Gas-Krise: Fracking bekommt eine neue Chance
Österreich fördert immer weniger Erdgas im Inland, 2030 dürften die Ressourcen erschöpft sein. Einzige Alternative: Fracking. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in tief gelegene Schiefergestein-Schichten gepresst. Das Gestein bricht auf, das Gas entweicht und kann gefördert werden.
Vor zehn Jahren arbeitete die OMV an einem Fracking-Projekt im Weinviertel, führte zwei Probebohrungen durch. Angst vor Chemikalien in Böden und Grundwasser, Berichte über Erdbeben und weitere Umweltschäden führten zu enormen Widerstand der Bevölkerung. Die OMV legte ihre Pläne ad acta. Noch in diesem Frühjahr erteilten ÖVP-Bürgermeister Fracking erneut eine klare Absage.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die OMV einen zweiten Versuch wagen muss, ist dennoch gestiegen.
Worum geht‘s?
Hydrofracking oder hydraulisches Aufbrechen ist eine Methode zur Erdgasgewinnung aus tiefen Gesteinsschichten
Wie geht das?
Beim Fracking wird durch eine Bohrung, unter hohem Druck von mehreren Hundert Bar, eine Flüssigkeit („Fracking-Fluide“) in Gesteinsschichten gepresst und so Risse im Gestein verursacht, damit Gas entweichen kann. Die üblicherweise verwendete Flüssigkeit ist voll von Bioziden und Säuren.
Wo findet man das?
Das Erdgas ist als Schiefergas („shale gas“) in Tonsteinen enthalten. In Österreich befinden sich diese ab einer Tiefe von 4.500 Metern, unterhalb der Trinkwasserschichten.
Auftrag mit Brisanz
Österreich waren bei der Gasversorgung zu 80 Prozent von Russland abhängig. Die OMV-Verträge mit der russischen Gazprom laufen bis 2040. Um diese Abhängigkeit zu reduzieren, sollen Erneuerbare Energien ausgebaut werden. Doch Österreich brauche mittelfristig immer noch Gas, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Donnerstag. „Russland ist dafür kein verlässlicher Partner mehr – und wir wollen die Kriegsmaschinerie Putins weiter schwächen“, so Brunner.
Auf diesen Winter sei Österreich vorbereitet, die Gasspeicher zu 74 Prozent gefüllt – das Ziel liegt bei 80 Prozent. Offen ist, wie es in den kommenden Wintern weitergeht. Brunner hat deshalb die Staatsholding ÖBAG beauftrag, zu prüfen, wie die mittel- und langfristige Strategie bei der Gasversorgung aussehen muss. Der Auftrag ist vorerst nicht sehr konkret. Die ÖBAG soll etwa Österreichs Beteiligungen analysieren und die Strategien anderer Länder prüfen.
Ein Teilaspekt des Prüfauftrags verspricht aber Brisanz: Die ÖBAG soll das Potenzial der Gasförderung in Österreich analysieren. Dazu gehören auch „unkonventionelle“ Fördermethoden, damit ist Fracking gemeint. Laut optimistischen Schätzungen könnte im Weinviertel Erdgas gefrackt werden, das Österreichs Versorgung für 30 Jahre sichert. Und die Umweltschäden?
Aktivist: "Will nur sein Patent verkaufen"
Befürworter propagierten zuletzt verstärkt ein Verfahren, das Professor Herbert Hofstätter vor mehr als zehn Jahren an der Montanuniversität Leoben patentierte. Es soll ohne giftige Chemikalien auskommen, wurde bisher aber nur in Labortests angewandt.
Johann Kleibl*, der vor zehn Jahren die Proteste gegen Fracking im niederösterreichischen Poysdorf anführte, ärgert sich: „Für Fracking spricht nur, dass der Herr Hofstätter sein Fracking-Patent verkaufen will. Ein Bio-Fracking, oder grünes Fracking, gibt es genau so wenig wie grüne Atomkraft oder grünes Erdgas. Sie brauchen dazu ja Lagerstätten-Wasser, und das beinhaltet auch unzählige Gifte und sogar radioaktive Stoffe.“
Grüne dagegen
Die Koalitionspartner reagieren unterschiedlich. „Es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keine Denkverbote und wir haben die Verantwortung, jede Option zu prüfen“, sagte Brunner. Vorrang habe aber die konventionelle Gasförderung. Fracking könne aufgrund der „nötigen Vorlaufzeit von mehreren Jahren zur Lösung der aktuellen Krise keinen Beitrag leisten“, heißt es aus dem Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) – mit Verweis auf OMV-Experten. Österreich solle stattdessen mehr Biogas produzieren und die Erdgas-Versorgung durch andere Länder abdecken.
Die OMV hat heuer bereits mehrfach bestritten, Fracking in Österreich zu erwägen. Dabei gehe es auch um die Frage der Wirtschaftlichkeit, denn die Technologie ist teurer als die konventionelle Gasförderung. Nach mehrjährigen Vorlaufzeiten könnte die Produktion realistischerweise nicht vor 2030 beginnen, meinte OMV-Konzernchef Alfred Stern – und dann nur noch zehn Jahre genützt werden. Denn 2040 will Österreich auf fossiles Gas als Energieträger verzichten. Aktivist Kleibl geht von „massivem Widerstand der Bevölkerung“ aus. Was ihn besonders wütend macht: Dass sich der Vorarlberger Brunner für das Prüfen von Fracking ausspreche, die Vorarlberger Landesverfassung die Technologie aber verbietet – wie auch viele EU-Staaten. In Niederösterreich ist Fracking erlaubt, allerdings müsste jedes Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung überstehen.
USA als Vorreiter
Ob sich Fracking in Anbetracht der hohen Investitionen auszahlt, ist fraglich. Vorreiter beim Fracking sind die USA. Dort wird Fracking mit Chemikalien bereits seit den 1940er Jahren eingesetzt. Die im Vergleich zu den meisten europäischen Staaten vergleichsweise lockeren Auflagen für Umwelt- und Arbeitnehmerschutz reduzieren die Förderkosten. Zudem ist die Technologie steuerlich begünstigt. Wenn die Energiepreise in Phasen des Konjunkturabschwunges fallen, mehren sich in dem Sektor trotzdem die Pleiten.
*In einer früheren Version dieses Artikels war von einem Aktivisten namens "Josef Kleibl" die Rede. Richtig ist: Johann Kleibl. Der Fehler wurde korrigiert, wir bitten um Verzeihung.