Politik/Inland

Anschober warnt vor Verharmlosung: "Das Virus ist noch unter uns"

War das denn alles notwendig? Es ist ja eh nichts passiert, es ist eh alles gut gegangen.

Dieser sich verbreitenden Stimmung versuchte Gesundheitsminister Rudolf Anschober, flankiert von Wissenschaftern, am Donnerstag entgegen zu wirken. Der Simulationsforscher Nikolaus Popper zeigte anhand einiger Modelle, wie sich die Infektionskurven ohne den Lockdown entwickelt hätten. Hätte man zum Beispiel eine Woche zugewartet, wäre man bei der Intensivbettenkapazität an die Grenze gestoßen, es wäre in etwa zu einer Vervierfachung der positiv getesteten Fälle gekommen.

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Warnung vor falschen Schlüssen

Weil die Maßnahmen so gut gewirkt hätten, sei es verfehlt, daraus den Schluss zu ziehen, dass sie überzogen waren, sagte Anschober. Und präsentierte zum Beweis gleich die guten, aktuellen Zahlen: Die anfänglichen Infektionssteigerungsraten sind von rund 40 Prozent auf aktuell 0,2 Prozent gesunken. Es gab binnen 24 Stunden 37 Neuinfektionen, 58 Genesene. Derzeit gibt es 674 aktiv Erkrankte in Österreich.

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Lernen für die Zukunft

Die Studien, was passiert wäre, wenn die Maßnahmen später gesetzt worden wären, dienen auch für die richtige Vorgangsweise in der Phase der Öffnung.

In diesem Zusammenhang warnt Anschober: "Öffnung heißt nicht, dass es vorbei ist. Das Virus ist nicht auf Urlaub, es ist immer noch unter uns."

Wichtig sei ein konsequentes und schnelles Contacttracing. Das bedeutet, dass die Kontaktpersonen einer positiv getesteten Person schnell eruiert, getestet und isoliert werden müssen. Wenn man dieses Contacttracing in 1,9 Tagen schaffe, dann "geht die Infektionskurve auch mit vielen Lockerungen nicht nach oben", sagt Popper.

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Vorsicht ist angebracht

Zweiter wesentlicher Faktor: "Wenn die Bereitschaft der Menschen, die Kontakte zu reduzieren, sinkt, dann entgleitet die Situation sehr schnell."

Die Grundrichtung für die kommenden Monate laut Anschober: die Lockerungen werden wie geplant Schritt für Schritt umgesetzt, müssen aber kombiniert werden mit dem Einhalten von Hygienemaßnahmen, dem Reduzieren von Kontakten und schnellem Containment.  Anschober: "Wir dürfen nicht unvorsichtig werden."

Auch in Regionen, die derzeit frei von Neuerkrankungen sind, könne jederzeit wieder ein Fall auftreten, weil Österreich ein kleines Land mit regem Austausch zwischen den Bundesländern sei.

Bund und Länder gemeinsam

Mit dem neuen Coronagesetz darf das Gesundheitsministerium bei Bundesländer übergreifenden Ausbreitungsclustern eingreifen. So löse man das Problem in Wien und Niederösterreich gemeinsam - in diesem Fall in Zusammenarbeit von Wien, NÖ, AGES, Innen- und Gesundheitsministerium - zum Beispiel, indem man prekäre Arbeits- und Wohnverhältnisse ins Visier nimmt.

Was den Wunsch nach regional unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Öffnung betrifft, ist Anschober "neugierig auf die Vorschläge der Landeshauptleute". Die Regelungen dürften nicht unübersichtlich werden, es müsse durchschaubar bleiben, was wo erlaubt ist.

Zuletzt hatte Kanzler Sebastian Kurz die Tür für regional unterschiedliche Geschwindigkeiten bei Lockerungen der Corona-Maßnahmen aufgemacht. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser arbeitet an einem Vorschlag.