Nationalfeiertag: Feierlichkeiten von Krieg in der Ukraine geprägt
Der Nationalfeiertag am Mittwoch war vom Krieg in der Ukraine geprägt. Im Mittelpunkt der politischen Ansprachen stand wieder die militärische Landesverteidigung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßte die Erhöhung des Heeresbudgets, denn das Bundesheer sei derzeit nicht in der Lage, die Neutralität mit der Waffe zu verteidigen. Er rief die österreichische Bevölkerung zu einem "gesamtstaatlichen Schulterschluss" auf, um die viele Krisen gemeinsam zu überwinden.
Mit dem Krieg in der Ukraine habe der russische Präsident Wladimir Putin "die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert". Die österreichische Neutralität sei ein hohes Gut, aber das Entscheidende sei der zwei Satz des Neutralitätsgesetzes, wonach Österreich seine Neutralität "mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen wird". Dazu sei das Bundesheer derzeit nicht in der Lage, so Van der Bellen. Die "rigorose" Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte habe "sichtbare Spuren hinterlassen" und nicht nur die Sicherheit des Landes, sondern auch die Sicherheit der Soldaten gefährdet.
Die Bundesregierung hat anlässlich des Nationalfeiertags dem österreichischen Volk das Versprechen gegeben, für das Land zu arbeiten und die Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs zu verteidigen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erneuerten in einer gemeinsamen Erklärung ihr im Regierungsprogramm festgeschriebenes Versprechen, "aus Verantwortung für Österreich zu arbeiten".
Diese Verantwortung bestehe darin, "darauf zu achten, dass wir gerade heute Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit wahren, verteidigen und stärken". "Sicherheit heißt, dass wir uns klar zur umfassenden Landesverteidigung und Sicherheitsvorsorge bekennen. Die Neueinschätzung der Bedrohungslage, die Aufstockung des Bundesheerbudgets und die Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sind ein Zeichen für Österreichs Beitrag zu einer starken Friedens-, Sicherheits- und Außenpolitik im geeinten Europa."
"Energiesicherheit für Generationen"
Den wirtschaftlichen Auswirkungen des Angriffskriegs, die tagtäglich für immer mehr Menschen spürbar seien, steuere man mit umfangreichen Hilfen gegen. "So stärken wir auch den sozialen Frieden in unserem Land."
Die Energiewende werde die notwendige Energie-Unabhängigkeit bringen, "die wir derzeit schmerzlich vermissen". "Ein Despot, der Europa mit Energielieferungen erpresst und diese als Waffe nutzt, ist kein Handelspartner. Fossile Energieträger, die Klima und Umwelt schaden, sind keine Lösung auf Dauer. Jede Kilowattstunde, die wir sparen, jede neue Energiequelle, die wir auftun, und jeder Speicher, den wir füllen, erzeugt mehr Energiesicherheit für künftige Generationen", so Kanzler und Vizekanzler.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) rief in ihrer Rede "die Mission Vorwärts" aus. Das Bundesheer werde mit dem zusätzlichen Geld, das es bekommt, in den Schutz von Land und Leute investieren. Man müsse das Heer völlig neu denken und die Weichen stellen. Die militärische Landesverteidigung werde wieder in den Mittelpunkt rücken. Die Neutralität sei ein hohes Gut, "aber sie schützt uns nicht, unser Heer tut es", so Tanner.
Für ein geeintes Europa im Kampf um den Frieden plädierte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Europa sei stärker als viele geglaubt hätten und die Europäische Union sei das größte Friedensprojekt der Geschichte. Dieses stünde nun vor großen Herausforderungen, die gemeinsam gelöst werden müssten.
Ohne Einschränkungen
Der Nationalfeiertag wurde nach zwei Coronajahren mit Einschränkungen wieder im vollem Umfang gefeiert. In der Früh legten Van der Bellen und die Bundesregierung jeweils Kränze am Äußeren Burgtor nieder. Trotz nebeligem Wetter hatten sich von Beginn an viele Zuseher am Heldenplatz versammelt. Viele davon waren Angehörige der 1.025 Rekruten, die zum Höhepunkt des Festaktes angelobt wurden. Das Wetter zeigte sich nicht gnädig. Pünktlich zu Beginn der politischen Ansprachen setzte Nieselregen ein.
Die Besucher ließen sich davon aber nicht vertreiben. Zu sehen gab es einiges: Neben drei Hubschraubern wurden auch zahlreiche Fahrzeuge ausgestellt. Es gab Vorführungen der Heeressportler und andere Attraktionen.
Das Bundesheer präsentiert sich auch auf zwei weiteren Plätzen: Am Hof werden die Auslandseinsätze und beim Burgtheater Katastrophenhilfe und ABC-Einheiten vorgestellt. Darüber hinaus findet am Rathausplatz das Sicherheitsfest der Stadt Wien statt.
Schwerpunkt der heurigen Leistungsschau ist die Miliz, der österreichische Regisseur und Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky hat dazu für das Bundesheer vier Videos gemacht, die am 26. Oktober ab 9 Uhr auf einer eigenen Homepage und im ORF präsentiert werden.
Besichtigung der Hofburg
Van der Bellen empfängt in seinen Räumlichkeiten der Hofburg heuer keine Bürger, sondern nur "Repräsentanten und Repräsentantinnen der Zivilgesellschaft". Von 12.00 bis 16.30 Uhr können die Besucher allerdings die Repräsentationsräumlichkeiten des Bundeskanzleramts in Gruppen besichtigen und Regierungsmitglieder samt Kanzler Nehammer treffen.
Auch andere Ministerien im Regierungsviertel stehen für Besucherinnen und Besucher offen. Das Parlament in seinem Ausweichquartier in der Hofburg war bereits ab 10.00 Uhr zugänglich. Die Pforten öffneten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie seine Stellvertreterin Doris Bures (SPÖ) und sein Stellvertreter Norbert Hofer (FPÖ) persönlich. Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist am Nationalfeiertag von 13.00 bis 17.00 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich.
Pochen auf Neutralität
SPÖ und FPÖ haben sich anlässlich des Nationalfeiertags für den Erhalt der Neutralität starkgemacht. "Unsere Neutralität ist ein zentraler Bestandteil der österreichischen Sicherheitspolitik - sie stärkt unsere Sicherheit", so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Für FPÖ-Chef Herbert Kickl muss die Neutralität im Zentrum der Außen- und Sicherheitspolitik stehen - gerade auch im Ukraine-Krieg, wo die Russlandsanktionen Wohlstand und Sicherheit Österreichs zerstören würden.
Gerade die Neutralität schaffe Möglichkeiten, die andere Staaten aufgrund ihrer militärischen Bündnisse nicht hätten, betonte Rendi-Wagner. Der Auftrag als neutrales Land sei eine aktive Außen- und Friedenspolitik und Vermittlung in Konflikten, wie es Österreich in der Vergangenheit schon oft getan hat. Das bedeute aber nicht gesinnungsneutral zu sein. "Unsere Neutralität hat uns in der Vergangenheit nicht daran gehindert, klar Stellung zu beziehen und sie tut es auch heute nicht", so Rendi-Wagner. Stehe man zur Neutralität, müsse man aber auch das Heer so ausstatten, dass es seine verfassungsmäßigen Aufgaben auch erfüllen kann.
Die mit dem 26. Oktober 1955 in Verfassungsrang gehobene immerwährende Neutralität bringe Österreich Freiheit und Selbstbestimmung, betonte FPÖ-Chef Kickl in seiner Videobotschaft anlässlich des Nationalfeiertags, aufgenommen vor blauem Hintergrund samt Österreich-Fahne. Die Neutralität sei eine hervorragende politische Selbstverteidigungswaffe, die Regierung heble sie - unterstützt von einer "Scheinopposition" - mit ihren Handlungen allerdings aus, kritisierte Kickl. So werde das Land immer mehr "in den Eskalationsstrudel eines Wirtschaftskrieges" hineingezogen.
"Ich sehe in unserer Neutralität keinen lästigen Klotz am Bein", betonte der FPÖ-Chef, diese müsse nur konsequent angewendet werden. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sie endgültig zu einer historischen Randnotiz degradiert werde. Die FPÖ stehe für eine "Renaissance" der Neutralitätspolitik früheren Zuschnitts, "als österreichische Politiker ihre Aufgabe als Vermittler und Friedensstifter und nicht als Kriegstreiber gesehen haben".
Geht es nach dem Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ), muss Österreich zur Stärkung der Neutralität vor allem unabhängig von Energieressourcen werden, wie er mit Verweis auf den Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen in einer Aussendung betonte. Österreich habe die Möglichkeit, durch Wasser- und Windkraft, Biomasse, Solar-und Geothermie und Photovoltaik energieautark zu werden. Auch neue Technologien wie Flüssigsalzreaktoren könnten hier eine große Rolle spielen, so Hofer. "Wenn wir unsere Neutralität nachhaltig stärken wollen, müssen wir uns am Energiesektor unabhängig machen."