Keine Feste über 25 Personen: Statt Verordnung jetzt nur noch Empfehlung der Regierung
Beim ersten Ministerrat nach der Sommerpause hat die türkis-grüne Regierung Bilanz über die Corona-Entwicklung im Sommer gezogen - und einen Ausblick in den Herbst gemacht.
Kanzler Sebastian Kurz erklärte - wie schon bei seiner Rede am vergangenen Freitag - es gebe "Licht am Ende des Tunnels" - aber am Ende seien wir noch nicht. Und erneut stellte er in Aussicht, dass der Sommer 2021 wieder ein "normaler" sein könnte.
Diesen Optimismus teilt Vizekanzler Werner Kogler, wie er betonte. Der Sommer sei wesentlich besser gelaufen als gedacht, im Herbst und Winter brauche es aber wieder mehr Achtsamkeit und Hausverstand. "Wenn wir uns zusammenkuscheln im Herbst und Winter, dann kuschelt das Virus mit", sagte Kogler.
Das Credo der Regierung bleibe: "So viel Freiheit wie möglich, so wenig Einschränkungen wie notwendig."
Eigentlich waren für heute neue Corona-Maßnahmen angekündigt. Nun gibt die Regierung aber nur Empfehlungen ab:
- Veranstaltungen in geschlossenen Räumen können weiterhin mit bis zu 5.000 Personen stattfinden. Das wird vor allem die österreichische Kulturszene freuen. Denn nach dem Erfolg der Salzburger Festspiele, wo keine einzige Infektion verzeichnet wurde, bleiben in Österreich die gelockerten Corona-Regelungen für den Kulturbereich und bei Sportveranstaltungen.
- Für private Feiern und Treffen gibt es eine Empfehlung der Bundesregierung, die Anzahl der Gäste auf maximal 25 zu beschränken. Aber am besten, so wird die Empfehlung lauten, wäre es, komplett auf private Feiern zu verzichten.
- Zur Maskenpflicht gibt es keine Neuerungen: Die Regierung rät der Bevölkerung, diese in geschlossenen Räumen zu tragen. Das Tragen der Maske und das Einhalten des Mindestabstands ist die Hauptbotschaft.
Keine strengeren Regeln also? Mit der Corona-Ampel am Freitag kommen durchaus klare Regeln je nach Gefahrensituation, betonte Kurz. Und diese seien dann auch rechtsverbindlich. Durch die Ampelschaltung könnte etwa eine strengere Maskenpflicht oder ein Verbot von Veranstaltungen kommen.
Es brauche aber "immer auch das Mitmachen der Bevölkerung und den Hausverstand". Daher sei es sinnvoll, jetzt mit Empfehlungen zu arbeiten. "Vieles ist ja nicht schwarz oder weiß. Bei vielen Veranstaltungen ist es möglich, Abstand zu halten."
Mit den Empfehlungen für Veranstaltungen sammle man nun auch Erfahrungen für die kommenden Weihnachtsfeiern.
Hygiene, Abstand, Maske
Auf die Festspiele kam dann auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu sprechen: Es sei "großartig", dass die Festspiele trotz Corona dank eines durchdachten Sicherheitskonzept über die Bühne gehen konnte.
Auf einem A3-Zettel zeigte er die aktuelle Infektionskurve her: Es gab in der vergangenen Zeit einen Anstieg. "Das Schöne" an der Grafik sei, so Anschober, dass die rote Linie flach geblieben sei. Das sei die Linie, die die Anzahl der Patienten auf den Intensivstationen anzeigt.
Ein Schwerpunkt an Neu-Infektionen sei auf private Feste zurückzuführen gewesen. Deshalb auch die Empfehlung, auf private Feste zu verzichten.
Warum der Herbst so besonders schwierig wird? Erstens: Es wird kälter, erklärte Anschober. Das Leben verlagert sich wieder in die Innenräume. "Und wenn wir drinnen sind, bedeutet das ein stärkeres Ansteckungsrisiko." Zweitens grassieren in dieser Zeit auch wieder Erkältungen und die Grippe. Durch Hygiene, Abstand halten und Maske minimiere sich das Ansteckungsrisiko insgesamt - nicht nur bei Corona.
343 Verstöße gegen Quarantäne
Innenminister Karl Nehammer sprach dann über die Grenzkontrollen. Mehr als 23.000 Personen seien von den Gesundheitsbehörden in Quarantäne geschickt worden.
Verstöße gegen die verordnete Quarantäne sind mit einer Geldstrafe von bis zu 1.450 Euro bedroht. Ist man infiziert, kommen noch strafrechtliche Aspekte dazu. 343 Anzeigen gab es wegen Verletzungen der Quarantäne, sagte Nehammer - das seien aber nur die Fälle, von denen man wisse.
Schule "braucht nicht auf die Ampel warten"
Ab Freitag zeigt die Corona-Ampel die jeweilige Gefahrenlage in den Bezirken an. Ob das drei Tage vor Schulstart nicht zu knapp sei? "Das Bildungssystem braucht nicht auf die Ampel warten, sie hat selbst Maßnahmen festgelegt", antwortet Gesundheitsminister Anschober. Bildungsminister Faßmann hat bereits einen Plan vorgelegt (siehe unten), vor dem Schulstart sollte alles klar sein.
Gerüchte, es gebe Krach innerhalb der Koalition, weil Türkis strengere, gesetzlich verankerte Regeln wolle und die Grünen nicht, wischte Kanzler Kurz nach einer Journalisten-Frage mit einem Schmäh weg: "Die Koalitionsampel steht auf Türkis-Grün."
Für Opposition geht Show-Politik weiter
SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher stellte nach dem Ministerart fest, dass die "schwarz-grüne Showpolitik" weiter gehe. Er sei nach den Pressestatements enttäuscht: "Ein lange Liste an Empfehlungen für die Bevölkerung - warum müssen dazu Kanzler und drei Minister auftreten?" - Enttäuschung von der FPÖ und Verärgerung seitens der NEOS waren die weiteren Reaktionen.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober hätte diese Empfehlungen in seiner "Erklärung" bekannt geben können, so Kucher. Bezüglich der Corona-Ampel, die am Freitag ihre Premiere hat, stellte er ein Ausweichspiel fest, zudem hätte sie seiner Meinung nach vor den Lockerungen im Sommer in Betrieb gehen sollen. Zwei Tage vor "ihrem überfälligen Einsatz" erinnere man nun aber sich plötzlich, dass die gesetzlichen Grundlagen für ihren Einsatz noch fehlen würden.
Ebenfalls enttäuscht war FPÖ-Chef Norbert Hofer: Konkrete Aussagen - vor allem in Bezug auf die Corona-Ampel - habe er sich laut Aussendung erwartet. "Die Regierungsspitze schlüpft immer mehr in die Rolle von Zeitdieben - sie redet viel, ohne dabei aber auch etwas zu sagen", kritisierte Hofer. Zwei Tage vor Inkrafttreten des Corona-Ampelsystems kenne sich "in diesem Durcheinander" niemand aus. Zudem ortete der FPÖ-Chef Dissonanzen zwischen den Regierungsparteien, die spürbar seien und nannte als Beispiel einen "Schlagabtausch zwischen dem grünen Gesundheitsministerium und dem ÖVP-geführten Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes" um den Begutachtungsentwurf zum Covid-19-Maßnahmengesetz.
Neos sind "verärgert“
Nachdem Vize-Klubobmann der NEOS, Gerald Loacker nach den "Erklärungen" von Kurz am Freitag und Anschober bereits am Dienstag "gegensätzliche und verwirrende Signale" wahrgenommen hatte, sei er nach dem heutigen Ministerrat nun "verärgert" über diese Kombination: "Die Bevölkerung hat sich Klarheit und verständliche Maßnahmen verdient", sagte Loacker in einem Statement. Bei der Pressekonferenz habe er den Neuigkeitswert vermisst, die heutigen Empfehlungen hätte man "bei den zahlreichen Erklärungen und Medienauftritten" der vergangenen Tage bekanntgeben können. Zudem vermisse er ein leicht verständliches Ampelsystem.