stellen.

"Doch unabhängig davon, wer die Rechnungen bezahlt, ist das Dialogzentrum eine unabhängige, zwischenstaatliche Organisation, deren Arbeitsprogramm regelmäßig nicht nur vom Rat der Gründungsmitglieder, sondern auch von einem Vorstand aus den fünf großen Weltreligionen evaluiert wird", stellt Interims-Generalsekretärin des KAICIID Elham Alshejni klar.

Saudi-Arabien sei nur eines von vier Gründungsmitgliedern neben Österreich, Spanien und dem Vatikan, der einen Beobachterstatus inne hat. "Und alle vier KAICIID-Mitglieder bestimmen gemeinsam jedes Jahr aufs neue das Arbeitsprogramm, das Budget und die strategische Ausrichtung". Geleitet wird das KAICIID von einem neunköpfigen multireligiösen Direktorium, dem Vertreterinnen und Vertreter aus Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören.

Ab nach Portugal

Weniger als fünf Prozent der multinationalen Mitarbeiter des Zentrums seien überhaupt saudi-arabische Staatsangehörige, während beispielsweise über 30 Prozent aus Österreich kommen. Die Menschen, die für KAICIID arbeiten, kommen aus 29 verschiedenen Ländern und haben unterschiedliche religiöse Hintergründe, wie in jeder anderen unabhängigen zwischenstaatlichen Organisation, erklärt Elham Alshejni.

Gegen einen Ausstieg aus dem KAICIID sprach sich auch Österreichs ehemaliger Bundespräsident Heinz Fischer aus: "Brücken sind schneller abgebrochen als wieder aufgebaut", gab Fischer zu bedenken. Dennoch sprach sich die Regierung in Wien dafür aus, das Dialogzentrum lieber außer Landes anzusiedeln. Am 1. Juli nimmt das "König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog" nach jahrelangen Kontroversen in Österreich nun seine Arbeit in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon auf.

Die historischen Verbindungen zur islamischen Welt und eine starke humanistische Tradition des interreligiösen Dialogs machen Lissabon zum perfekt Hauptsitz für das KAICIID, heißt es auf APA-Anfrage aus dem portugiesischen Außenministerium. Da das KAICIID bestrebt sei, vor allem eine Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern zu stärken, sei Portugal der perfekte Partnern, da man immer noch starke wirtschaftliche, sprachliche und kulturelle Beziehungen zu den zahlreichen ehemaligen portugiesischen Kolonien in Afrika unterhalte, so eine Sprecherin des Außenministeriums.