Doskozil: "Das ist keine Politik mit Hausverstand"
Von Martina Salomon
In einer Umfrage, in der man Politiker als Tiere klassifizieren musste, sah man Sie als Wildschwein.
Hans Peter Doskozil: Das kann man in der Politik auch mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen.
Ein Wildschwein ist unberechenbar, vielleicht sieht Sie Ihre Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner so
Aber nein, ich habe eine klare Linie, auch was meine Rolle in der Sozialdemokratie betrifft. Mir sind Themen wie Mindestlohn, Pflege oder Wohnen wichtig. Da muss man vieles neu denken.
Es stand sogar eine Abspaltung der Burgenland-SPÖ im Raum. Rendi-Wagner hat Ihnen unsolidarisches Verhalten vorgeworfen. Sie sind der Neujahrsklausur ferngeblieben und als Präsidiumsmitglied ausgeschieden.
Für die Medien sind solche Debatten natürlich interessant. Wir müssen uns über Inhalte neu definieren und diese glaubwürdig rüberbringen. Um Wahlen zu gewinnen, geht es um Dreierlei. Erstens um den Spitzenkandidaten oder die -kandidatin. Zweitens: Am wichtigsten ist es, nicht nur Schlagworte zu produzieren, sondern das politische Selbstverständnis mit Inhalten zu füllen. Und drittens um Geschlossenheit.
Vermissen Sie inhaltliche Klarheit?
Das betrifft nicht nur die Sozialdemokratie. Ich war selbst dabei, wie das Thema Impfpflicht entstanden ist. Die Bundesregierung und die Landeshauptleute haben sich im November in Tirol getroffen. Die ÖVP meinte, den Lockdown nur rechtfertigen zu können, wenn es auch eine Impfpflicht gebe. Aber niemand hat zum Zeitpunkt der Verkündung Antworten auf wichtige Fragen gegeben: Wen trifft das jetzt genau? Auch Kinder? Wie gehen wir damit um? Kann das überhaupt vor dem Höchstgericht halten? Wir dürfen nicht nur von Schlagzeilen getrieben sein.
Sie waren mit der Impflotterie im Burgenland erfolgreich, nun kommt das dank einer Forderung der SPÖ bundespolitisch. Aber ist es dafür nicht zu spät?
Ich sehe das bundespolitisch auch kritisch. Wir haben unsere Lotterie mit einem klaren Ziel hinterlegt, nämlich 80 % der impfbaren Bevölkerung zu impfen. Jetzt wird man belohnt für etwas, was im Gesetz steht. Ich bin zum Beispiel immer mit null Promille unterwegs, wenn ich Auto fahre. Bekomme ich dafür auch eine Belohnung? Mein einfacherer Vorschlag wäre gewesen, Testungen für Ungeimpfte kostenpflichtig zu machen. Nicht 50 Euro, aber ein vertretbarer Betrag.
Der Lockdown für Ungeimpfte ist zwar aufgehoben, aber es gilt noch die 2-G-Regel – viele Regelungen widersprechen sich
Das ist keine Politik mit Hausverstand. So kann ein ungeimpfter Verkäufer ganztägig Kundenverkehr haben, dürfte in diesem Geschäft aber keine zwei Minuten einkaufen gehen.
Ab dem 1. Februar gilt die Impfpflicht, eigentlich sollten bis dahin alle geimpft sein. Da wimmelt es nur von Widersprüchen.
Wir rechnen mit immens vielen Verwaltungsverfahren. Ich gehe davon aus, dass das verfassungsrechtlich bekämpft wird. Gleichzeitig wird der Effekt ausbleiben.
Soll für Handel und Gastronomie wieder 3-G statt 2-G gelten?
Wir sollten mit der Entscheidung vielleicht noch ein, zwei Wochen warten, bis der Gipfel überschritten ist. Bei täglich 40- bis 50.000 Infizierten kann man das schlecht diskutieren. Auch im Burgenland haben wir eine hohe Inzidenz, aber die Spitalszahlen sind relativ stabil.
Soll die Impfpflicht ausgesetzt werden?
Wir sollten vielleicht noch ein, zwei Wochen warten, bis der Gipfel überschritten ist. Bei täglich 40- bis 50.000 Infizierten kann man das schlecht diskutieren. Auch im Burgenland haben wir eine hohe Inzidenz, aber die Spitalszahlen sind relativ stabil.
Soll die Sperrstunde von 22 Uhr fallen?
Ja, eine Sperrstunde ab 23.00 oder 24.00 Uhr wäre gerechtfertigt, wobei die Nachtgastronomie natürlich nach wie vor kein Thema sein kann.
Gerade in Pandemiefragen hätte Ihre Parteichefin höchste Kompetenz. Die SPÖ grundelt trotzdem in den Umfragen.
Ja, da ist noch Luft nach oben, keine Frage. Das Zeitfenster für uns ist weit offen.
Schließen Sie eine Rückkehr in die Bundespolitik aus?
Ich habe eine Zusage gegeben, jetzt im Burgenland Politik zu machen, halte es aber für einen Fehler, wenn Politiker etwas kategorisch für alle Zukunft ausschließen.
Sie haben sich einen prominenten Beraterstab geholt.
Das macht heute jede politische Partei. Man muss sich auch selbst hinterfragen. Es war ja auch ein Fehler von Sebastian Kurz, sich nicht mit positiven politischen Konkurrenten umgeben zu haben. Die türkise Volkspartei war nur auf Sebastian Kurz ausgerichtet – das merkt man jetzt.
Würden Sie von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung eine Vermögenssteuer fordern?
Ja, Umverteilung ist eine zentrale Frage – gerade angesichts der steigenden Preise. Ich will aber nur Dinge fordern, die ich auch selbst umsetzen kann: Daher wollen wir im Burgenland der Kostensteigerung entgegentreten, indem wir mit Energie-Autonomie Preisstabilität erreichen.
Ein KURIER-Leserbriefschreiber meinte, Sie seien nicht rechts, sondern in Wahrheit ein Kommunist, weil Sie alles verstaatlichen.
Ich bin für freie Märkte – aber nicht, wenn es um elementare Dinge geht. Wenn also jemand eine Wohnung von einer Genossenschaft kauft, dann soll das nicht zum Verkehrswert, sondern zum seinerzeitigen Errichtungswert geschehen. Da ist nach zehn bis 15 Jahren eine irrsinnige Spanne drinnen. Ich möchte, dass ab der ersten Miete sukzessive Eigentum erworben wird.
Beim Thema Commerzialbank gelten Sie als Beschuldigter. Da wurde auch Gold und Silber verschenkt, das ist insgesamt ein burgenländisches Wirecard. Wieso fiel das niemandem auf?
Das war ja nicht die Bank des Landes, sondern eine Privatbank. Jeder, der Geschenke angenommen hat, darf sich keiner Wahl mehr stellen. Da hat es schon Rücktritte gegeben. Auffallen müssen hätte es nach den konkreten Hinweisen jedenfalls den zuständigen Behörden: Nämlich der Finanzmarktaufsicht, der Staatsanwaltschaft und dem Finanzministerium.
Sie werden beschuldigt, dass Sie im Rahmen des Untersuchungsausschusses eine Falschaussage getätigt haben.
Sollte es bei mir zu einer Anklage kommen, wovon ich nicht ausgehe, dann trete ich zurück. Es gab eine Aufsicht und bereits 2015 Anzeigen, denen aber nicht nachgegangen wurde.
Erst vor wenigen Tagen gab es Schüsse eines Schleppers auf einen Grenzpolizisten. Was kann man dagegen tun?
Damit das nicht so weitergeht, müsste es auf EU-Ebene endlich einen Plan geben. Da ist auch die Verteidigungsministerin gefordert. Man sollte in dieser Situation keine Grundwehrdiener mehr an die Grenze schicken.
Ganz andere Frage: Wann werden Sie Ihre Lebensgefährtin heiraten?
Wir haben es schon so oft wegen der Pandemie verschoben, aber es wird mit Sicherheit in diesem Jahr sein.