Politik/Inland

Blaues Wahlprogramm: Von analogem Leben bis KESt-Abschaffung

Der Countdown bis zur Nationalratswahl läuft, doch im Gegensatz zur Kanzlerpartei ÖVP, die ihren "Österreichplan" bereits 2023 präsentierte oder Andreas Bablers "Herz+Hirn"-Programm der SPÖ, das im Frühjahr öffentlich wurde, lassen die Freiheitlichen sich mit ihrer Präsentation Zeit. Heute Mittwoch ist es allerdings soweit.

Im Palmenhaus will Parteichef Herbert Kickl alle Details gemeinsam mit den Nationalratsabgeordneten Susanne Fürst und Dagmar Belakowitsch sowie den FPÖ-Kandidaten Norbert Nemeth (Klubdirektor) und Arnold Schiefer (Ex-ÖBB-Finanzvorstand, verhandelte u.a. bei der ÖVP-FPÖ-Koalition 2017 "Verkehr und Infrastruktur") vorstellen. 

Laut KURIER-Informationen soll das rund 100 Seiten umfassende Wahlprogramm der Freiheitlichen mit dem Titel "Festung Österreich, Festung der Freiheit" einen "Rahmen vorgeben", wie eine Regierung mit der FPÖ aussehen könnte.

Mit der Betonung auf könnte, denn bis dato hat sich jede andere der im Parlament vertretenen Parteien gegen eine Koalition mit FPÖ unter der Führung von Kickl ausgesprochen. 

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Kickl selbst lässt sich deshalb und ob der Umfragen, die ihn und die FPÖ auf dem ersten Platz sehen, als "Volkskanzler" bezeichnen. "Volkskanzler" einer "Festung Österreich". Selbige sei, wie Kickl jüngst in einem oe24.tv-Interview wissen lässt, gleich einer Metapher zu verstehen. Österreich gelte schließlich auch als "Insel der Seligen",  sei aber nicht von Wasser umgeben, wie hinlänglich bekannt.

Im blauen Wahlprogramm finden sich altbekannte wie -bewährte Themen in punkto Asylwesen und Migration. Nicht verzichten kann oder will man in diesem Zusammenhang auf den Begriff der "Remigration", der vornehmlich von der rechtsextremen Identitären Bewegung benutzt wird, um die Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer zu beschreiben.  Geht es nach der FPÖ, soll die "Hegemonie einer fremden Kultur" verhindert und die eigene ins Zentrum gestellt werden. Dazu gehört auch das Kreuz im Klassenzimmer. 

Zu den gleichsam "blauen Evergreens", mit denen man bei der Wählerschaft punkten will, gehören auch bei der diesjährigen Nationalratswahl 

  • mehr direkte Demokratie (Volksabstimmungen und Volksbefragungen)
  • Recht auf Bargeld 
  • Ende der Pflichtmitgliedschaften ("Zwangsmitgliedschaft") bei Wirtschafts- und Arbeiterkammer
  • Beibehaltung der Neutralität, kein NATO-Beitritt sowie Sky Shield-Ausstieg
  • Budgetfinanzierter ORF statt derzeitiger Haushaltsabgabe

Deckungsgleich zur SPÖ ist das FPÖ-Ansinnen, die analoge Welt beizubehalten. Sprich: Beispielsweise Behördenwege oder Bankgeschäfte jedenfalls immer auch ohne Internetzugang möglich zu machen. 

Nahezu deckungsgleich sind die Freiheitlichen mit der ÖVP, was die Grundhaltung zur Energiewende, dem "Aus vom Verbrenner-Aus" und den Wirtschafts- und Finanzbereich betrifft. Das sei "nichts Neues", heißt es seitens der FPÖ und verweist auf die ÖVP-FPÖ-Koalitionen (1999 und 2017) im Bund und die derzeitigen Koalitionen in den Ländern. Man habe in Regierungsverantwortung stets ein ausgeglichenes Budget angestrebt und auch erreicht - im Gegensatz zur jetzigen türkis-grünen Koalition. Kommt die FPÖ in die Regierung, so Kickls Credo, werde es kein Helikoptergeld wie Klimabonus für alle mehr geben, dafür bessere Möglichkeiten vor allem für Familien einen Wohnbaukredit/Wohnbaudarlehen zu erlangen ("Starterwohnung")  und jedenfalls keine neuen Steuern. 

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Konkret keine neue Erbschafts-, Schenkungs- oder Vermögenssteuer. Im Gegenteil. Die freiheitlichen Pläne sehen vor, dass 

  • die Körperschaftssteuer (KöSt derzeit 23 %) auf 20 % gesenkt wird (um die Unternehmer zu unterstützen)
  • die Kapitalertragssteuer (KESt derzeit 27,5 %) reformiert wird u.a. beim Bausparvertrag oder Aktien (Je länger eine Aktie gehalten wird, desto degressiver die Besteuerung)

Generell soll das Steuersystem vereinfacht, die Lohnnebenkosten gesenkt werden und sich "mehr Leistung lohnen", um sich "Eigentum leisten" zu können. Ein Versprechen, das dereinst SPÖ-Chef und Kanzler Bruno Kreisky gab ("Leistung, Aufstieg, Sicherheit") und das derzeit 1:1 auch die ÖVP gibt. 

Und Teil des FPÖ-Kalküls ist, denn aufgrund dieser Inhalte würde viel für eine gemeinsame Regierungsarbeit sprechen, für die ÖVP dagegen zu argumentieren mehr als schwierig. Doch das schwerwiegendste Argument gegen eine Wiederauflage einer ÖVP-FPÖ-Regierung ist der FPÖ-Chef selbst, den Kanzler Karl Nehammer nimmermüde als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet, eine Koalition mit ihm wie viele andere ÖVP-Minister dezidiert und kategorisch ausschließt.