Putin schenkt sich zum 70. Geburtstag "eigenen" Staatsgipfel
Für Wladimir Putin muss wohl auch sein runder Geburtstag einen politischen Triumph darstellen. Längst wollte der russische Präsident wohl die wehrhafte Ukraine, die in die EU und in die NATO strebt, mit seinem brutalen Angriffskrieg als Staat zerstört haben. Doch auch an seinem 70. Geburtstag am Freitag hat der Kremlchef angesichts immer neuer Niederlagen bei seiner Invasion als Oberbefehlshaber alle Hände voll zu tun.
Zumindest formell will man gegenüber dem Westen, der sich gerade in Prag zur "Europäischen Politischen Gemeinschaft" versammelt, Stärke beweisen. Deswegen lädt Putin am Freitag kurzerhand zu einer "Gegenveranstaltung", einem "eigenen" Gipfel, in seine Heimatstadt St. Petersburg (damals Leningrad). Im prunkvollen Konstantinpalast werden Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammenkommen.
Zur GUS, einer Nachfolgeorganisation der vor gut 30 Jahren zerfallenen Sowjetunion, gehören etwa die autoritär regierten zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan, Belarus und die Südkaukasusstaaten Armenien und Aserbaidschan. Welche politischen Vertreter genau kommen, ist nicht bekannt.
Putin werde den Geburtstag jedenfalls "arbeitend verbringen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch.
Einst sorgte Putin für Hoffnung auf liberale Reformen in der Russischen Föderation, brachte Russland nach den chaotischen 1990er-Jahren voller Armut wieder auf die Beine. Heute, nach gut 22 Jahren an der Macht, fällt vieles in sich zusammen.
"Kontrollverlust"
Der Politologe Abbas Galljamow, der früher selbst im Kreml arbeitete, will Putin nicht als "wahnsinnig" bezeichnen, bescheinigt ihm aber "Kontrollverlust". Der Ex-Geheimdienstchef, der einst im gefürchteten sowjetischen KGB Karriere machte, sei nicht mehr Herr der Lage – wie lange in seinem politischen Leben. Putin sei ein Getriebener der Lage in der Ukraine. Er habe seinen Status als "heilige Figur", als Garant für Stabilität verloren. Sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen drohte er schon.
Die stolze Rohstoffmacht erlebt auch wegen des Drucks der Sanktionen des Westens im Zuge des Ukraine-Kriegs eine massive Rezession. Tausende Firmen haben das Land verlassen, Zehntausende Russen haben keine Arbeit mehr. Galljamow spricht von einer beispiellosen "Deindustrialisierung" des Landes. "Er macht Russland zu einem Dritte-Welt-Land", sagt er über Putin. Die Elite des Landes sei in einer "Depression", weil der schnelle Sieg in der Ukraine fehle. Zu den Niederlagen der Armee komme das Chaos bei der Teilmobilmachung.
"Putin ist heute der größte destabilisierende Faktor, ein Destabilisator", meint Galljamow. Russlands Elite verliere nun ihren Halt, weil sie sich 22 Jahre auf Putin gestützt habe. Das sei vorbei. Doch Galljamow sagt auch, dass Putins Ressourcen noch gewaltig seien – auch wegen der Ergebenheit des Sicherheitsapparats. Zudem vertrauen viele Russen – vor allem die über 60-Jährigen - ihm weiter, weil sie keinen anderen starken Führer sehen.
Galljamow warnt vor einer Revolution: Putin würde in dem Krieg vor allem darauf setze, dass die Energiekrise sich in Europa weiter zuspitze und damit die Solidarität mit der Ukraine im Westen breche. Wenn Europa bis März nicht "eingefroren" sei, dann sehe es schlecht aus für Putin – ein Jahr vor der Präsidentenwahl, die 2024 ansteht.
Ein Land nach Putin
Galljamow sieht derzeit angesichts fallender Zustimmungswerte nicht, dass Putin sich einen neuen Sieg verschaffen kann ohne Betrug. Aber Manipulation könne zu einer Revolution führen, meint er. Galljamow sieht nur einen friedlichen Ausweg: Putin könnte selbst einen Nachfolger benennen, dem er vertraue. Als einen möglichen Kandidaten sieht er Sergej Sobjanin, den Bürgermeister von Moskau.